Murema System, Yestadan Constellation, Domain Cluster
Fünf schmale Finger mit einer zierlichen Hand im Schlepptau lagen auf seiner Stirn, als er die Augen aufschlug.
„Du solltest mal echt vorsichtiger sein mit dem Zeug.“ sagte das dunkelhaarige Mädchen und deutete dabei mit dem Kopf auf die Tüte mit blauen Pillen die neben dem Sofa auf dem Boden lagen. Direkt daneben befand sich ein Haufen Kleidung die er als das identifizieren konnte, was er gerade vorher noch getragen hatte.
„Ja, das war ganz schön heftig.“, brummte er mit rauer Stimme,
„Wie lange war ich denn jetzt weg?“
„Es ist kurz nach vier.“ schmunzelte sie.
„Frühstück.“ räusperte Lucien sich begeistert und richtete sich auf.
„Klappt das denn schon?“, wollte Eva wissen,
„Du bist da einfach stumpf umgefallen. Voll aufs Gesicht.“
„Frühstück klappt immer.“ erwiderte er und schnappte sich seine Hose.
„Du bist wirklich ein komischer Typ.“ lächelte das Mädchen.
„Facettenreich.“, verbesserte Lucien sie,
„Danke dass du mir da geholfen hast, ich bin die Dinger hier noch nicht gewöhnt, aber irgendwann muss man ja mal damit anfangen. Dran bleiben ist da alles.“ fügte er mit einer Kopfbewegung auf die Crystall Eggs an.
„Ja, pass damit besser mal auf. Die hauen einen schnell um und ich bin ja auch nicht immer da um dich dann wieder aufzusammeln.“ nickte sie.
„Mach ich.“ versicherte ihr Lucien, schnappte sich eine Pille und zerbiss sie.
„Das ist ziemlich dumm.“ bemerkte sie mit einem kritischen Blick.
„Glaub mir, das ist gar nicht so dumm wie das jetzt aussieht. Da musst du mir die nächsten Zeit einfach mal glauben.“ lächelte der Minmatar hintergründig.
„Du wirst dich noch umbringen wenn du so weitermachst.“ murmelte sie ein wenig besorgt.
Lucien deutete mit der Rechten auf die Anschlüsse an seiner Wirbelsäule, die ihn an Bord der Kapsel mit den Sensoren, Waffen und allem anderen verbanden.
„Glaub ich nicht.“ zwinkerte er.
„Wie auch immer das bei euch dann heißen mag. Pass wirklich auf mit dem Zeug, das kommt nicht gut wenn man das regelmäßig schluckt. Außerdem juckt da der Gaumen von.“ erklärte sie, bückte sich nach seinem Shirt und reichte es ihm.
„Keine Sorge, ehrlich mal Eva. Du kennst mich ja auch gar nicht, da musst du dir mal keine Sorgen machen.“ versuchte er sie zu beruhigen, nahm sich sein Shirt und zog es an.
„Vielleicht würd ich dich aber gerne kennenlernen. Ich mein so richtig, nicht wenn du total zugedröhnt bist und vor meinem Tresen aus den Latschen kippst.“ bemerkte sie spitz.
„Wenn ich wieder da bin. Heute geht das nicht. Heute musst du mich so nehmen.“ erwiderte der Minmatar und schnappte sich seinen Pullover.
„Hmm.“ machte das Mädchen.
„Frühstück im Milliways?“ fragte Lucien.
„Okay.“ lächelte sie.
„Mein Gaumen juckt schon wieder.“ brummte Lucien, dann legte Eva ihre kleine Hand in seine und zog ihn hinter sich aus dem Nebenraum des Clubs in den man ihn gebracht hatte und er musste sich zusammenreißen seine freie Hand nicht auf ihren Hintern zu legen. Gutes Zeug, dieses Crystall Egg, dachte er bei sich, wenn nur der Gaumen nicht immer jucken würde.
Die beiden erreichten das Milliways knapp fünfzehn Minuten später. Es war kein Problem Eva in den abgeriegelten Bereich der Kapselpiloten zu bringen - so lange ein Capsuleer dabei ist sahen die das alles immer sehr locker, gerade auf einer Minmatar Station. Bei den Amarr und Caldari musste man da wahrscheinlich vorher einen Antrag stellen. In dreifacher Ausführung. Einer wäre dann für den Gast des Kapselpiloten, einer für die amarrischen oder caldarischen Behörden und der Dritte würde vernichtet werden, damit er dem Feind nicht in die Hände fällt, dachte Lucien.
