Auch wenn Anna sagt, solche Textwüsten liest niemand... das muss mal raus:
Vor einigen Woche hat mich ein Freund gefragt, ob ich mir eigentlich auch Sorgen machen würde. Er selber würde sich seit einiger Zeit so viele Gedanken machen und Angst haben, wie und in was für einer Umgebung unsere Kinder aufwachsen würden und er um deren Sicherheit doch sehr besorgt sei.
Nein, antwortete ich, aus dem tiefsten Bauchgefühl heraus. Ich hätte keine Angst.
Wenn ich heute, mit dem Hintergrund der jüngsten Geschehnisse in England und den letzten Ereignissen in meiner Heimatstadt Hamburg, Deutschland, Europa und den USA noch einmal darüber Nachdenke, muss ich gestehen: Ja, ich mache mir auch Sorgen.
Es sind vor allem zwei Entwicklungen, die mir Sorgen machen.
Zum Einen nimmt der Pessimismus in der persönlichen Sicht vieler Menschen immer weiter zu. Es werden nicht mehr Chancen und Möglichkeiten gesehen, sondern Risiken und Probleme. Man ist grundsätzlich erstmal dagegen.
In Hamburg ist man gegen Olympia. In England ist man gegen die EU. Und in Europa ist man gegen Flüchtlinge.
Letztes Jahr haben wir in Hamburg über die Bewerbung zu den Olympischen Sommerspielen abgestimmt. Entgegen aller Prognosen und entgegen meiner tiefsten Überzeugung hat die Bevölkerung dagegen gestimmt. Wo ich die Chance sehe, Hamburg auf der internationalen Karte zu verankern, als weltoffene Stadt, wo ich die Möglichkeiten sehe den Tourismus und die Wirtschaft nachhaltig zu fördern und wo ich einen Weg sehe mit dem Sport, einer der mächtigsten völkerverbindenden Beschäftigung, einen Beitrag zu schaffen, die Welt ein kleines wenig enger zusammenrücken zu lassen, halten Andere, und das anscheinend viele Andere ihr Dagegen-Schild hoch. Dagegen, weil zu teuer, weil das doch eh alles nur Kommerz ist, weil doch eh nur wenige davon profitieren. Dagegen, weil die Stadt dann völlig überfüllt ist, die Bahnen voll sind. Dagegen, weil das viel zu riskant ist mit Anschlägen.
Es lebe der Pessimismus!
In Großbritannien wurde nun über den Verbleib in der EU abgestimmt. Auch hier hat das Lager der Pessismisten in den vergangenen Wochen soviel Zulauf bekommen, dass die Volksabstimmung jetzt tatsächlich für einen Austritt aus der Europäischen Union entschieden hat. Wo die Gründer der EU den Traum für ein geeintes friedvolles Europa, mit wirtschaftlichen Vorteilen für alle Mitglieder hatten, haben sich nun die Ängste und Befürchtungen durchgesetzt und wir befinden uns auf dem ersten von unter Umständen vielen Schritten zurück. Zurück zur Nationalstaatlichkeit. Jeder für sich und ich vor allen anderen!
Am stärksten sieht man das Thema Dagegen jedoch beim aktuellen Flüchtlingsproblem.
Obwohl ich beileibe kein CDU-Wähler bin, habe ich unsere Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik ein kleines bisschen bewundert. Gegen die herrschende Meinung Ihrer Partei hat Merkel eine Flüchtlingspolitik entwickelt, die man nur als menschlich und vernünftig bezeichnen kann.
Als Merkel im August letzten Jahres sagte „Wir schaffen das!“ habe ich gedacht: Natürlich schaffen wir das. Wir leben in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt. Wenn wir das nicht schaffen, wer dann? Und warum schaffen es dann die anderen Länder, die weit ärmer sind und ganz andere Probleme haben?
Als Merkel dann im September Ihren Kritikern entgegnete "Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.", konnte ich Ihr nur vollen Herzens zustimmen.
Und doch, der Bevölkerungsanteil der sein Dagegen-Schild fleißig in die Luft hält, wird immer größer!
