In den letzten Monaten war ich oft im Bordell. Punkt. Diese Zeit hat mich absorbiert und andererseits hat sie meinen Horizont erweitert, mich einiges gelehrt und einiges entmystifiziert, das früher mal ein Geheimnis war. Ob es ein solches hätte bleiben sollen, kann ich nicht genau sagen zu diesem Zeitpunkt, genausowenig wie ich sagen kann, dass die Story mir peinlich ist oder ob ich stolz darauf sein sollte. Ich schreibe dies auf, ohne mir bewusst zu sein, wie es mich verändert hat, ob es mich wirklich so stark geprägt hat oder was am Ende das Resultat meiner Handlungen sein wird.
Das alte Jahr klang mit der Trennung von Gabi und mir aus. Ich kann nicht genau sagen wann es war, aber es dürfte Anfangs November gewesen sein, vielleicht auch schon Ende Oktober. Das Ende kam nicht überraschend. Sex gab es seit Monaten nicht mehr und die Anspannung stieg von Woche zu Woche. Ich wusste, dass „wir sollten reden“, nichts anderes bedeuten konnte als das endgültige Aus. Ich ging noch mal in mich und sagte mir, dass es ja auch Gründe gab, dass diese Beziehung überhaupt entstehen konnte. Ich rief an und sagte klar, dass nur ein gemeinsamer Effort eine Zukunft hätte oder wir es andererseits lieber lassen sollten. Sie meinte, wir sollten es lassen. Ich hörte neben diesem klaren Statement ein starkes Bedauern in ihrer Stimme und sie entschuldigte sich dafür, dass sie den Schlussstrich zog. Es täte ihr auch leid und sagte etwas von ihrer Schuld am Scheitern. Ich antwortete, dass immer zwei Seiten dazugehörten, dass ich genauso, zu genau gleichen Teilen Schuld daran hätte. Wir gingen versöhnlich auseinander, und bis heute ist ein guter Teil ihres Krams bei mir unten im Keller. Ihre Sachen habe ich ihr zum Teil persönlich gebracht zum Teil habe ich den Transport organisiert. Am Ende einer Beziehung zeigen die Menschen oft ihr wahres Gesicht – mir war es wichtig, Haltung und Würde zu bewahren.
Die neue Freiheit genoss ich in vollen Zügen. Bereits im Februar war sie ausgezogen und schon damals hatte sich der Raum der Wohnung, der Platz für mich allein vergrössert. Er wurde jetzt noch erweitert, und ich hatte das Gefühl mein Leben hätte an Qualität gewonnen. Ich hatte schon längere Zeit aufgehört mit gamen. Als ich für Starcraft2 trainierte, kam ich auf die Idee, meine apm (Aktionen pro Minute) und Fingerfertigkeit zu erhöhen, in dem ich wieder vermehrt Gitarre übte. Irgendwann war es das Spiel, welches nicht meinem Geschmack entsprach – die Gitarre hingegen blieb. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren nutzte ich nun das Medium Internet aktiv, um meine Technik und auch mein Repertoire zu verbessern. Der Stress meiner langen Arbeitstage liess am Abend nur noch ein kleines Zeitfenster übrig, das entsprechend sorgfältig genutzt werden wollte. Neben meiner Ernährungsumstellung ist die wiederentdeckte Musik die konsistenteste Änderung der letzten Jahre. Seither übe ich plus-minus eine bis zwei Stunden täglich.
Auf der anderen Seite habe ich weniger geschrieben und noch weniger gelesen. Nichtsdestotrotz schickte ich einen Text für einen national ausgeschriebenen Literaturwettbewerb, nachdem ich bereits vorher zwei Texte an anderen Schreibwettbewerben eingereicht hatte. Anfangs Dezember erhielt ich die Nachricht, dass ich tatsächlich zu den Gewinnern gehörte, was mich sehr befriedigte, ja innerlich jubeln liess. Für mich war es wichtig, überhaupt jemals irgendwo zu punkten, zu wissen, dass meine Schreibe irgendwo ankommt, dass irgendjemand mein Geschreibsel toll findet.
Der Gewinn, der Dezember und der Schnee kamen also, um das Jahr zu vollenden. Ich hatte inzwischen die Lust auf Internetpornographie zu meiner eigenen Triebbefriedigung verloren. Ich mochte einfach wieder einmal Sex mit einer realen Person haben, egal wie. Die letzten zehn Jahre habe ich fast durchwegs in Partnerschaften verbracht, und nun stand ich da, sechsunddreissig Jahre alt, ohne viel Erfahrung mit Frauen, One Night Stands, Swingerclubs, Fremdgehen und aussergewöhnlichen Sexpraktiken. Ich begann an einer alten Idee zu feilen, die ich schon länger hatte und auch hier schon diskutiert habe, nämlich die Möglichkeit zu einer Prostituierten zu gehen. Das Internet bot auch die entsprechenden Informationen und Hilfestellungen, und eines Tages rief ich eine Nummer an, nachdem ich ein Angebot auf Paysex mit Fotos für ansprechend empfunden hatte.
