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Mimei

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Registrierungsdatum: 31. March 2004

Spiel: TESO

Charakter: Mimei BeRith

Wohnort: Oberbayern

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1

Sunday, 28. September 2008, 15:18

Herzblut

Epilog

Einer unter Unzähligen, herum gewirbelt im Spiel der unvorstellbaren Mächte, führt er seinen eigenen Kampf um das Dasein aus. Doch die Verhältnisse wenden sich langsam aber entscheidend zu seinen Ungunsten, so tut er es den Vielen vor ihm gleich und macht sich auf eine lange und beschwerliche Reise mit ungewissem Ziel. Abgesehen von seinem Traum, doch dieser liegt noch weit jenseits der Reise in der Ungewissheit verborgen.
Der Weg ist für ihn, und für alle anderen, deren Spuren er immer wieder kreuzt, mühsam und einsam. Sie alle zusammen und doch jeder für sich, werden von den immer währenden Kräften bedrängt, durcheinander gewirbelt und aneinander geschlagen. So mancher verliert schon jetzt den Kampf, gibt auf und taumelt nur noch dahin wie tot. Nicht aber der Eine, er kann schon bald ein Ziel weit unter sich erahnen, noch immer halb verborgen in den Schatten der Giganten.
Weit ab von seinem einstigen Zuhause ist ein großer grauer Fleck auszumachen, inmitten einer unendlich scheinenden grünen Ebene. Schon bald schlagen ihm schwarze Rauchsäulen entgegen, verpesten seine strahlende Rüstung, rauben ihm den Blick. Immer schneller wächst das neue Grau vor ihm, immer schneller rast er ihm entgegen, kämpft sich durch die undurchdringlich zähe Wand.
Dann ist er endlich hindurch, für einen kurzen Moment spürt er die kalte Luft um sich und schon ist er angelangt. Er zerplatzt auf dem schwarzen Schiefer einer Dachschindel. Neben ihm erleiden unzählige seiner Artgenossen das selbe Schicksal, doch sie alle finden sich langsam wieder zusammen und formieren sich neu zu einem Rinnsal, bahnen sich einen Weg über den grob behauenen Schiefer. Dessen kantige Risse und Grate lassen eine Vorhersage über ihren genauen Weg zu einem Glücksspiel werden. Doch darüber macht sich der Eine unter den Seinen längst keine Gedanken mehr, so er es denn jemals tat. Wie schon seine bisherige Reise, so zieht es ihn auch jetzt wieder hinab und er nimmt es mit stoischer Gelassenheit hin. Hinab zum Boden und irgendwann einmal seinem Traum entgegen.
Seinem Traum, dem Meer.
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Mimei

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2

Wednesday, 8. October 2008, 18:29

Ein Schlag, ein Tropfen

"Wasser!"
Eine ruhige, aber drängende Stimme.
"Nein..."
Nur ein schwaches Flüstern.
"Aber du musst doch etwas trinken, ein kleines Bisschen!"
Langsam schieben sich schlanke Finger unter das Haar und heben trotz der rauen Schwielen an den Fingern zärtlich den Kopf an. Die Haarsträhnen waren früher einmal blond gewesen, doch nun sind sie dunkel vom Fett und dem kalten Schweiß, der sie auf den Schädel klebt. Der Geruch des Schweißes wird schon längst in den Hintergrund gedrängt und von anderen überlagert, dem Eiter der nicht aus der langsam schwärenden Wunde weichen will und der Hoffnungslosigkeit, welche aus allen Poren an die Oberfläche drängt, um sich wie Bodennebel im gesamten Raum auszubreiten.
An die trockenen, aufgesprungenen Lippen wird vorsichtig ein Tonbecher gesetzt, um das Trinken zu ermöglichen. Ein paar zögerliche Schlucke kommen zu Stande, doch viel zu schnell folgt ihnen ein Hustenanfall, welcher wieder von einem Großteil des Wassers begleitet wird. Mögen die zahllosen kleinen Fältchen um Mund und Augen früher einmal heiteres Lachen begleitet haben, heute graben sie sich leidvoll tief in das blasse Gesicht. Langsam öffnen sich die trüben Augen wieder, einst waren sie grün wie die Weiden vor Tesso, viel zu tief und beschattet liegen sie nun jedoch unter geschwungenen Brauen.