Der Minmatar folgte dem dunkelhaarigen Mädchen durch die Tür ins Innere des Restaurant. Die Einrichtung bildete einen angenehmen Kontrast zu den Metallstreben, den rauen Mauern und dem Rost der sich überall an den Stahlträgern und Wänden der Station gebildet hatte. Bequeme Stühle und freundlich dekorierte Tische luden zum verweilen ein und insgesamt hatte all das den Hauch von Exklusivität den man sich gerade noch erlauben konnte bevor es arrogant wurde.
An einem der größeren Tische in der hinteren Ecke des Restaurants konnte Lucien einige bekannte Gesichter sehen. Die große Menge an, noch fast vollen, Glaskaraffen und Flaschen auf ihrem Tisch wies darauf hin, dass die Piloten auch noch nicht lange hier waren aber einiges vor hatten.
„Lass mal da rübergehen. Die kenne ich, die sind okay. Da können wir uns einfach dazusetzen.“ brummte Lucien an Eva gewandt und buxierte das Mädchen in Richtung des, mit allerhand Getränken vollgestapelten, Tisches.
„Keffren, rück mal.“ sagte der Minmatar zu dem aschblonden Caldari mit den militärisch kurzgeschorenen Haaren.
„Schaut mal der Luci ist da.“ rief der der Mann fröhlich und drängelte auf der Bank zur Seite.
„Und mitgebracht hat er auch jemanden. Das ist mal schön.“ fügte die Minmatar mit den kastanienroten Haaren, die dem Caldari gegenüber saß, mit rauchiger Stimme an. In ihrem Gesicht konnte man die nur spärlich beseitigten Spuren von dunklem Schmierfett und Öl erkennen, auch unter den Nägeln ihrer schlanken Hände und in jeder noch so kleinen Falte waren Restbestände allerlei Kühl- und Schmierflüssigkeiten zu erkennen. Der glatzköpfige, bullige Brutor der am Kopfende des Tisches saß, sah noch verdreckter aus, man merkte, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte sich zu waschen.
„Hi Leute, das ist Eva.“ erwiderte Lucien, wartete bis Eva auf der Bank zu Keffren durchgerutscht war und setzte sich daneben.
Der Brutor am Kopfende des Tisches schob wortlos zwei Gläser zu ihnen und deutete mit dem Kinn auf eine der klaren Karaffen und grollte:
„Trink mal was, Mädchen. Siehst nüchtern aus.“
Lucien musste jedes Mal an einen uralten Vulkan denken der gerade seinen letzten Ausbruch plante, wenn er die Stimme des Brutor hörte.
„Seid ihr alles Kapselpiloten?“ wollte Eva neugierig wissen während sie sich und Lucien die Gläser vollschenkte.
Die Minmatar mit den roten Haaren nickte leicht:
„Ja, der da neben dir ist Keffren, einer unserer Logistikpiloten, der glatzköpfige Bär hier heißt Thaars und ich bin Loretta. Wir arbeiten für denselben Verein wie Lucien.“
„Weniger sabbeln, mehr trinken. Wir wollen ja schließlich auch mal ins Bett. Außerdem macht in knapp vier Stunden das Milliways auf, bis dahin sollten wir weg sein.“ brummte Thaars und nahm einen ordentlichen Schluck von seinem Bier und die anderen taten es ihm gleich. Lucien verzog die Lippen und Eva neben ihm hustete leise als der scharfe Wodka ihre Kehlen hinunter brannte.
„Bier nachtrinken.“ schlug Keffren vor und reichte ihnen zwei Flaschen.
„Wolltest du nicht nach Zephan?“ fragte Loretta an Lucien gerichtet.
„Ja, später dann. Erst mal frühstücken.“ erwiderte Lucien und trank einen Schluck. Wodka. Pur. Er verzog die Lippen.
„Weniger labern, mehr trinken.“ warf Thaars in die Runde.
„Irgendwie siehst du ziemlich scheiße aus, Lucien. Vielleicht solltest du mal Urlaub machen?“ schlug Keffren vor.
„Er ist vorher auch vor meinem Tresen stumpf umgekippt.“ verriet Eva bereitwillig.
„Wieso kippt er denn stumpf vor deinem Tresen um?“ wollte Loretta neugierig wissen.
„Weniger reden, mehr trinken.“ verteidigte Thaars seinen Standpunkt.
„Das geht sie gar nichts an.“ sagte der Captain der Sadé ungehalten.
„Warum siezt du mich?“ erwiderte Loretta verwirrt.
„Dritte Person Plural, ist mal was Neues.“ entgegnete Lucien.
„Ich glaube du brauchst mal Urlaub. Planetaren Urlaub. Geh doch einfach mal irgendwo tauchen oder Skifahren.“ sagte der Keffren.
„Du kannst Ski fahren?“ fragte Eva.
