Die Streikkultur ist in der Schweiz relativ klein. Hierzulande wird kaum gestreikt, und wenn dann triffts oft nur wenige.
In Frankreich und Italien ist Streik ein Normalfall, den wir hierzulande nicht so ganz nachvollziehen können. Berüchtigt sind die Ansagen in den Bahnhöfen. Jede Woche ist in den Nachbarländern D-F-I irgendwo eine Arbeitsniederlegung, in Österreich hingegen scheint es relativ ruhig zu sein, so die ganz subjektive Sicht meinerseits.
Die Gewerkschaften in den drei Streikländern sind klassisch stark, was vorallem auch ein historisches Problem ist. Die Nazis, Fascisti und Petainisten hatten Linke, Sozialisten und Gewerkschaften verfolgt, weshalb jegliche Kritik an Gewerkschaften oder deren gesetzliche Zurückbindung einen faschistischen Beigeschmack gehabt hätte. Allerdings weiss ich nicht, ob der Tariflohn der globalisierung standhält, ich denke nicht. Die Konkurrenz von Osteuropa ist gross, durch dessen Integration in die EU wird sie noch grösser. Die Zeiten werden mit Sicherheit noch härter. Ich weiss nicht ob man sich in der EU bewusst ist, dass durch die schrankenlose Integration von wesentlich unterentwickelteren Gebieten, in das EU-Wirtschaftssystem, der Lebenstandart der alten Länder sinkt.
Jetzt kann man sagen, dass trotz der EU Milchkühe Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, England etc. sich die dortige Lebenssituation nicht grundsätzlich verschlechtert hat, wenn man die Erfolge in Irland, Portugal, Slowenien, Tschechien, Polen sieht. Gerade in Irland scheint mir der Entwicklungserfolg nachhaltig zu wirken. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass ohne EU, die Iren noch auf dem Level Polens wären, wenn nicht noch weiter hinten. Polen hat historisch eine schwere Last als Pufferstaat zwischen Deutschland und Russland, aber seine Zukunft in einer friedlichen Umgebung ist rosig. Gerade durch die grossen Nachbarn könnte das Land enorm profitieren und hat es auch schon. Deutschland hingegen hat den Aufbau Ost aus eigener Tasche bezahlt. Natürlich hat auch die EU geholfen, aber es ist wohl fair zu sagen, dass das im Vergleich zu deutschen Transfers in die EU Peanuts waren.
Die Transferleistungen Deutschlands nach allen Seiten wirkt schon seit langem, und langsam merkt der Bürger den Druck auf seine Geldbörse. Immer mehr Menschen müssen den Gürtel enger schnallen, die Steuern sind hoch, werden noch höher, während die Einkommen der Mittel- und Unterschichten, inkl. der Renten stagnieren. Viele Ostbürger verdingen sich im Ausland, Deutsche wandern stark in die Schweiz aus, aber auch nach Irland z.B. während das Land immer noch Einwanderungsland ist aus noch strukturschwächeren Gebieten Eurasiens oder Afrika. Bei diesr Zunahme von Immigranten ist klar, dass der Druck auf die Mindestlöhne nach unten nur zunehmen wird. Das ist nicht fremdenfeindlich gemeint, aber wer will was anderes behaupten. Immigration bedeutet immer Druck auf eh schon niedrige Löhne. So verdienen Ostdeutsche weniger ausserhalb Deutschlands, weniger als Leute anderer EU-Länder, aber haben dafür arbeit. Das bedeutet, dass sie wiederum andern die Arbeit wegnehmen. Auch in der Schweiz ist dies zu spüren, ich habe es selber wahrgenommen. Die Öffentlichkeit nimmt dann aus den Boulevardblättern wahr, dass Schumi am Genfersee sein Haus von billigarbeitern aus der Ex-DDR bauen lässt. Vom ganzen Druck aus Asien habe ich noch gar nicht gesprochen.
Mir ist klar, dass in Deutschland das Leben nur härter wird. Jede Forderung nach mehr Lohn kann ich nachvollziehen. Allerdings empfinde ich Streiks kontraproduktiv, wenn sie nicht mehrere Berufe gleichzeitig betreffen oder es ein Generalstreik ist. Ja, genau, warum machen die Deutschen keinen Generalstreik gegen die Steuerlast? Die Streiks zeigen doch nur auf, dass der Staat selber kein besserer Arbeitgeber ist als die Privatwirtschaft! Aber ein guter Steuernehmer ist er, das kann nicht gut gehen. Leider legen diverse Streiks mehr lahm als gut ist, was wiederum auf viele unschuldige Schultern verteilt wird. Ich bin nicht gegen Gewerkschaften, aber Streiks sollten nur das äusserste Mittel sein. Ansonsten gibt es eine Abhärtung der Leute gegenüber Arbeitsniederlegung und noch mehr gegen die Forderung der Streikenden. Ich glaube zu wissen, dass europaweit die Gewerkschaften am bröckeln sind, was nicht unbedingt gut sein muss. Was passiert, wenn die Gewerkschaften wirklich schwach sind, kann man in den USA sehen, aber auch in Russland und China.