Der erste Anruf ging in die Hose. Meine Frage, ob „sie“ schon lange in Basel residiere, kam die Antwort: „Why, are you from the migration?“ Da wurde mir meine Naivität und Blauäugigkeit so vorgeführt, dass es mir jetzt noch peinlich ist, darüber zu schreiben. Die Bilder einer anderen Dame gefielen mir auch, aber die war zu der Zeit nicht anwesend. Drei Wochen später fand ich ihre Anzeige erneut und diesmal fasste ich den Mut und rief an. Es war ein Freitag, es war etwa um zehn. Mir war langweilig, ich war einsam, und weder Gitarre spielen noch sonst etwas vermochte mich zu unterhalten. „Hallo, hier ist M.“ Die Stimme gefiel mir auf Anhieb. Was für ein wohlgefälliger Klang, diese Sanftheit und Zierlichkeit – in einer Stimme! Diesmal wusste ich, dass ich hingehen musste, es zog mich magisch an. Ich war so nervös, dass ich mich entschied die halbe Stunde zu Fuss zu gehen, obwohl es bitter Kalt war und die Strassen und Gehsteige voll mit Eis. Ich schaffte es endlich in das unscheinbare Haus, das ziemlich übel roch. „Das ist ja der beste Ort für ein geheimes Bordell“, dachte ich mir.
Die Tür wurde aufgemacht und eine junge Frau machte die Tür auf. Sie hatte gewelltes Haar wie auf den Bildern, mit den unkenntlich gemachten Augen. Ich mag Locken nicht, mochte sie nie, aber dieses Mädchen hatte irgendetwas. Sie stand in einem Kleidchen da, lächelte mich an. Ich sagte stocksteif sofort, dass ich ein kompletter Neuling auf dem Gebiet der Bordelle bin, und kaum eine Ahnung hätte, was zu tun sei. „Kann man duschen?“, fragte ich. „Ja, da hinten. Und eigentlich zahlt man vorher und sagt wie lang man bleiben möchte.“, lächelte sie mich an. Ich bezahlte hundert Euro für eine halbe Stunde. Ich kam zurück mit einem Tuch um die Hüften. Die Wohnung war sehr sauber und roch auch gut, ein sehr starker Kontrast zum Haus selber. Im Zimmer war ein überdimensioniertes Bett, eine Küche, Teppich, ein Fernseher, ein Laptop. Nicht so recht wissend, was nun geschehen würde, legte ich mich aufs Bett. Sie kam auf allen vieren näher und dann spürte ich ihre Lippen auf den meinen. Sie küsste mich unheimlich zart, so zart, als wenn man mit einer Rose schmusen würde. Sie schmeckte frisch und mir wurde klar, dass diese Sorte Küsse süchtig machen würden. Sie nahm mir meine Scheu und das Spiel wurde immer erregender und prickelnder. Ich bot ihr nach einer Weile mehr Geld. Ich war hin und weg, und sie willigte ein. Mir kam es so vor wie eine Ewigkeit, es war als wäre ich entjungfert worden. Es war einfach perfekt. Erst auf dem Nachhauseweg bemerkte ich, dass ich sie nicht für die zusätzlichen zwanzig Minuten entlöhnt hatte. Ich fragte sie ausserdem ob der SPIEGEL auf dem Stuhl von ihr sei. Sie dachte zuerst ich meinte einen echten Spiegel, aber ich meinte das Magazin, dieselbe Ausgabe, die ich nämlich auch gekauft hatte. Jemand der den Spiegel liest wird für mich interessanter. Ja, sie lese den Spiegel, studiere ja auch Wirtschaft. Und ansonsten lese sie gerne "Die Zeit Wissen". Ich war so was von hingerissen!
Irgendwann hatte ich auch gefragt, ob sie etwas von Basels Sehenswürdigkeiten gesehen hätte. „Das Kaufhaus Manor“, war ihre Antwort. „Wie kommt jemand dazu, das als Sehenswürdigkeit anzupreisen“, lachte ich. „Keine Ahnung, aber ich fand es nicht besonders grossartig. Auf jeden Fall habe ich schon interessanteres gesehen.“ Dann fragte ich: „Aus welchem Bundesland kommst du denn? Oder ist das eine zu private Frage?“ „Das ist schon zu privat.“ Und nach ein paar Sekunden: „Es gibt nicht viele Bundesländer, die denselben Namen haben wie die entsprechende Stadt.“ Es war ihr letzter Abend in Basel.