Auf einmal werden Menschen, die Ihre Freizeit und Energie opfern um anderen zu helfen als Gutmenschen beschimpft. Das Wort Gutmensch bezeichnet für mich einen Menschen, der Gutes tut. Ich frage mich, was denn hier falsch läuft, wenn man ein Wort so ins Gegenteil verkehren kann, das daraus ein Schimpfwort wird und gesellschaftlich auch noch so angenommen wird.
Und dann rotten sich immer mehr und mehr Menschen zusammen, um gegen die Islamisierung des Abendlandes zu protestieren. Patriotische Europäer die unsere christlichen Werte verteidigen wollen.
Schaut man sich einmal an, wo diese Veranstaltungen vor allem stattfinden und wer dort mitläuft, dann wage ich die Behauptung aufzustellen, dass ein Großteil dieser Verteidiger unseres christlichen Abendlandes gar nicht Mitglied einer christlichen Kirche sind. Und von den wenigen verbleibenden Kirchenmitgliedern, nur ein geringer Bruchteil überhaupt einmal in den Gottesdienst geht.
Wenn Einem die Kirche also so egal ist, das man nicht in den Gottesdienst geht und nichtmal Mitglied der Kirche ist, wer gibt einem dann das Recht, das christliche Abendland gegen die Islamisierung zu verteidigen?
Und wäre einer dieser patriotischen Europäer mal in die Kirche gegangen und hätte der Predigt zugehört, so wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass unsere Kirchen eine dezent abweichende Meinung zu dem Thema haben.
Das Thema Flüchtlinge führt mich aber noch zum zweiten Punkt, über den ich mir ernsthaft Sorgen mache.
Im Gegensatz zum mir Sorgen bereitenden Pessimismus, ist der zweite Punkt nämlich wirklich gefährlich.
Wie zum Teufel können so viele Menschen im Geschichtsunterricht nicht richtig aufgepasst haben, dass das Thema Nationalstaatlichkeit und nationales Gedankengut wieder so in den Vordergrund rücken kann.
Wenn vor einigen Jahren in einem deutschen Bundesland eine rechte Partei in den Landtag ziehen konnte, habe ich mich vielleicht fremdgeschämt. Aber ich habe mir keine Sorgen gemacht.
Wenn ich aber jetzt sehe, dass rechtes Gedankengut wieder salonfähig wird, wie nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa nationalkonservative bis offen rechte Parteien immer mehr erstarken, wenn ich sehe, dass diese nun offen auftreten und die Bevölkerung diesen Menschen nun auch noch zujubelt - ja, dann fange ich an, mir Sorgen zu machen.
Wenn ich sehe, das in den USA ein Präsidentschaftskandidat gewählt wird, der offen gegen Ausländer wütet - ja, dann fange ich, an mir Sorgen zu machen.
Und wenn ich lese, das sich in Deutschland inzwischen 10 Prozent wieder einen starken Führer wünschen - ja, dann fange ich an, mir wirklich Sorgen zu machen.
Information, da bin ich der festen Überzeugung, ist eines der wertvollsten Güter die es gibt.
Und nur mit ausreichend Informationen, so habe ich gelernt, kann man vernünftige Entscheidungen treffen.
Wenn man bedenkt das wir in einer Zeit leben, in der es noch nie so einfach wie jetzt ist Informationen zu erhalten - warum treffen dann so viele Menschen Entscheidungen, die ein normaler vernunftbegabter Mensch eigentlich niemals treffen kann.
Wenn mich mein Freund heute noch einmal fragen würde, ob ich mir Sorgen machen würde, so würde ich ihm antworten: Ja, ich mache mir Sorgen.
Tun wir also alles dafür, dass diese Sorgen grundlos sind und schaffen wir für unsere Kinder eine Welt, in der sie möglichst sorgenfrei aufwachsen können.
Ein erster kleiner Schritt ist es vielleicht, nicht mehr nur noch kopfschüttelnd da zu sitzen, sondern offen seine Meinung zu sagen und zu versuchen, die Welt und Umwelt durch das eigene Handeln so zu beeinflussen und gestalten, dass die Sorgen ein bisschen weniger werden.