Das interessante ist, dass die Menschen in Nordamerika immer schon ausgebeutet wurden. Das liegt in der liberalen Verfassung des Landes, welche auf calvinistisch, puritanischen Geisteshaltungen basiert. Das heisst: Arbeiten, arbeiten, arbeiten, Geld anhäufen und beten. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Die ganze schlechte Ernährung in Amerika ist ebenfalls historisch, es war immer so. "Alle sind arm, alle essen die ganze Zeit Speck.", schrieb ein deutscher Emigrant nach hause. Dass es immer nur ganz wenige schaffen, aber dafür mehr als reich werden, ist USA typisch. Die 50er Jahre goldener Zeit, mit heilem Familienbild ist nur eine kurze Phase in der Geschichte Amerikas, ansonsten war es nie so einfach. Der Witz ist, dass viele Idealvorstellungen des Staates immer noch in diese Richtungen gehen, obwohl das nur eine Phase war.
Russland funktioniert anders. Hier herrschte schon immer die Ausbeutung von ganz oben, anders als in den Staaten, auch politisch, was den Hauptunterschied von Amerika und Russland macht. In Moskau oder Leningrad/St.Petersburg war schon immer der Führerkult en Vogue. Bis 1918 war es der Zar, später Lenin und Stalin. Heute ist es Putin. Klassischerweise, leidet der Russe unter der Unterdrückung, muckt aber nicht auf. Als Häppchen gibt es Religion oder Fernsehen (in Russland sollen die Fernseher partout laufen, sagt man). Zudem befindet sich dieses grosse Land permanent im Kriegszustand, mit irgendeinem Nachbarstaat. Russland ist wie die USA und China Hegemonialmacht und weiss dies auch auszunutzen. Rein theoretisch hätte die Sowjetunion als kommunistisch regierter Staat für Ausgleich unter den Bürgern sorgen sollen, aber mehr als Heloten, welche für eine kleine Gruppe Parteiführern zu gefallen hatten wurde daraus nicht. Hinter dem Deckmäntelchen des Kommunismus geschah schlussendlich nichts was den Menschen auch wirklich geholfen hätte, alles war Doktrin, jeder Mensch hatte zu nützen. Die Generalstreiks wurden entweder militärisch niedergeschlagen oder als man deren nicht mehr Herr wurde, musste man das System verändern. In Polen hat das sogar funktioniert, und Lech Walesa ist ein noch lebendes Beispiel wie ein Generalstreik tatsächlich Resultate bringen kann.
China hat bis Sun Yat Sen (Ende der Kaiserdynastien in China), eine ähnliche Vergangenheit wie Russland, wenn es um die Unterdrückung des eigenen Volkes durch eine kleine Aristokratie geht. Im Gegensatz steht nur die Tatsache, dass China viel fruchtbarer ist als sein Nachbar, weshalb die chinesische Armut möglicherweise immer etwas erträglicher war, zusammen mit grundsätzlich milderem Wetter.
Jetzt fällt mir noch der Zusammenhang von (aristokratischer) Unterdrückung und Religion ein. In Europa und Russland herrschte das Feudalsystem bis ins 19. und 20. Jh. Frankreich hatte seine Revolution, blieb aber eine Insel zusammen mit der Schweiz. Die Hauptreligion war dabei das Christentum, welche für die Führungschicht hilfreich war: den Ausblick auf ein ewiges Leben im Paradies, nach dem Tod und Unterwürfigkeit unter die Obrigkeit: "gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." und Gewaltverzicht. Zwar hat es durchaus biblische Vorbilder gegeben, welche der Tyrannis hätte Gegengewicht geben können. Das haben auch Marx und Engels gesehen, weshalb sie Religion als Opium gesehen haben. In China und Japan hatte man die konfuzianische Philosophie welche den selben Effekt hatte: nämlich Hörigkeit und Hingebung in seine Rolle. In Indien hatte man hierfür das Kastensystem, während in es der Antike noch das Gottkaisertum gab. Heute sind die Herrscher keine Götter mehr, heute herrscht einerseits das Geld und andererseits die Demagogie.
Was in China herrscht ist nicht ganz so klar, zwar gibt es die KP, aber die lässt ja Manchesterkapitalismus pur zu. Sie ist nur dazu da, ein System der absoluten Ausbeutung zu bewahren. Dennoch ist die Zukunft keineswegs vorgeschrieben und gesichert. China könnte durchaus mit Überraschungen aufwarten, auch mit bösen, aber auch mit guten.
In Russland und China gibt es keine Streiks weil diese Länder autoritär regiert werden. In den USA gibt es keine, weil die Gewerkschaften kein Gewicht haben, was Verfassungsbedingt ist. Am meisten Probleme mit Streiks haben derzeit Demokratien, oder kann man sagen, dass die Streiks Elemente echter Demokratie sind? Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich froh bin, wenn hierzulande möglichst wenig gestreikt wird. Der Streik der SBB Cargo ist eine Ausnahme, es geht um sein oder nichtsein, ob ich ihn gut finde ist etwas anderes, ich sage nur, dass die Arbeitsniederlegung aus Sicht der Betroffenen nachvollziehen kann.
"You see things; and you say why? But I dream things that never were; and I say why not."
G.B.Shaw