"Danke..."
Wieder nur ein Flüstern, diesmal begleitet vom fernen Hauch eines Lächelns.
"Du musst doch trinken, Mutter. Auch wenn es dir so schwer fällt."
Die schwieligen Finger gleiten unter dem Kopf hervor, betten ihn auf das raue Kissen, streichen über den Kopf und eine Strähne zurück, legen sich auf die Stirn um die Temperatur zu fühlen. Kalter Schweiß über glühender Haut, wie so viele Male zuvor.
"Dann versuch etwas zu ruhen, bis Alma wieder kommt um nach dir zu sehen."
Sanft streicht die Hand weiter über Stirn und Wangen. Die Augen unter den Fingern flattern kurz, werden dann aber weit aufgerissen. Für einen Moment huscht der Blick ziellos, fast schon panisch, umher, findet dann ein Ziel und klärt sich.
"Nein! Inepha, du weißt doch... ich kann nicht mehr schlafen."
Die Augen, welche den Blick erwidern, werden niedergeschlagen. Ein leichtes Kopfnicken und pechschwarze Haare fallen nach noch davor wie ein Schleier.
"Ja, ich weiß, Mutter..."
Ein leises Pochen lässt die wachende Frau zur Tür herum fahren und sich sogleich erheben. Ihr erster Schritt lässt sie kurz wanken ob des langen Kniens, dann ist sie schnell heran und rückt mit kräftigen Händen zur Seite, was vorher einmal eine Haustüre war. Schwere Eichenbretter, teilweise verkohlt und mit Seilen notdürftig zusammen gebunden.
"Alma, ich danke dir für dein Kommen!"
Sie breitet die Arme mit den Handflächen nach oben aus und umarmt die weißhaarige Frau, welche in einem grünen Leinenkleid vor ihr steht, vor dem niedergehenden Regen nur geschützt durch einen ledernen Überwurf um Kopf und Schultern.
"Nicht doch, mein Kind", erwidert sie die Umarmung, haucht ihr zur Begrüßung einen Kuss auf jede Wange und überlässt ihr den Weidenkorb, den sie über dem Arm herangetragen hatte. Inepha verschließt den Eingang wieder mit der Konstruktion und wendet sich der kargen Feuerstelle im offenen Kamin am Ende des kleinen Raumes zu. Mit einem trockenen Scheit, einem langen Schürhaken und geübten Fingern hat sie die Glut schnell wieder entfacht und schiebt sogleich den Bronzetopf am drehbaren Haken über die Flammen. Währenddessen zieht sich Alma nacheinander die beiden Stühle vom Tisch heran und setzt sich ans Kopfende des Bettes.

"Ich grüße dich, meine liebe Imara."
Und sie beugt sich über die liegende Frau, um auch sie mit einem Kuss auf jede Wange zu begrüßen. Derweil werden drüben am Feuer Kräuter aus dem Korb hervorgeholt und ins allmählich aufkochende Wasser geworfen. Dann trägt Inepha den Weidenkorb heran, stellt ihn auf dem zweiten Stuhl ab und wendet sich wieder ihrer Aufgabe zu.
"Alma...", flüstert die Liegende. Wieder huscht der Schatten eines Lächelns über ihr Gesicht und sich versucht sich sogar auf die Ellbogen aufzustützen. Doch die alte Frau unterbindet dies sofort mit einem sanften aber bestimmenden Druck auf ihre Schulter.
"Aber nicht doch, meine Kleine. Du weißt doch, weshalb ich hier bin - nicht, um mit dir zu tanzen - noch nicht."
Ein aufmunternd gemeintes Lächeln begleitet ihre Worte. Schnell wendet sie sich aber ab und ihrem Korb zu. Nacheinander holt sie saubere Leintücher, mit Pergament verschlossen Tiegel und mehrere blitzblanke Klingen in unterschiedlichen Größen und Formen hervor, breitet sie feinsäuberlich nebeneinander auf dem zweiten Stuhl aus.
"Einen Augenblick noch, dann ist die Kamille soweit", nickt Inepha über die Schulter herüber und rührt einmal sachte im Topf um, als wollte sie ihre Worte mit dem nun aufsteigenden Duft unterstreichen. Der Geruch der Heilpflanze ist wirklich stark genug, alle anderen in dem kleinen Raum zurück zu drängen - für den Moment. Der Topf wird vom Feuer genommen, die Schwielen schützen die Hand vor der Hitze, oder es ist ihr egal.

