Zephan System, Homroon Constellation, Khanid Cluster
Lucien saß auf dem Bett seines Quartiers als Matt hereinkam. Ihm war immer noch nicht wirklich wohl. Er hatte sich bereits dreimal übergeben, aber so richtig wohl war ihm nicht. Das konnte allerdings auch daran liegen, dass er bereits wieder ein Crystall Egg zu sich genommen hatte. Sein Gaumen hatte das Jucken eingestellt, dafür blutete sein Zahnfleisch bei jeder sich bietenden Gelegenheit und er hatte dadurch ständig einen metallischen Geschmack auf der Zunge. Alles in allem war er mit der Gesamtsituation ziemlich unzufrieden, aber es half nichts. Irgendwie musste man da durch, sonst macht das alles keinen Sinn und am Ende, ja am Ende verliebt man sich nur und dann ist alles besonders bitter, dachte der Minmatar.
„Hey Captain. Bist du soweit?“ fragte Mathew als er durch die Tür geschlüpft kam, sich einen Stuhl zurechtrückte und sich darauf plumpsen ließ.
„Aye. Wir können meinetwegen los.“ nickte Lucien und räusperte sich, was eine neue Welle blutigen Geschmack durch seinen Mund spülte.
„Du siehst mal so richtig scheiße aus, momentan. Was ist denn nur los mit dir?“ sagte der ältere Mann besorgt.
„Mit mir stimmt alles. Alles okay, keine Sorge Mat. Ich schaff das schon. Ich komm klar. Lass uns mal lieber los, das ist ja wichtig.“ brummte Lucien, schluckte hart und erhob sich.
„Sekunde noch, nimm mal die hier. Sicher ist sicher.“ erwiderte Mathew und hielt ihm eine kleine Handfeuerwaffe hin.
Lucien schüttelte dankbar den Kopf und wischte das Kissen des Bettes zur Seite. Darunter lag eine schwarze Pistole:
„Hab meine eigene mitgebracht.“ sagte der Minmatar mit rauer Stimme.
Mathew blickte kurz nachdenklich auf die Waffe und dann wieder zu seinem Captain.
„Seit wann ...?“ fragte er.
„Seit Sophie ermordet wurde. Sobald ich dem Mörder damit eine Kugel in den Kopf gejagt habe kommt sie wieder weg.“ unterbrach ihn Lucien.
„Hm ...“, nickte der Offizier,
„Die Waffe nutzt Naniten um die Treibladung und das Projektil aufzulösen?“ stellte er mit einem geübten Blick fest.
„Aye.“, brummte Lucien,
„Keine Spuren. Die Waffe eines Mörders.“ entgegnete Lucien mit einem kühlen Lächeln und schmeckte wieder metallisches Blut.
Mathew zog die beiden Waffen die er bei sich trug und zeigte sie Lucien:
„Dasselbe dachte ich mir auch.“ grollte er.
„Ja, ich weiß.“ lächelte Lucien und stand auf,
„Lass es uns zu Ende bringen, Mat.“
„Aye, Captain.“ stimmte der Offizier zu und erhob sich ebenfalls.
Karl war ziemlich unzufrieden. Den ganzen Abend musste er still herumsitzen und fremde oder ziemlich fremde Menschen in das Haus seines Herren einlassen. Sowas mochte Karl ganz und gar nicht. Fremde Menschen waren an sich schon ein Übel das in seiner persönlichen Top Fünf der schlimmsten Übel auf Platz zwei rangierte. Direkt hinter: Fremde Menschen in das Haus seines Herren lassen. Das war die eindeutige Nummer Eins! Karl war ziemlich gereizt, da half auch das leckere Steak nichts, dass er gerade eben verspeist hatte.
Sein Herr war eigentlich ein netter Kerl. Er mochte Gabriel wirklich gerne, aber er verstand nicht wie er so unvorsichtig sein konnte und ständig fremde Leute bei sich zu Gast hatte. Karl machte sich ernsthafte Sorgen um seinen Herrn und Sorgen machen, Sorgen machen war auf Platz Fünf seiner persönlichen Übel.