Es ist ein komisches Gefühl für Sex bezahlen zu müssen, aber ich kam recht schnell damit klar. War das Erlebnis nun immer so gut, fragte ich mich selber. Ich erstellte eine Liste mit Frauen, die ich besuchen, die ich schon immer einmal „haben“ wollte. Ich hatte absolut kein schlechtes Gewissen, weder mir noch meiner Erstbegegnung gegenüber. Es schien ihr Spass zu machen und sie schien ein, vielleicht zwei, mal selber gekommen zu sein, aber in diesem Business ist die Vortäuschung von Gefühlen standart, und ich konnte noch nie einen echten von einem gespielten Orgasmus unterscheiden. Eine Woche später ging ich zu einem anderen, ziemlich jung aussehenden Working-Girl (so nennt man die unter anderem, politisch korrekt, inzwischen). Das Erlebnis war ebenfalls ganz nett, wenn auch nicht so der Hammer, wie das erste. Mir dämmerte, dass die Erste vielleicht doch etwas Besonderes gewesen sein mochte. Auch eine spätere, in der Weihnachtswoche war zwar ein sexuell befriedigendes Erlebnis, aber im Gesamtpaket genauso wenig das, was ich suchte. Wobei, ich wusste eigentlich gar nicht, was ich suchte, ich wusste lediglich, dass es nicht das „Richtige“ war. Und selbst als ich eine grosse, junge Frau mit langem blondem Haar besuchte, die das absolute Nonplusultra an Schönheit, Finesse und Technik bot, fehlte es am gewissen Etwas.
Weihnachten kam und ging und an Silvester ging ich zu D. Ich fand deren Äusseres sehr delikat und beschloss, sie zu besuchen. Als ich ankam, war ich überwältigt, wie süss sie war. Inzwischen wusste ich, dass ich nur auf der Suche nach Ersatz für M. war und hier war der Ersatz. Er war blond, roch nach Honig und Vanille, war zärtlich, anschmiegsam und dann doch wild. Sie war sehr redselig und erzählte von Freund, Partnerschaft, Kunden und sonstigen Erfahrungen, von denen sie mehr zu haben schien als ich überhaupt je hatte. Ich hatte gesucht und gefunden. Die Geschichte sollte eine Woche später noch eine Fortsetzung finden und diese war sogar noch besser als die Vorangegangene und das will was heissen! Ich war der letzte Kunde eines bescheidenen Abends, und plötzlich kam sie zu mir und fragte ob ich sie zum Bahnhof bringen würde. Natürlich wollte ich das. Ich fand es innerlich toll, privaten Kontakt zu ihr aufbauen zu können. Auf dem Bahnsteig gab ich ihr meine Karte und hoffte, sie würde sie nicht gleich aus dem Zug schmeissen und eines Tages einmal anrufen.
Sie rief noch am selben Abend an. Und am anderen Tag auch. Um es abzukürzen, entwickelte sich ein Band zwischen ihr und mir. Ich ging auch nur noch einmal in den Puff, in dem sie arbeitete. Sie gab dort vierzig Prozent ihrer Einnahmen ab, was ich für unglaublich halte, was allerdings scheinbar die Norm darstellt. Ich bezahlte ihr das Geld lieber selber, dann hatte sie mehr davon und ich auch. Mir war allerdings auch bewusst, dass sie mich ausnutzen konnte auf diese Art, obwohl sie mir erklärte, dass der Club normalerweise private Kontakte verbieten würde, unter Drohung von siebzig Euro Strafe - kein Wunder! Ich habe sie seitdem nie wieder gebucht. Manchmal sehe ich sie Nachts nach zwei Uhr. Dann gehen wir am Rhein entlang spazieren. Ich spüre, dass ihre Gegenwart mich glücklich macht, auf eine gewisse Weise. Ihre Vorgeschichte und ihre Probleme sind so mannigfaltig, sie würden alleine für ein Buch reichen. Ich reiche ihr nur die Hand. Ihre Beziehung, die sabotiere ich nicht, auch wenn ich sie schon wie meine eigene als Trümmerhaufen sehe. Es gibt genug Männer, die hoffen, dass es bald zu Ende ist. Interessanterweise sagte ich, dass wir anderen es gut hätten, wir müssten ja auch nicht Alltag überstehen, die ganzen Zickereien, Probleme, die ganze Langweile, den Überdruss ertragen, die eine Beziehung so mit sich bringt. Ich kenne das, es ist einfach von aussen, es besser zu machen. In den meisten Fällen ist es nachmalig der selbe Trott. Aber ja, ich ertappe mich dabei es zu geniessen, wenn sie Dessous und Reizwäsche bei mir deponiert, ihre Anwesenheit, ihre SMS und ihre Begleitung in schummrige Bars mitten in der Nacht. Ich kann es nicht einordnen, nicht richtig bewerten, ich lebe es einfach.
