Panisch stoben die Krähen auf dem Turm der Kaserne auseinander als eine grelle Lichtreflexion in ihre Augen stach und nicht einmal einen Wimpernschlag später ein lautes metallisches Klirren über den Platz tief unten hallte und sich mit vielfachem Echo an den Wänden der umstehenden Gebäude brach. Einzelne schwarze Federn wirbelten noch über die Schindeln des Daches, während sich die Plagegeister laut protestierend hinauf in den strahlend blauen Himmel schraubten. Ihre Schatten tanzten unruhig weit unter ihnen über den Erdboden und die zahlreichen Menschen, welche sich dort in einem großen Kreis versammelt hatten.
Die Gesichter der Menschen waren fast durchwegs gerötet, von Schweissperlen bedeckt und in Grimassen verzerrt durch die lauten Schreie und Warnrufe, mit denen sie zwei weitere Kämpen in ihrer Mitte anfeuerten. Die Sonne spiegelte sich auf ihren polierten Rüstungen und den blank gezogenen Schwertern, die sie über die Köpfe erhoben hatten und begeistert schwenkten. Immer wieder tanzten weitere Lichtreflexe über ihre Gesichter und die Mauern der Bauten hinter ihnen, zurückgeworfen von den Klingen der beiden, die sich in der Runde umkreisten.
Gepanzerte schwarze Stiefel stemmten sich für einen Augenblick in den weichen Boden, suchten nach Halt. Die Muskeln unter den dunklen Beinen spannten sich, schimmerten schweissbedeckt. Einen Wimpernschlag darauf schnellte die Kriegerin vor, zog ihre Klinge von oben herab auf ihren Gegner. Mit lautem Klirren schlug Stahl auf Stahl als der Verteidiger von einem wahren Hagel an Schlägen eingedeckt wurde. So lange der Kampf ausgeglichen geführt wurde, so müde waren nun seine Arme und dies wurde mit jeder geführten Parade deutlicher. Allmählich machte sich ein verzweifelter Ausdruck in seinen Augen breit, die den wirbelnen Klingen kaum noch folgen konnten. Mit einem Aufschrei von letztem Aufbäumen warf er sich der Angreiferin entgegen und packte ihre Schwerthand fest mit seiner, versuchte die Klingen ineinander zu verhaken. Für einen Moment hielten die beiden Kontrahenten inne, maßen sich mit Blicken. Doch die bernsteinfarbenen Augen auf der einen Seite zeigten keine Spur der Panik, die auf der anderen vorherrschten. Ein schmales Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, da riss sie das Bein hoch und trat ihm mit gepanzertem Stiefel in den Unterleib. Die Umklammerung war sofort beendet und der Getroffene wurde zum einen Schritt zurückgeworfen, taumelte noch kurz und viel dann ins niedergetrampelte Gras. Ehe er überhaupt wieder die Augen öffenen konnte, war sie mit einem energischen Satz über ihn, die Spitze ihrer geschwärzten Klinge auf seine Kehle gerichtet.
Mit genug Schwung, um ihren Mantel über dem geschlagenen Gegner aufzubauschen wirbelte Inepha herum , drehte sich dann langsamer im Kreis und lies den Blick unter ihren pechschwarzen Haaren, die zu Teilen auf ihrer Stirn klebten, über die Umstehenden gleiten.
"Dies..", wies sie mit der Klinge auf den am Boden liegenden.
"...war tapfer gekämpft. Nach allen Regeln der Kunst, wie Ihr sie in den Schulen des Reiches erlerntet, gefochten. Und doch hat es nicht ausgereicht. Warum?"
Wieder drehte sie sich langsam im Kreis herum, die Klinge noch immer blank gezogen.
"Warum?!", wiederholte sie viel lauter und mit dem Hauch eines wütenden Untertons. Die Gesichter der Zuschauer waren längst zu ernsten Masken geworden und nun wurden die Blicke entweder suchend zu den Kameraden, oder aber hilflos auf die eigenen Stiefelspitzen gerichtet.
"Weil ich nicht nach diesen Regeln gekämpft habe! Warum auch? Eure Feinde werden es nicht tun. Eure Feinde werden Euch anspringen mit Klingen, Klauen und Zähnen. Sie werden Euch nach dem Leben trachten und sich einen verfluchten Dreck darum scheren, wie elegant dies in den Augen eines Fechlehrers scheinen mag!"
Langsam schien sich ihre Wut wieder zu legen, während sie sich einmal mehr herumdrehte und dabei ihr Schwert langsam in die Scheide an ihrer Seite schob.
"Wir kämpfen hier zusammen mit Barbaren aus dem Norden, wie wir sie gerne heißen, und doch können wir von ihnen lernen. Wir können und wir werden von ihnen lernen, wie man mit allen Mitteln sein Ziel erreicht, wie man sich wieder frei macht von den elitären Zwängen, die uns unsere Kultur vorgegeben hat - dann, wenn sie uns das Leben kosten können. Erinnert Euch der Schlacht um Venarium! Die aquilonischen, bestens ausgerüsteten Soldaten wurden von den halbnackten Cimmeriern überrannt und zerfleischt. Wir müssen nicht wie Tiere werden, aber wir müssen sie verstehen und wir müssen auf sie reagieren können. Also empört Euch nicht wegen eines Trittes ins Gemächt - rechnet damit und präpariert Euch!"
Einige der umstehenden Männer murrten leise, doch verebbte dieser Protest schnell wieder unter den Blickn der so ungewöhnlichen Augen. Langsam begannen sie zu nicken und zustimmend zu murmeln.
Inepha nickte.
"Gut, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung... da paßt sogar ein aquilonisches Sprichwort. Lucian und Ramius, Ihr beginnt. Eins gegen Eins bis zur Aufgabe, kein Blut. Dann der Reihe nach weiter."
Mit dem spitzen, von einer Narbe gezierten Kinn, wies sie auf die beiden genannten, strich sich das Haar aus dem Gesicht und wandt sich ab.
Vor ihr teilten sich die Reihen der Gardisten und sie machte sich auf den Weg hinüber zum Lagerhaus des kleinen Handelsposten mitten im Herzen von Poitain.