Die gewaltige Fabrikhalle war dunkel, allerdings machte das Karl nicht wirklich etwas aus. Seine Augen waren nie die besten gewesen und deshalb verließ er sich weit eher auf seine empfindliche Nase und sein gutes Gehör. Es roch nach verschiedensten Kühlmitteln, nach Metall, nach dem Schweiß der fein angezogenen Khanid und Gallente die vor gut einer Stunde durch die Fabrikhalle in den abgetrennten hinteren Bereich gegangen waren und gemeinsam mit seinem Herrn seltsame Bilder anstarrten und darüber philosophierten. Karl wusste, dass es bei diesen Treffen nicht wirklich um Bilder ging. Es wurden Geschäfte gemacht. Sein Herr kaufte sich Sündenfreiheit - zumindest nannte Gabriel es so, aber die Bilder waren trotzdem irgendwie wichtig. Ablenkung oder Tarnung - genau: Tarnung war das Wort, das sein Herr dafür gebrauchte. Der Hund legte seinen großen Kopf auf die Vorderpfoten und starrte gelangweilt in die Dunkelheit. Er war sich nicht sicher warum sein Herr sich tarnen musste und vor allem, vor was. Er war doch da um ihn zu beschützen. Irgendwie machte es ihn traurig, dass sein Herr ihm nicht völlig vertraute und lieber ein paar Bilder zusätzlich benutzte. Vor allem waren diese Bilder auch völlig uninteressant. Weder konnten sie heulen, noch knurren. Sie hatten auch keine Zähne und sie pinkelten auch nicht vor Freude auf den Fussboden wenn Gabriel nach einer langen Reise wieder nach Hause kam. Karl fand, dass er also ein weit besserer Aufpasser und Freund war als diese Bilder. Außer rumhängen konnten die ja eh nichts.
Der Slaver Hound kaute lustlos auf dem Knochen herum, der von dem Steak übrig geblieben war und genoss das knackende Geräusch.
Ein neuer Geruch mischte sich unter die vorhandenen in der Fabrikhalle und Karl sträubte sein Nackenfell und den Stachelkamm der sich über seine Wirbelsäule zog. Es roch nach Minmatar. Sklavenfleisch, drang eine alte, fast verdrängte Erinnerung kurz in sein Bewusstsein. Der Hund hob den Kopf und schnüffelte. Da war noch mehr. Es waren zwei, einer roch nach Tod, Verfall, Blut und einem zarten Hauch von Frau, der andere nach leichter Beute.
Der Hund erhob sich und tapste schnüffelnd los. Sein mattes, dunkles Fell verbarg ihn in der Düsternis der großen Halle perfekt, dazu kamen die engen Gänge, welche die einzigen Wege durch die gewaltigen Mengen an Containern, Fässern und Maschinen darstellten die überall herumstanden. Karl kannte sie perfekt. Die Halle war seine Heimat. Der Slaver Hound nahm Witterung auf.
Lucien hatte die Waffe gezogen und drückte sich leise an einem der Container entlang. Er und Mathew hatten sich getrennt um die gewaltige Fabrikhalle die den Zugang zum Moscow darstellte schneller abzusuchen. Die Khanid waren Krieger und Abenteurer - sie mochten Clubs in denen es „besonders“ war. Sie mussten dass hier lieben, allein der Weg zum Eingang stellte ein kleines Abenteuer für sich dar, da man zu allererst einmal dieses Labyrinth hier überwinden musste, dachte er bei sich.
Vor dem Minmatar befand sich eine gewaltige Stanze. Gute neun Meter in der Höhe und drei Meter in der Breite. Sie musste tief im Boden verankert sein, wahrscheinlich auf einer federnden Unterlage um die Vibrationen auszugleichen schoss es ihm durch den Kopf, dann drückte er sich um die Ecke. Seine Augen hatten sich bereits an die Düsternis der Halle gewohnt und so konnte er zumindest auf knapp fünf Meter einigermaßen sehen. Woher das tiefe Grollen vor ihm genau kam, konnte er allerdings nicht erkennen.
Karl sah den Minmatar der sich an einen der Container nahe der großen, lauten Turmmaschine presste. Er hatte einen schwarzen Gegenstand in der Hand, der nach Verderben roch. Der Slaver Hound stieß ein tiefes, hässliches Knurren aus und jagte los.
Siebzehn Meter.
Der Captain der Sadé zielte mit der Waffe in eine unbestimmte Richtung. Er hörte Krallenbewehrte Pfoten auf Beton. Sie kamen näher.
Vierzehn Meter.