M. kam vor ein paar Wochen wieder hierher. M. die erste, "das nette Mädchen von nebenan". Und sie war gut, so gut, so wahnsinnig gut. Ich war hocherfreut sie wieder zu sehen. Und beinahe wäre es gar nicht dazu gekommen. Ich war zum vereinbarten Termin da als eine aussergewöhnlich hübsche Blondine die Tür aufmachte. „M. will be ready in a few Minutes“ „Ok, I will be waiting then. But who are YOU?”, fragte ich. “I’m E.”, antwortete sie. “You are THE E.?” Ich wusste aus Foren, dass E. schon für einige richtig schlechte Kritiken von Freiern verantwortlich war. Die jedoch vor mir stand, die konnte unmöglich so mies sein. Sie war schön und nett. „I called You lately. You’ve got a beautiful voice and you are much more beautiful than on the pictures.“, floss es aus mir so raus, wie aus einem Damm, der gerade einen Riss durchzustehen hatte. “Du kannst auch sie nehmen, wenn du möchtest.”, hörte ich eine altbekannte Stimme hinter mir. Es war M. So schön und so reizend wie immer. Ich fühlte mich ertappt und wie Paris stand ich nun vor der Aufgabe, den Apfel zu verteilen. Ich hatte M. gebucht und nahm sie auch. Ich musste mich zurückhalten, sie nicht gleich zu überfallen. „Die Leute sagen, ich habe abgenommen.“ „Ich hoffe, du nimmst nun nicht zu!“ und übergab ihr eine Schachtel Lindor Kugeln. Sie lachte sichtlich erfreut: „Ich wurde noch nie von einem Kunden beschenkt, das ist etwas ganz Neues.“ Wie ich auf die Idee kam, weiss ich eigentlich auch nicht so recht, aber ich fand es wichtig, eine Schenkungsgeste zu machen, auch wenn der Besuch auch so teuer genug war. Von D. weiss ich, dass es einen Freier gibt, der jeweils Socken mitbringt, und dass diese Socken auch tatsächlich gern gesehen sind.
Ansonsten war es eine Katastrophe. Ich redete viel zu viel, wollte viel zu viel wissen, und noch während des Vorspiels war die Zeit vorbei. Es mitunter das Ärgerlichste, das mir überhaupt je passiert war. Ich kehrte eine Woche später zurück für Teil zwei. Es war langsam klar, dass ich eher ging, um sie kennenzulernen als um Sex zu ergattern, obwohl sie perfekt war und ist. Sie war ein Puzzle, dass ich irgendwie zusammensetzen wollte. Es machte alles so wenig Sinn. Das Ratespiel fand seine Fortsetzungen bei jedem Besuch und endete erst als sie vor Wochen definitiv nach Hause fuhr. Genauso verursachte ich wohl so etwas wie eine erheiternde und auch peinliche Geschichte, die sich bereits herumerzählte. M. fragte mich bei einer Session ob sie den TV ausschalten solle. Ich meinte es ist egal. Aber eigentlich war es nicht egal, denn ich besitze selber keinen. TV das ist für inzwischen so etwas besonderes, dass es mich sofort fesselt, wenn ich irgendwo bin, wo es einen hat. Ich kann mich an eine Stelle erinnern. Es war eine real crime Doku die gerade lief. Es war von Blut, Leichen und Spermaspuren die Rede, während ich gerade M. auf mir sitzen hatte. Irgendwann hiess es: „In einer hundertachtzigtausend Seelen Stadt kennt Jeder Jeden!“ „Lol!“ , rief ich aus, „so ein Witz. Das ist überhaupt nicht wahr. In so einer Stadt kennt längst nicht Jeder Jeden, so ein Käse!“ „Sie lachte und guckte mich an: „Bist du überhaupt bei der Sache?“ Als ich eine Woche später wieder ging, machte eine andere die Tür auf und M. kam herbei und sagte sogleich: „Das ist der, der fernsieht!“, wir mussten herzlich lachen. „Und das ist die, die einen knallhart rauswirft, weil die dreissig Minuten vorbei waren, mitten im Vorspiel.“ Seitdem hat sie mir jeweils grosszügig Zeit geschenkt.