"Es ist soweit, Imara."
Die Angesprochene nickt und presst die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander. Die alte Frau greift mit beiden Händen nach den Decken, um sie eine nach der anderen bis zur Hüfte ihrer Patientin zurück zu schlagen. Mit knochigen Fingern, die jedoch niemals zittern, öffnet sie auch das leichte Hemdchen im Nacken und legt es aufs Bett zur Seite. Plötzlich ist der Kamillengeruch vergessen, als wäre er niemals vorhanden gewesen, und nur noch eine schwere, übelkeiterregende Süße ist im Raum. Der Geruch einer Wunde, die sich beharrlich weigert zu heilen.
Alma versucht sich nichts anmerken zu lassen, greift nach einem der Tiegel, öffnet ihn und reibt sich eine weißliche Paste auf ihre Oberlippen. Inepha tut es ihr gleich und kniet neben dem Bett der Mutter nieder. Für einen Moment verharren die beiden Frauen und betrachten den Verband um die Brust der Dritten. Braune Flecken bilden einen starken Kontrast zum Leinen das ebenso weiß ist wie die Haut darunter. Mit routinierten Handgriffen öffnet die eine den Verband, während die andere den Oberkörper ihrer Mutter anhebt. Ebenso sachte wird sie auch wieder abgelegt.
"Vorsicht", wird gemurmelt und Alma zieht mit spitzen Fingern und einem schnellen Ruck die letzte Lage von der Wunde, auf der sie noch festgeklebt war. Der Geruch ist unerträglich und wird durch die Duftpaste auf den Lippen der Frauen kaum gemindert. Es kommen zwei tiefe Schnitte zum Vorschein, die sich über die Brüste Imaras ziehen. Sofort klaffen sie leicht auf und zu den Seiten rinnt Eiter und Sekret aus allen Farben des Herbstlaubes herab. Verklebte Fäden bilden Brücken über die Gräben von einem gezackten Wundrand zum anderen. Rund herum ist das Fleisch der einst beneidenswerten Brüste aufgequollen und schrumpelig, tief gerötet von der Entzündung. Die Stirn der Heilerin legt sich in noch tiefere Falten.

"Wir werden wieder schneiden müssen. Inepha, wir brauchen einen weiteren Topf."
"Aye!"
, kommt eine knappe Antwort und die Angesprochene erhebt sich, ein Scheuer läuft ihr über das Gesicht. Sie wendet sich zum Tisch und nimmt von diesem einen flachen Zinntopf, der dort das Regenwasser aufgefangen hatte, welches weiterhin durch eine beachtliche Lücke zwischen den Schieferplatten herein rinnt. Mit einem Schwung landet das Wasser in einem bereits halb gefüllten Holzfass neben dem Kamin und die Tochter kommt ans Bett der Mutter zurück. Alma ergreift den Topf, wirft die alten Verbände hinein und stellt ihn neben sich auf den Steinboden. Inepha hat wieder ihre Position bezogen, bereit, ihre Mutter fest zu halten. Derweil gleitet Alams Blick zwischen der Wunde und ihren Instrumenten hin und her, um ab zu schätzen, wie sie zu beginnen hat. Als sie sich entschieden hat, nimmt sie ein Messer mit kurzer breiter Klinge und legt es parat. Dann ergreift sie kleinen Leinenstücke, taucht sie zuerst in den dampfenden Kamillentee und wischt damit die Wunde aus. In diesem Moment packt auch Inepha fest zu, hält mit einer Hand die dünnen Handgelenke ihrer Mutter fest, drückst sie mit der anderen an der Schulter auf ihr Lager. Imara bäumt sich mit leisem Winseln auf, doch ein schnell ausgetauschter Blick läßt die anderen beiden wissen, die Gegenwehr ist nicht so stark wie erwartet - nicht mehr.
Kurz leistet das aufgequollene Fleisch Widerstand, dann aber dringt die Kling ein. Alma stützt sich mit einer Hand ab und vollführt mit der anderen gezielte Schnitte um die Last ihrer Patientin zu mindern. Zwischendurch säubert sie die Wunde immer wieder mit getränktem Leinen von dem in Strömen hervorschießenden Blut. Der kleine Zinntopf quillt bereits über vor blutigem Leinen und totem Fleisch, als sich Alma aufsetzt und ihr Werk betrachtet. Die beiden Schnitte klaffen nun mehr als zwei Finger breit auf.