Karl jagte im Schatten der gewaltigen Maschine weiter, sprang zwischen die riesigen Säulen der Stanzführung um nicht gesehen zu werden und jagte zwischen den beiden Stempeln der Presse hindurch. Zufrieden sah er wie sein Opfer in die falsche Richtung zielte.
Neun Meter.
Lucien riss die Waffe schnell herum und richtete sie in eine andere Richtung. Dunkelheit. Krallen auf Metall. Kein Ziel. Er drehte schnell den Kopf.
Fünf Meter.
Karl setzte zum Sprung an, er war in der Presse knapp einen halben Meter über seinem Opfer und würde es mit seinem Gewicht zu Boden reißen und sich in seiner Kehle festbeißen. Das war sein Plan. Der massige, dunkle Körper des Hundes schoss durch die Luft, direkt auf sein Opfer zu.
Zwei Meter.
Der Minmatar sah den heranfliegenden Schatten des Slaver Hounds und riss den linken Arm vor seinen Kopf. Krallenbewehrte Pranken trafen seine Brust und rissen ihn nach Hinten um und er prallte gegen die Container und brach dann zur Seite weg. Lange Eckzähne, die eigentlich seine Kehle treffen sollten, gruben sich in seinen Unterarm. Der Atem des Tieres roch nach Fleisch.
Lucien war auf dem Rücken gelandet, das Tier hatte die Vorderpfoten auf seine Brust gestemmt und seine Krallen gruben sich in das Kunstleder der Jacke. Der Hund hatte sich in seinen linken Arm verbissen und knurrte dabei tollwütig.
Dann erstarrte das Tier plötzlich, kurz und krampfartig wurde der Druck auf seinen Arm größer, nur um sich bereits einen Wimpernschlag später deutlich zu verflüchtigen. Der Slaver Hound sank auf der Brust des Minmatars zusammen und Lucien spürte wie ihm warmes Blut aus dem Auge des Tieres über das Gesicht lief. Dann hörte er Schritte.
„Captain, bist du okay?“ fragte Mathew besorgt, die Waffe noch immer in der Hand haltend.
„Ja, ja mir geht’s gut. Schaff mir dieses Vieh vom Hals, Mat.“ erwiderte der Minmatar schwitzend.
Gemeinsam gelang es den beiden, den Kadaver von Lucien herunter zurollen. Mat reichte ihm eine Hand und half seinem Captain auf die Beine.
„Da bist du grade noch rechtzeitig gekommen.“ brummte Lucien außer Atem.
„Ja, verdammtes Vieh. Ich hasse die!“, fluchte Mathew,
„Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass die feine Gesellschaft da drin heute keinesfalls gestört werden will.“
„Genau so ist es.“ sagte eine kühle Frauenstimme hinter ihnen.
„Das wird jetzt peinlich.“ murmelte Lucien und musterte den Neuankömmling.
Die Frau war eine Khanid in einem dunkelgrünen, engen, züchtig wirkenden Kleid, dass trotz allem einen Hauch von Erotik versprühte. Ihr Gesicht war scharf und asketisch geschnitten, ihre hellbraunen Haare zu einem Zopf geflochten. Hinter der Frau standen fünf weitere Khanid die Lucien ziemlich eindeutig als eine Hand Cyberritter identifizieren konnte.
„Was haben sie hier zu suchen?“ fauchte die Khanid.
„Ein Pflaster oder ein Verband wäre mir momentan ganz recht.“ sagte Lucien und wedelte leicht mit dem schmerzenden Arm.
„Wir wollten in den Club.“ fügte Mathew ernst an,
„Wir wussten nicht, dass der heute zu ist.“
„Soso.“, erwiderte die Khanid,
„Erstens glaube ich euch kein Wort und zweitens ist der Club immer geschlossen. Nur geladene Gäste! Verarscht mich also nicht!“
„Ehrlich mal“, konterte Lucien,
„Wir sind nicht von hier, woher soll man denn wissen das man hier nur mit Gästeliste reinkommt.“
„Weil es ziemlich groß an der Eingangstüre zur Halle steht, vielleicht. Oder weil man erst einmal ein Schloss knacken muss um überhaupt durch die erwähnte Türe zu kommen.“ entgegnete die Frau spöttisch.
„Ja, das kam mir schon gleich ziemlich seltsam vor mit der Tür.“ nickte Lucien.