Natürlich versuchte ich hart, irgendwie ausserhalb des „Spielfeldes“ mit ihr Kontakt aufzunehmen, aber sie liess mich abblitzen und ich wollte auch nicht aufdringlich werden. Einen Tag später löste ich das Rätsel endgültig und heraus kam ein Name, ein Ort, Zahlen, Fakten. Aber nun ist sie weg. Vielleicht sogar für immer. Wird sie wiederkommen? Ich weiss es nicht. Ich habe ihre Fotos gesehen – wunderschön. Wie kommt eine wie sie auf die Idee, sich im Ausland zu prostituieren. Das gab mir grundsätzlich zu denken und ich fing an mit Freunden darüber zu reflektieren. Ich glaube, ich habe es definitiv gesehen. Hinter mir. Es brennt lediglich der Wunsch, M. noch mal zu sehen. Aber ansonsten ist die ganze Sache, die eigentlich Gefühlskälte ist nicht mein Ding, weil ich viel zu sehr an anderes gewöhnt bin. Ebenso scheinen dreissig Minuten vielleicht der Durchschnitt zu sein, aber in dreissig Minuten bin ich vielleicht gerade warm geworden. Sex unter Zeitdruck ist nicht wirklich entspannend.
Ich will mich hier jetzt nicht moralisch entschuldigen oder Ausreden erfinden. Es ist einerseits völlig normal, ältestes Gewerbe überhaupt und sowieso machen hunderttausende dasselbe. Also who cares? Vielleicht ich. Weil ich dank D. und M. hinter die Kulissen sehe, mich frage, warum Frauen so etwas tun. Meine Schwester meinte, dass eine Frau jegliches Selbstwertgefühl verloren hat, die so etwas tut, und mit dieser Meinung steht sie nicht allein. Ich habe auch Angst um meine Gesundheit, ganz ehrlich. Ich sagte D., dass es mir moralisch wenig Mühe macht, wenn meine Freundin als Nutte arbeitet und ekeln tu ich mich auch nicht. Aber ich hätte einfach schlicht und einfach Angst um ihre Gesundheit und um ihre körperliche Integrität. Obwohl ich für sie da bin, wenn sie etwas braucht, so bin ich inzwischen klarer Gegner von dem, was sie tut.
Zugegebenermassen fühlte ich jeweils irgendwie gut, nach einem solchen Besuch. Wie als hätte ich dadurch an Selbstvertrauen gewonnen. Man(n) steht da irgendwie – nicht irgendwie sondern tatsächlich – nackt da. Da schaut einem eine oder mehrere Frauen zu, wie man sich auszieht. Es ist manchmal wie Striptease. Dann hat man nur noch seinen nackten, blossen, Körper anzubieten, mehr nicht. So nackt wie die anderen die da gelegen haben mögen. Ich fragte mich: „mache ich es richtig“, „bin ich sauber genug“, „hat sie Spass“, etc. Ich glaubte zu wissen, dass ich es schon richtig gemacht habe, und die Feedbacks waren entsprechend. Natürlich müssen die Feedbacks entsprechend gut ausfallen, denn das ist ein Teil des „Berufs“ der Mädels. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es nicht gelogen war, das heisst ich war mir dessen so sicher, dass ich mich so gut fühlte. Ich kann nicht sagen, ich sei der Oberhengst gewesen, gelegentlich erschlaffte ich, hatte Krämpfe, stiess irgendwo an, sagte das Falsche, machte die Stimmung kaputt, kam nicht etc. etc. Aber vielleicht die Tatsache, dass mir diese Dinge keine wirklichen Probleme bereiteten, zeigt mir selber, dass ich mit mir selber mehr im reinen war, als man es von der Situation hätte erwarten müssen. Sex kann Missgeschicke, Problemzonen und Versagen durchaus vertragen, man muss nur wissen, wie man damit umgehen oder wie man es dem Gegenüber am besten kommunizieren soll.
D. Schrieb auf Facebook, dass Hunde manchmal einen besseren Charakter haben als Menschen. Sie muss es wissen. Ich fragte M. einmal: „Verachtet ihr uns, weil wir Freier sind? Kann ein Mann überhaupt für ok betrachtet werden, wenn er „dafür“ bezahlt?“ Sie meinte, dass es auf das Gegenüber drauf an kommt. Es hilft, wenn man nett und freundlich behandelt wird. Dann kann auch vom Working Girl etwas rüberkommen.