Im Jahr 2010 sind viele Leute im Westen am Punkt angelangt, wo 10 Dollar wieder an Bedeutung gewinnen. Ein CNN Test versuchte kürzlich zu zeigen, was die Angstellten alles kaufen können für 10 Kröten. Hintergrund dieser Aktion ist die aktuelle Krise, ausgelöst durch den Subprimecrash von 2008. Die neue Armut und die Erosion der Mittelschicht in den USA könnte - oder wahrscheinlicher - wird oder ist schon auf Westeuropa übergeschwappt.
In den Staaten kennt man schon länger den Begriff des sogenannten "White Trash". Man könnte denken, dass nach dem Holocaust die Menschheit gelernt haben sollte Mitglieder der eigenen Rasse nicht mit entmenschlichten Begriffen zu benennen. In Deutschland hat man etwa um die Jahre 2007 und 2008 den Begriff des "Prekariats" geprägt, was darauf schliesst, dass die amerikanischen sozialen Probleme langsam auch in Deutschland angekommen sind.
Der Mangel an Geld verstärkt die Probleme nicht nur in materieller Hinsicht, wie wir inzwischen wissen, sie führt auch zu ungesundem Lebensstil. White Trash und Prekariat haben deshalb in medizinischer Sicht vorallem Adipositas gemeinsam. Die Armut bringt Leute dazu, bei Lebensmitteln ausschliesslich auf den Preis zu schauen, sich weniger zu bewegen und wahrscheinlich auch dazu, sich weniger zu bilden. Die wirklich beunruhigende Nachricht kam erst kürzlich allerdings aus Frankreich, Land der Nouvelle Cuisine, Land, in dem Gott isst etc. Nicolas Sarkozy und seine Angetraute haben in den USA am Nachmittag Hamburger verspiesen, obwohl am Abend ein grosser Empfang angesagt war. Natürlich war es auch Show, Zeichen Französisch-Amerikanischer Annäherung usw.
Nein, in Frankreich wird nämlich inzwischen mehr Pizza gegessen als anderswo in Europa. Es geht nicht darum die Pizza zu verteufeln, sie kann durchaus "gesund" sein, allerdings trifft das selten zu. Pizza ist eigentlich ein Restverwertungsprodukt. Der Grund, warum die Teigrondelle so viele Facetten hat und in jeder Region anders aussieht, schmeckt und belegt ist, ist lediglich derjenige, dass jede Region anders isst und deshalb andere Reste von anderen Produkten übrig bleiben.
Der Pizzabelag indes besteht meist aus Pressschinken, der in gewissen Ländern als "Schinkenprodukt", "Schinkenbelag" deklariert werden muss und mit echtem Schinken vom Schwein nur noch am Rande zu tun hat. Oft ist er mit phosphaten und Farbstoffen versetzt, damit er wenigsten noch wie Schinken aussieht. Dasselbe gilt für den Mozzarellakäse. Bekanntlich müsste Büffelmozzarella die Käsegrundlage der Pizza bilden, aber der ist teuer. Der Ersatzmozzarella - wenn es wirklich Käse ist - ist ein ziemlich überfettiger Käse. Neuerdings ist der Mozzarella sogar nur ein Abfallprodukt aus Pflanzenfetten mit Käsegeschmack. Wir alle wissen, dass auf dem Pizzenteig immer Tomatenpuree ist, der so unwahrscheinlich dunkelrot aussieht und immer aus industrieller Produktion stammt. Ananas für Pizza Hawaii kommt aus der umweltschädlichen Weissblechdose, Rohschinken kann nun auch aus verklebten Schinkeneinzelteilen bestehen, die Pilze sind allzuoft auch aus der Dose etc. etc. etc. Gesundes Essen ist aber etwas anderes!
In Deutschland gibt es ausser Pizzerien vorallem Dönerbuden, und zwar nicht nur weil es drei millionen Türkischstämmige in der Republik hat, sondern weil Döner billig ist. Die Leute lassen sich überhaupt nicht verunsichern von schockierenden Meldungen über Dönerfleisch. Es ist auch schwierig eine Dönerbude zu finden, welche die Zutaten zum Sandwich, noch selber zubereiten. In einer gutlaufenden Dönerbude muss alles fix gehen, da müssen die Zutaten aus der Packung kommen. Früher gab es Lammfleisch Döner. Später wurde aus dem Lammfleisch Kalbfleisch, und inzwischen kriegt man ungefragt Putenfleisch, das billigste Fleisch.
Pizzen, Döner, Fertigprodukte und Tiefkühlprodukte haben immer mehr Fettanteile in Form von Pflanzenfetten. Die Fette verstärken den Geschmack, ohne sie und ohne das viele Salz, würden viele Gerichte nach nichts schmecken. Früher oder immer noch gibt es in vielen Restaurants Teigwaren die vor Fett triefen, sautee au beurre, was dazu führte, dass man Teigwaren im Restauran so gut von den selber gekochten unterscheiden konnte. Ich glaube indes nicht, dass die Nahrungsmittelindustrie uns vergiften will, sie will lediglich Geld verdienen und das kann sie nur wenn sie bei der Produktion, beim Einkauf und den Löhnen spart.