„Also ihr beiden. Gabriel hat mich geschickt um euch hier in Empfang zu nehmen und euch wieder nach draußen zu begleiten. Das machen wir jetzt also auch mal. Das Tier das ihr getötet habt werdet ihr ersetzen und auch den Schaden am Schloss. Gabriel wird davon absehen euch weiteren Ärger mit den Behörden zu bereiten, weil ihm euer stümperhafter Auftritt gefallen hat.“ erklärte sie und machte eine Handbewegung in Richtung der Cyberritter.
Mathew und Lucien wurden zuerst entwaffnet, dann jeweils am Oberarm gepackt und mit sanfter Gewalt in Richtung Ausgang geführt.
„Das ist ja ziemlich nachsichtig von diesem Gabriel.“ sagte Lucien, während er immer weiter gedrängelt wurde.
„Ja, ich wäre nicht so nachsichtig gewesen.“ erwiderte die Khanid hart,
„Wenn es nach mir gegangen wäre, dann würdet ihr nicht so einfach da raus kommen.“
„Da sind wir aber froh das es nicht nach ihnen gegangen ist.“ brummte Lucien.
„Ja da könnt ihr auch mal echt froh sein.“ fauchte die Frau.
„Sind wir auch, ehrlich.“ entgegnete der Minmatar.
Widerstandslos ließen sich Lucien und Mat aus der Halle bringen.
„Gut.“, sagte die Khanid,
„Das war‘s. Man wird sich mit eurer Corporation in Verbindung setzen wegen des Schadensersatzes. Ansonsten hoffe ich, dass wir uns nie wieder sehen.“
„Danke fürs Rausbringen.“ erwiderte Lucien artig.
„Gebt ihnen ihre Waffen zurück.“ befahl die Frau den Cyberrittern und ignorierte Lucien völlig.
„Weißt du wer das war?“ fragte Mathew rhetorisch, als sie die Fabrikhalle hinter sich gelassen hatten und über einen weiten, überfüllten Platz der Station schlenderten.
„Aye, das war die Judikarin Samantha Hantoi, die oberste Richterin im Khanid Cluster.“ brummte Lucien ungehalten.
„Genau!“ erwiderte Mathew entsetzt,
„Wenn dieser Gabriel so jemand schicken kann um uns nach draußen zu bringen, dann heißt das nichts Gutes!“
„Das heißt wohl, dass der Mann ziemlich viel Geld und Einfluss besitzt.“ fluchte Lucien rau.
Mathew nickte ein wenig bleich:
„Unschön. Wollen wir auf den Schrecken etwas trinken gehen? Das würde uns glaube ich guttun.“
Lucien schüttelte leicht den Kopf:
„Nein, ich nicht mehr. Ich gehe glaube ich gleich ins Bett.“
„Also ich geh noch was trinken. Ich brauch jetzt dringend was zu trinken.“ bekräftigte der Offizier und rückte seine Brille zurecht.
„Ich geh dann mal nach Hause. Ich bin völlig fertig.“, erwiderte Lucien,
„Guter Schuss übrigens!“
„Naja, ich hab eigentlich auf die Brust gezielt.“ antwortete Mathew lächelnd,
„Dann bis morgen, Captain.“
„Bis morgen und Danke, Mat.“ verabschiedete sich Lucien.
Als Lucien zwei Stunden später in seinem Quartier war, war er sehr müde. Aber er hatte bekommen was er wollte. Seufzend ließ er sich auf sein Bett sinken und zog die Kunstlederjacke aus, streifte dann den weiten Kapuzenpullover über den Kopf und blickte auf seinen linken Unterarm. Die dicken Bandagen die er, vor dieser ganzen Aktion, um seinen Arm gewickelt hatte, hatten den Biss des Hundes gut abgehalten. Nur die vier langen Eckzähne hatten seinen Schutz durchbrochen. Langsam begann er sich von den Bandagen zu befreien, versorgte die kleinen, kaum erwähnenswerten Wunden und ließ sich dann auf das Bett sinken.
OOC: Wenn ihr jetzt gleich lest (11:44) kann es sein dass noch viele Fehler drin sind, ist saulang das Kapitel und nicht Probegelesen bisher. Mach ich aber nu gleich mal.
Edit: So, nu sollte es schonmal besser sein.