…der lunarische Orden...
Es war die Zeit nach ihrer Geburt, die Vanicia im fast vergessenen Tempel des lunarischen Ordens, verborgen in den wunderschönen, tiefen grünen Wäldern, verbracht hatte.
Dort hatte sie ihre Kindheit größtenteils verbracht. Wohlbehütet war sie dort herangewachsen. Die Priesterinnen des Ordens hatten sie in den verschiedensten Fächern unterrichtet.
Es hatte sich schnell herausgestellt, dass Vanicia für ihr Leben gern tanzte und sich sehr für Architektur interessierte. Auch las sie gern Bücher, wenn es ihre Zeit zuließ. Und die war knapp bemessen. Sie stöberte gern in der großen Bibliothek, die in einem der großen Räume untergebracht war. Viele alte, vergilbte und fast zerfallene Bücher beherbergte der Ort. Ein wahres Vermögen, da viele davon anderswo nicht mehr existierten. Wenn sie verschwunden war, wurde sie oft in der Bibliothek gefunden, vertieft in ein Buch.
Die oberste Priesterin des lunarischen Ordens hatte Vanicia wie eine Tochter aufgezogen. Schnell hatte Vanicia alles gelernt, was ihr von den Priesterinnen beigebracht werden konnte, dazu zählten auch rituelle Tänze.
Sie wusste, dass die Zeit des Abschieds nahte. Sie konnte hier nichts mehr dazu lernen, hatte aber eine innere "Unruhe" und den Ehrgeiz mehr in ihrem Leben zu erreichen und auf eigenen Beinen zu bestehen.
Sie besaß nicht viel, doch sie wusste sie konnte es schaffen. Ihre bisherige Tanzausbildung würde ihr helfen zu überleben und ihre Studien über das Architekturwissen abzuschließen.
Die oberste Priesterin schaute sie an. Eine kleine Träne funkelte fast unbemerkt in ihren Augen. Vanicia sah sie, ließ es sich jedoch nicht anmerken, dass sie die Träne erblickt hatte. Die Priesterin schaute ihr tief in die mondgelben Augen. Ja, sie war eindeutig das Kind aus der Prophezeiung. Ihre Freundin, die Mutter von Vanicia, hatte richtig gehandelt, als sie entschieden hatte, dass das Kind im lunarischen Orden aufwachsen sollte – fernab von der möglichen Gefahr durch die Prophezeiung.
Aus Vanicia’s Augen sprach das Verlangen nach mehr. Die Priesterin wusste, dass sie die kleine gehen lassen musste, ihr war ein anderer Weg bestimmt. Sie hatte nur nicht geahnt, dass der Tag so schnell kommen würde und ihr der Gedanke an eine Trennung so schwer fallen würde. Ihr war als wäre sie erst gestern in ihrem Orden geboren worden. Die Zeit verging einfach zu schnell.
Sie zog ihre Hand aus der Tasche. Vanicia schaute auf. In der Hand der obersten Priesterin glitzerte etwas. Ein kleiner Anhänger an einer Kette.
Die Priesterin legte Vanicia die Kette mit dem Anhänger um den Hals.
Bei genauerer Betrachtung bemerkte Vanicia, dass der Anhänger mit Runen einer ihr unbekannten Art verziert war.
„Dieser Anhänger birgt deine wahre Identität, meine Tochter, suche sie nicht, sie wird dich zu gegebener Zeit finden. Mehr kann ich dir nicht sagen, denn es würde dich zu dieser Zeit vielleicht noch gefährden“, die Worte der Priesterin hallten in Vanicias Kopf wieder. Sie hatte der Priesterin in die Augen geschaut und genickt. Sie würde nicht um jeden Preis danach suchen. Auch wenn sie gern Antworten gehabt hätte. Die oberste Priesterin hatte ihr gesagt, dass sie ihre Identität finden würde, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen war und sie glaubte ihr.
Sie hatte ihre geringes Habe in einem Rucksack verstaut und trat ein letztes Mal vor die oberste Priesterin. Der Abschied war gekommen. Die anderen Priesterinnen und die, die es noch werden würden, sobald sie die letzten Prüfungen abgelegt hatten, waren in der großen Halle versammelt. Alle waren da.
Vanicias Blick schweifte über die ihr so vertrauten Gesichter. Sie würde sie alle sehr vermissen, doch sie wusste, dass ihr etwas anderes bestimmt war, als weiterhin in dem Orden zu verweilen.
Sie kniete vor der obersten Priesterin nieder und neigte den Kopf.
„Meine Tochter, ich weiß, dass du gehen musst. Ich habe noch etwas, was dich auf deinem Weg begleiten soll“, die Priesterin deutete Vanicia aufzustehen und zu ihr zu kommen, was sie auch tat.
Die Priesterin reichte ihr ein kleines eingewickeltes Päckchen, allem Anschein nach handelte es sich um Bücher. Vanicia schaute sie verwirrt an, ihre Augen spiegelten ihre Gefühle deutlich wieder. „Es ist ein Geschenk von uns allen hier und soll dich stets an uns erinnern!“ Vanicia schluckte. Sie hatte Tränen in den Augen. So ein kostbares Geschenk. „Ich werde es in Ehren aufbewahren und euch niemals vergessen“, murmelte sie mit fast erstickter Stimme, so gerührt war sie. Sie verabschiedete sich von jeder einzelnen persönlich. Es fiel ihr schwer, doch es war richtig. Das sagte ihr ihr Herz.
Als sie langsam aus der Halle schritt, durchströmten sie seltsame Gefühle. Sie verließ den Ort ihrer frühsten Kindheit – vielleicht für immer. Wer wusste das schon. Vielleicht würde sie eines Tages hierher zurückkehren, vielleicht auch nicht. Sie drehte sich noch einmal um und betrachtete das Gebäude. Es war ihr so vertraut. Sie wusste, dass nichts mehr so sein würde wie bisher, wenn sie erstmal gegangen war. Doch sie war auch gespannt auf das Neue, das kommen würde. Sie atmete die frische Waldluft ein letztes Mal bewusst ein, dann stieg sie auf das Speederbike, das sie zum Starport bringen würde… sie würde diesen Planeten verlassen… vielleicht für immer...