Unter anderem haben die Angestellten von CNN Lebensmittel gekauft für die 10 Dollar. Man wollte zeigen, dass auch mit den 10 Dollar durchaus noch Schnäppchen drin liegen. Aber die Gesellschaft kann nicht zu Schnäppchenjägern degenieren. Die Jagd nach immer dem billigsten wird auf die Leute zurückfallen wie ein Bumerang. Die reichsten Deutschen sind die Besitzer von Aldi und Lidl, das muss zu denken geben, auch wenn die Herren hart dafür gearbeitet haben es soweit zu bringen. Die Berichte aus Lieferbetrieben sind zum Teil haarsträubend, sowohl im Umgang mit der Ware wie auch im Umgang mit den Mitarbeitern.
Lange vor dem Crash in den USA, haben Leute vor der Erosion des Mittelstands gewarnt, weil man analysiert hat, dass es der Mittelstand ist, der die Hauptlast des Staats trägt. Wird der Mittelstand in den Mangel genommen, geht es auch automatisch der Unterschicht schlechter, denn der Mittelstand sorgt auch für diese. Das Hauptproblem ist, dass der Staat von den Arbeitseinkünften der Bürger lebt. Durch die Globalisierung und Technik steigt die Zahl derer, die a) gar nicht arbeiten können und b) derer, die weniger verdienen. Die Leute sparen also und sie sparen nicht zuletzt beim Essen. Wenn nur das billigste in Frage kommen, landen die Leute wieder beim Supermarkt und kaufen das günstigste, statt das gesündeste. Mit dem Übergewicht steigt zusammen mit der Alterspyramide der Druck auf die Sozialkassen. Kinder werden weniger gemacht, denn sie sind ja "Armutsrisiko", weswegen dereinst vielleicht die ganze Art des Rentensystems kollabiert, ja zusammenbrechen muss.
Die Stützung des Finanzsystems 2009 hat vielleicht die Wirtschaft gerettet, aber auch verhindert, dass ein Reinigungsprozess stattgefunden hat. Die Masse an Jetons, Spielgeld an der Börse wurde durch die Länder gerettet. Auf Kosten der Steuerzahler und ziemlich direkt in die Taschen von Fonds, Banken, Börseianern und wer sonst heimlich Kohle scheffelt, die anderswo fehlt. Da kollabiert ein nicht funktionierender Staat wie Griechenland und andere Bürger in Europa müssen dafür aukommen. Man hat das Gefühl, dass niemand in Deutschland genau weiss, was der Staat überhaupt tut und was er ausgibt. Wissen Sie es? Wir wissen, dass Bäder und Bibliotheken geschlossen werden, während entschieden wird, gepanzerte Fahrzeuge tausende Kilometer in ein fernes Land zu schicken, dass zwar im osten Deutschlands Kirchen, Paläste, Denkmäler wunderschön renoviert wurden, während anderswo im öffentliche Bereich das Geld ausgeht.
In den Staaten ist es schlimmer, weil dort die Masse der Steuer Staatssteuern sind, nicht Gemeinde oder Landessteuern. Das wiederum führt dazu, dass Kommunen und Städte so gut wie bankrott sind. Brücken gehen kaputt, Strassen. Tatsächlich sind die USA in Sachen Highspeed Internet stark zurückgefallen, weil die ganze Infrastruktur am Boden ist.
Wie wird es weitergehen? Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Gesellschaft von selbst erneuern kann. Es braucht Katastrophen ungeheuren Ausmasses, die gewaltige Veränderungen mit sich bringen wird. Die Letzte grosse Depression der Dreissiger Jahre endete im Zweiten Weltkrieg. Der Aderlass an Bevölkerung erlaubte die Einverdienerfamilie der Fünfziger. Die gewaltige Aufrüstung im kalten Krieg sorgte lediglich dafür, dass die Vollbeschäftigung in den Staaten durch den Kriegseintritt weitergeführt werden konnte, zusammen mit der quasi Auslöschung aller Konkurrenznationen.
Eine Systemkatastrophe an den Finanzmärkten könnte bald wieder eintreten, wo die Staaten diesmal zahlungsunfähig sein könnten, ein Krieg könnte wieder ausbrechen und beim Klima vermutet man den Kollaps nahen. Der Weltwirtschaftsmotor wurde von China, Indien und Brasilien im letzten Jahr in Gang gehalten. Darum fährt ja auch ein chinesisches Transportschiff absichtlich falsch durch das Barrier Reef. Schwellenländerwachstum basiert auch stark auf Resourcenausbeutung. Man stelle sich nun vor, man ist von diesem Motor abhängig.
Ein Einzelner kann nicht die Welt retten, aber viele Einzelne können nachdenken und entsprechend handeln. Innovationen, gezieltes Einkaufen von Waren und Dienstleistungen, Sinn für soziale Ansinnen und schon kann etwas Nachhaltiges in Gang gebracht werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass man versucht uns zu einer 10 Dollar Gesellschaft zu machen, die noch abhängiger von Geld, Wirtschaft und Politik ist. Die Wahl Obamas zeigte auch, dass viele Leute durchaus bereit sind, Opfer für eine Gute Sache zu machen, auch wenn sie es sich kaum leisten können. So etwas stimmt positiv.
"You see things; and you say why? But I dream things that never were; and I say why not."
G.B.Shaw