„Nein, wieso auch?“ antwortete Lucien.
„Mehr quatschen, weniger trinken.“, grollte Thaars mit Nachdruck. Die Anwesenden sahen ihn überrascht an,
„Quatsch. Ihr bringt mich schon total durcheinander mit eurem Gesülze über Skifahren und Urlaub machen!“, fluchte der Brutor ärgerlich,
„Lucien, du siehst übrigens echt mal scheiße aus. Siehst aus wie einer den eine Fregatte gerammt hat.“
„Er ist auch stumpf vor dem Tresen umgefallen. Voll aufs Gesicht!“ erklärte Eva wieder.
„Deshalb sollte er ja auch mal Skifahren gehen und Urlaub machen.“ schlug Keffren vor.
„Das bringt ja auch nix.“ fügte Loretta an.
„Wieso bringt das denn jetzt nix?“ wollte Thaars wissen.
„Wieso sollte er denn Skifahren gehen wenn er gar nicht Ski fahren kann?“ stellte die rothaarige Minmatar klar.
„Er ist übrigens Anwesend.“ mischte sich Lucien ein.
„Wer?“ wollte Keffren wissen und blickte sich um.
„Ich!“ fauchte Lucien.
„Macht aber auch echt keinen Sinn, dann Skifahren zu gehen wenn man da eh nur auf die Schnauze fällt.“ nickte Thaars überzeugt.
„Ja, sag ich doch die ganze Zeit.“ bemerkte Loretta mit und schenkte sich ihr geleertes Glas wieder voll.
„Einfach stumpf vor dem Tresen umgefallen. Direkt aufs Gesicht.“ wiederholte Eva mit schwerer Zunge.
„Das schafft auch nur Luci. Einfach so aufs Gesicht fallen.“ grinste Loretta.
„Hab ich auch schon gemacht.“, klärte sie der Brutor, vom Kopfende des Tisches her, auf,
„Passiert schon mal, dass man aufs Gesicht fällt.“
„Aufs Gesicht fallen. Wer macht denn bitte sowas. Das ist doch völliger Quatsch.“ sagte Keffren.
„Ich mach das, so!“ erläuterte Lucien dem das mittlerweile gehörig auf die Nerven ging, dass er hier der Gesprächsmittelpunkt war.
„Ja, einfach stumpf umgefallen.“ lallte Eva, deren zügiger Verfall langsam bedenklich wurde.
Eine Weile sagten die vier nichts mehr, was Lucien nur allzu recht war. Schweigend wurden Gläser geleert und wieder gefüllt.
„Man könnte mal einen Skikurs machen. NirMeleth Daytrading Betriebsausflug auf ner Skihütte. Das wäre mal was.“ brummte Keffren plötzlich.
„Was hast du heute dauernd mit Skifahren?“ fragte der Captain der Sadé kopfschüttelnd, während Eva neben ihnen einige glucksende Laute von sich gab.
„Ich glaub die kotzt gleich.“ sagte Thaars.
„Man redet nicht über Anwesende in der dritten Person.“ erwiderte Lucien scharf.
Eva gluckste wieder ein wenig und sah sehr bleich aus.
„Die hätte mal weniger trinken sollen.“ mischte sich Loretta besorgt ein.
„Vielleicht sollte mal jemand mit ihr aufs Klo gehen?“, schlug Keffren vor,
„Luci mach mal, geh mal mit der aufs Klo. Ist immerhin dein Date.“
„Dann kotzt die mich vielleicht voll!“ beschwerte sich Lucien abwehrend.
„Das tut man nicht, über Anwesende in der dritten Person reden.“ wiederholte Thaars die Worte des Minmatars spitz.
„Leck mich doch!“ fauchte Lucien in die Richtung des Brutor, während Eva sich gekonnt auf den Tisch erbrach.
„Hmm.“ machte Keffren.
„Oha.“ machte Thaars.
„Ahja.“ machte Loretta.
„Hoppla.“ sagte Lucien.
Die vier Kapselpiloten sahen sich kurz fragend an.
„Was machen wir jetzt? Die Kleine ist ja völlig am Ende.“ stellte Thaars fest,
„Hätte mal besser sagen sollen, dass sie nix verträgt.“
„Wenn M’ia die Sauerei hier sieht, reißt die uns die Ohren ab.“ bemerkte Loretta ein wenig besorgt.
Der Gedanke an die Besitzerin des Milliways jagte Lucien ebenfalls einen Schauer über den Rücken.
„Achtung nochmal!“ warnte Keffren, während Eva würgte und gluckste und diesmal über Luciens Schoss und auf den Boden kotzte. Mit einem erleichterten Seufzer ließ sie sich zurücksinken und schloss die Augen, während sie langsam begann von der Bank zu rutschten. Lucien hielt sie fest.
