Tut mir leid, wenn ich euch hier nun mit einem ernsten Thema belästige, aber ich muss mir einfach ein paar Dinge von der Leber schreiben. Beim Surfen eben bin ich auf verschiedene Foren gestoßen, die sich mit dem Thema beschäftigen und die beängstigend gut besucht und genutzt werden. Aber ich kenn die Leute nicht und möchte sie daher nicht mit meinen Problemen belasten, bzw. kann ich mich niemand fremdem anvertrauen.
Einzelnen hab ich schon mein Herz ausgeschüttet und dass ihr für mich Zeit habt, dafür bin ich euch aus tiefstem Herzen dankbar.
Nun aber mal auf den Punkt; es geht nicht um mich, keine Sorge.
Vor zwei Tagen habe ich den Anruf eines Kommilitonen erhalten und mich tierisch gefreut, für einen kurzen Moment. Denn er hatte sich die schwere Aufgabe auferlegt, uns, dem ganzen Kurs mitzuteilen, dass einer unserer Mitstudenten Anfang bis Mitte September das Leben verloren hat. Zu diesem Zeitpunkt wußte noch niemand von uns etwas näheres, denn die einzige Information war eine E-Mail seiner Schwester, die auf Terminanfragen einer Kommilitonin reagiert hatte.
Ich persönlich war zu tiefst geschockt.
Denn Tobi, so sein Name, war für uns im Kurs eine Art Fels in der Brandung. Jemand, den nichts aus der Ruhe bringen konnte und der uns ein Beispiel dafür war, nicht den Kopf zu verlieren und in panik auszubrechen. Er war stets gut gelaunt und freundlich zu uns allen, bot seine Hilfe an, wo es nur ging und lies dabei keine Gelegenheit aus, mit anderen zu feiern.
Gearbeitet hat er, wie alle bei uns im Kurs Pfelgemanagemnt, nach seiner Krankenpflegerausbildung in einer geschlossenen Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Und auch wenn ich ihn dort nie erlebt habe, bin ich sicher, er hat seinen Dienst dort nicht nur aus Pflicht getan. Im Studium haben wir immer wieder über unsere Jobs und Erfahrungen gesprochen und ich habe ihn kein einziges Mal abwertend oder abschätzig über seine Arbeit reden hören.
Ein paar Leute unseres Kurses sind seit gestern schon zusammen an der FH um die Einführungstage fürs erste Semester abzuhalten und sie haben sich entschlossen, trotz der Abwehr der Familie nachzufragen. Und so habe ich gestern Abend eine Nachricht erhalten, Tobi hat sich selbst und willentlich das Leben genommen.
Um ehrlich zu sein, irgendwie schwang mir dies schon ein wenig im Hinterkopf mit. Warum sollte seine Schwester sagen, ihr Bruder wäre irgendwann zwischen dem 5.9. und dem 15.9. gestorben? Warum durften wir als seine Mitstudenten, die wir zu großen Teilen schon eine kleine Freundschaft aufgebaut hatten, nichts davon wissen und nicht zur Beerdigung kommen?
Aber mir kommen da auch ganz andere Fragen auf. Er war auch ruhig und etwas schüchtern, hat das zu tun mit der Aussage seiner Schwester "er habe sich in Gesellschaft sehr wohl gefühlt, aber alleine offenbar garnicht"? Hätten wir als seine Kommilitonen irgend etwas merken müssen, oder nur die Menschen in seinem direkten Umfeld? Bin ich ein egoistischer Mensch, weil ich es die gesamten Semesterferien über nicht für nötig befunden habe, mich auch nur bei einem meiner Mitstudenten zu melden? Einfach mal durchklingeln und fragen, wie es so geht, das wäre wohl nicht zuviel verlangt gewesen.
Ja, ich weiß, ich habe keine Schuld an seinem Tod und ich hätte ihn nicht verhindern können. Ein Mensch von 28 Jahren mit seiner Ruhe, Gelassenheit und Erfahrung nimmt sich doch nicht einfach so das Leben. Aber ich trauere um den Menschen, den ich gerne besser kennengelernt hätte in der Lerngruppe, die wir nun dieses Semester hätten machen wollen.
So, das war´s erst einmal.
Flo