"Es ist eine Schande, dass sie Nähte nicht halten wollten und ausgerissen sind. Das können wir nun nicht noch einmal versuchen."
Alma sieht auf um sich Inephas stillschweigender Zustimmung zu vergewissern, dann öffnet sie ein weiters Tiegelchen.
"Aber Mitras Garten ist reich gedeckt für die, die ihn zu nutzen wissen. Bitterscharf, damit kann die Wunde von innen heraus heilen."
Mit zwei Fingern bestreicht sie nun dick die Wunden, reibt sie sachte ein, was Imara wiederum ein leises Stöhnen abnötigt. Nun werden wieder frische Leinenverbände aufgelegt und zusammen mit Inepha wiederholt sie das Prozedere für einen ebensolchen Brustverband. Kurz stiehlt sich ein ein erleichtertes Lächeln auf Imaras Lippen, als sie wieder auf ihr Krankenlager zurücksinkt.
Wortlos und leise huscht Inepha um die alte Frau herum um all das Blut zu entsorgen. Dann kehrt sie mit einer flachen Holzschüssel voll Wasser zurück, in welcher sich zuerst Alma, dann sie selbst die Hände wäscht. Sie kümmert sich auch um die Instrumente, kocht sie in frisch aufgesetztem Wasser auf, während sich Alma wieder über die Liegende beugt, deren Stirn und Plus befühlt.

"Es hat sie heute viel Blut und Kraft gekostet, aber die Wunde ist sauber. Heute Nacht machst du ihr kalte Umschläge, am besten mit Quark, wenn du welchen besorgen kannst."
Inepha sieht kurz von ihrer Arbeit an der Feuerstelle auf.
"Aye, das werde ich tun. Hab vielen Dank, Alma!"
"Danke nicht mir, Kind, bete zu Mitra. Dann sehen wir uns morgen wieder - für den Rest."
Sie tritt neben die junge Frau, legt ihr mit trostspendender Geste die Hand auf die Schulter und macht sich dann daran, ihre Sachen zu packen. Zum Abschied werden abermals Wangenküsse ausgetauscht und Inepha ist der alten Heilerin wieder mit der Türe behilflich.

"Mitra wach über euch, mein Kind."
"Und er begleite deinen Weg, Alma."

Inepha dreht sich um und ist wieder alleine im Haus - alleine mit ihrer sich unruhig windenden Mutter.
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3

Sunday, 2. November 2008, 17:09

Ein Schlag, zwei Tropfen

Inepha wendet den dünnen Streifen in ihrer Hand zum wiederholten Male aus und breitet ihn über die Stirn der Mutter aus. Kein Quark, wie es sich die alter Ama gewünscht hätte, sondern eiskaltes Wasser. Imara seufzt dennoch leise und erleichtert, ihre Lider flattern. Zunächst bringt sie nur einen undeutlichen Laut über die Lippen.
"Mein Kind, erzähl mir doch etwas... lass mich nicht alleine hier mit meinen dunklen Gedanken..."
Die Tochter wendet den Blick herum und streichelt die Wange der Mutter.
"Eine Zeit ohne Dunkelheit? Gerne Mutter. Wenn ich die Augen schließe, kann ich sie beinahe noch sehen."
Doch ihr Blick geht wieder herum in der Stube, die kaum vom Feuer im Kamin erhellt wird, über den Zinntopf auf dem Tisch, wo dieser abermals den Regen einfängt, hin zum Fenster, wo der schief hängende Laden es nicht vermag, die Kälte zurück zu halten. Sie beugt sich vor und beginnt mir rauer Stimme ins Ohr zu flüstern.

Der schmale Streifen hellen Sonnenlichts, welcher durch den verschlossenen Fensterladen herein fiel, war bereits über die dünne Decke nach oben gewandert und kitzelte nun bereits die ersten Härchen auf dem dünnen Arm. Der kleine Kinderkörper unter der Decke stemmte sich hoch und versuchte zum wiederholten Male dem Licht zu entkommen. Doch dieses Mal wurde der Versuch schnell von einem lauten Schlag an das Holzgestell des Bettes beendet und mit einem ebenso lauten Schrei schoss der kleine Körper empor.
"Mitra, ja!" Ich will doch artig sein und aufstehen", murmelte Inepha und betastete die schnell wachsende Beule an ihrem Scheitel. Mit missmutigem Gähnen und Greinen, das ihre Worte sogleich lügen strafte, reckte sie sich und stieß mit einer Hand den Laden über sich ganz auf. Die Stube wurde ganz und gar vom Sonnenlicht durchflutet, wodurch sich Inepha genötigt sah, erst einmal ihre Augen ausgiebig zu reiben. Als sie sich blinzelnd wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte, sah sie sich im Raum um.
Sie war alleine, wie an den meisten Tagen der Woche, wenn sich ihre Mutter schon früh aus dem Haus auf den Weg zur Arbeit machte. Doch Inepha hatte damit noch nie ein Problem gehabt, für ihre fünf Jahre hielt sie sich für sehr selbständig, eigentlich schon so gut wie erwachsen.