„Was machen wir denn jetzt? Die ist ja völlig hinüber!“ fragte Thaars besorgt.
Keffren warf einen Blick auf seine Uhr und sagte dann:
„Also in gut drei Stunden ist M’ia hier und wird das Restaurant aufmachen, für Mittag.“
„Gibt eh schon gewaltigen Ärger wenn die merkt das wir ihren Alkohol geklaut haben.“, raunte Loretta,
„Aber mit der Sauerei hier noch dazu wird das ganz schön bitter.“
„Zum Glück riecht das nur nach Wodka.“ stellte Lucien schnüffelnd fest und betastete mit der freien Hand seine besudelte Cargohose, während er mit der anderen immer noch das betrunkene Mädchen in Position hielt.
Die Kapselpiloten verfielen wieder in nachdenkliches Schweigen während Eva ruhig und regelmäßig atmete. Scheinbar war sie eingeschlafen.
„Ich hab einen Plan.“ rief Thaars plötzlich und hob feierlich den Zeigefinger.
„Wir sind im Arsch.“ murmelte Loretta.
„Keffren, Luci, gebt mir mal eure Gürtel und hebt die da auf den Stuhl. Wir binden die da einfach an und hauen ab. Wenn M’ia kommt, dann denkt die bestimmt die Kleine war das alles. Was ja gar nicht so falsch ist. Wir sind dann aber auf jeden Fall aus der Schusslinie“ erklärte Thaars begeistert.
„Hm, ich weiß nicht“, brummte Keffren,
„wie wärs denn wenn wir einfach aufräumen?“
„Acha.“ machte Loretta unzufrieden.
„Aufräumen ist jetzt auch scheiße. Ich mein es ist vielleicht halb sechs oder so. Da räumt man doch nicht auf, so früh am Morgen.“ stellte der Captain der Sadé fest.
„Auch wieder wahr.“ murmelte Keffren halbwegs überzeugt.
„Binden wir die da einfach an und gehen!“ wiederholte der Brutor überzeugt und deutete auf Lorettas Stuhl.
„Na meinetwegen.“ brummte Lucien und zog seinen Gürtel aus. Keffren neben ihm tat dasselbe, während Loretta aufstand und ihren Stuhl ein wenig zurückzog.
„Meine Hose rutscht jetzt aber.“ nörgelte der Caldari während er sich ebenfalls erhob und mit einer Hand am Hosenbund ziemlich unglücklich aus der Wäsche schaute.
„Ist doch auch egal.“ winkte Loretta ab.
„Nehmt ihr die mal hoch, wenn ich die loslasse rutscht die unter den Tisch.“ erklärte Lucien und reichte seinen Gürtel an den Caldari weiter.
„Man redet nicht über Anwesende in der dritten Person.“ grinste die rothaarige Minmatar.
„Doch tut man schon, wenn die Anwesenden völlig hinüber sind!“ erwiderte Lucien scharf.
„Du bist heute schon mal stumpf aufs Gesicht gefallen, da hättest du dich dann aber auch nicht beschweren dürfen.“ stellte Keffren bemerkenswert clever fest.
„Haltet doch einfach alle mal die Klappe und nehmt mir lieber Eva ab, bevor ihr hier dumm rumlabert.“ brummte der Minmatar.
„Genau, das sag ich schon den ganzen Abend. Weniger labern, mehr trinken!“ bestätigte Thaars.
„Das mit dem mehr trinken hat ja bei ihr auch gut geklappt.“ schmunzelte Loretta und griff sich einen von Evas Armen. Gemeinsam mit Lucien hoben sie das zierliche Mädchen von ihrem Platz und setzten sie auf den Stuhl. Lucien musste dabei sehr vorsichtig sein um seine Hose nicht zu verlieren.
Thaars und Keffren banden Eva mit den beiden Gürteln so an den Stuhl, dass sie nicht unter den Tisch rutschen konnte während Lucien verzweifelt versuchte seine Hose ein wenig zu säubern.
„Ich finde ja die Gürtel sind verdächtig. Wer bindet sich schon selbst an einen Stuhl?“ dachte Loretta laut über den Haken des Plans nach.
„Kleinigkeiten“, winkte Thaars ab,
„außerdem würde die ohne Gürtel nicht heben.“
Die vier Kapselpiloten nickten überzeugt und verließen ein wenig wankend das Restaurant.
„Vielleicht sollte man echt mal Skifahren gehen“, sagte Lucien nachdenklich, während sie sich auf den Weg zu ihren Quartieren machten,
„das könnte lustig werden.“