So schwang sie endlich ihre dünnen Beinchen aus dem Bett und tapste über den kühlen Steinboden hinüber zum Tisch, zog sich ihr Wollhemdchen über den Kopf, legte es fein säuberlich über einen der beiden Stühle und begann, sich mit frischem Wasser aus der bereitgestellten Schale zu waschen. Nackt, wie sie war, sprang sie nun ins noch kleinere Nebenzimmer und trat vor den großen Eichenschrank. Voll Vorfreude blitzten ihre Augen wie geschliffener Bernstein auf und sie öffnete die schweren Türen. Auf der einen Seite, in einem eigenen Fach nur für sie, lagen ihre beiden Sommerkleider, drei Hemden und einige Lederbänder als Gürtel oder für ihr Haar. Doch ihr Blick fiel wie jeden Morgen zuerst auf die Kleider ihrer Mutter. Sachte strich sie mit den Fingerspitzen darüber, zählte leise murmelnd ab bis vier und verweilte. Vorsichtig hob sie die darüber liegenden Kleider heraus, legte sie bei Seite, um an das strahlend weiße Gewand mit den silbernen Stickereien an den Säumen zu gelangen. Noch viel vorsichtiger zog sie dieses hervor, faltete es auseinander und hielt es sich vor den Körper. Sie drehte sich zur Seite und trat vor den fast schon handtellergroßen Spiegel an der Wand, mit dem wertvollsten Besitz ihrer Mutter. Auch wenn das Spiegelbild an den Seiten trübe und insgesamt etwas verzerrt war, bewunderte sich Inepha freudestrahlend mit dem Kleid der Mutter. Prüfend blickte sie an sich herab, es war einfach noch immer viel zu groß. Sie hatte so sehr gehofft, diese Nacht endlich genug gewachsen zu sein. So aber zog sie eine enttäuschte Schnute. Auch wenn es sie ihre ganze Beherrschung kostete, so legte sie das Kleid sorgfältig wie zuvor zurück und zog sich doch eines der ihren an, band sich einen hellen Lederriemen um die Hüften und mit einem ebensolchen ihr langes pechschwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zurück.

Mit beiden Händen drückte sie die Eichentüre hinter sich zu, wandte sich um und lies ihren Blick umherschweifen. Schräg gegenüber waren Varia, Safina und Raline schon längst wieder fleißig zu Gange. Unter dem kleinen Vordach des Hauses hatten sie einen Tisch aufgestellt, auf dem sich die Wäsche stapelte. Eine von ihnen rührte mit einem langen Holz im Zuber herum, aus dem der Dampf in Wolken aufstieg, die andere drehte Kleidungsstücke durch die schwere Mangel, reichte sie der Dritte und diese hängte sie dann auf eine der Leinen, die zum Nachbarhaus hinüber gespannt worden waren. Die drei Frauen sahen nur kurz von ihrer Arbeit auf, als Inepha ihnen winkend zurief, nickten zurück und fingen breit zu grinsen an. Das kleine Mädchen hatte sich aber bereits wieder abgewandt, ehe sie dies hätte bemerken können, und lief ein paar Häuser weiter durch das Dorf, wo sie ohne zu klopfen die Türe aufstieß.

"Bel hole sich nach deinen Manieren auch dich selbst, du kleiner Wildfang!"
Die Frau mit den langen haselnussbraunen Haaren sprang vom Stuhl auf und funkelte zur Türe hinüber. Hinter ihr auf dem Tisch lösten im Mörser vormals wertvolle Kräuter zu stinkendem Qualm auf und Inepha konnte nur erschrocken die Augen aufreissen.
"Einen mitragesegneten Morgen... Entschuldigung, Alma...", murmelte sie und schob beschämt die Unterlippe vor. Aber die Wut der Heilerin war nur von kurzer Dauer, schon kam sie grinsend auf das Kind zu um ihm über den Kopf zu streichen.
"Ja, ja. Auch dir einen guten Morgen", lachte sie.
"Gewiss hast du kleines Ding wieder Hunger wie eine Horde Soldaten. Also komm an den Tisch, ich habe dich doch längst erwartet."
Fürsorglich legte sie Inepha den Arm um die Schultern, diese sah nur noch kurz misstrauisch auf, und führte sie zum Tisch, auf welchem - neben den stinkenden Kräutern natürlich - auch eine große Tontasse voll nunmehr lauwarmen Tee, sowie ein Teller mit Brot, Butter und Käse auf sie warteten. Und als wollte es Almas Vermutung gerecht werden, machte sich das Mädchen sogleich über das angebotene Frühstück her. Dies unterbrach sie nur kurz um Brotkrümel spuckend immer wieder "Entschuldigung" und "danke" zu murmeln.
"Schon gut, halb so wild meine Kleine", antwortete Alma stets mit lachenden Augen und entsorgte die verdorbenen Kräuter, um ihre Arbeit nochmals von vorne zu beginnen. Noch ehe sie wieder alle Zutaten beisammen und sich wieder gesetzt hatte, schob Inepha den leeren Teller polternd über den Holztisch und setzte auch ihre Tasse ab. Sie sprang schwungvoll aus dem Stuhl.
"Ich muss dann mal los! Vielen Dank für das leckere Frühstück, Alma!"
Und noch ehe diese etwas erwidern konnte, war der Wirbelwind um den Tisch herum, herzte die Frau mit schmatzenden Küssen auf die Wangen und war auch schon wieder zur Tür hinaus.

Ihre abermals dunklen Füße waren nun fast schon weiß vom Staub, den sie auf ihrem kurzen Lauf durch das Dorf aufgewirbelt hatte, über den Tavernenhügel hin zum Tempel des großen Mitra. Soe hielt sie dort am Nebeneingang kurz inne, um den Saum ihres Kleides auszuschütteln und drückte erst dann die schwere Eisenklinke zum Schulraum.
"... und im Osten davon wiederum liegen die fernen Lande von Brythumien, Corinthien und... wer wagt es!?", schoss der Kopf von Priester Adeonus herum. Inepha stand still in der Türe, versuchte zu lächeln und hob grüßend die Hand.
"Seht nur an, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt! Inepha, die Tochter der Schreiberin! Schön dein Antlitz doch wieder einmal zu Gesicht zu bekommen - jedoch bist du mehr als eine Stunde zu spät!"
Auch wenn seine Worte freundlich klingen mochten, der Gesichtsausdruck des Mannes in mittleren Jahren war es ganz und gar nicht. Unter dem kurz gestutzten Bart hatte sich die Haut bereits dunkelrot vor Wut verfärbt, also sah Inepha davon ab, den Priester darauf hinzuweisen, dass sie den großen Glockenturm von ihrem Zuhause aus so gut wie niemals hören konnte - schon gar nicht am frühen Morgen. Lieber beschränkte sie sich darauf, ergeben zu nicken und dabei den Blick auf ihre staubigen Füße zu richten.
"Wie dem auch sei. Mitra in seiner Großzügigkeit hält über uns alle seine schützende Hand. Für einen jeden von uns findet er in seiner Weisheit eine Aufgabe, auch für dich. Also wirst du heute die Zeit nutzen, um darüber nachzudenken, ob du ihm, mir und deiner hoch angesehenen Frau Mutter weiterhin soviel Schande bereiten möchtest!"
Er hob in barscher Geste die Hand zur Türe. Doch Inepha verstand nicht gleich und wollte sich eben auf einen freien Platz setzen, da fuhr er abermals auf.
"Hinaus! Hinaus, sage ich! Mitras Weisheit bleibt dir heute verwehrt!"
Unzählige kleine Tröpfchen Spucke begleiteten seine wütenden Worte. So zuckte das Mädchen vor Schreck zusammen und sah sich um, die Mitschüler konnten sich ein gehässiges Grinsen kaum verkneifen. Langsam machte sie kehrt und verließ den Klassenraum wieder, wie ein geprügelter Hund. Draußen im Sonnenlicht lehnte sie sich neben der Tür an die Wand, sank in die Hocke hinab und murmelte,
"nicht schon wieder...".
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