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  • »Isinnor« ist der Autor dieses Themas

Registrierungsdatum: 30. March 2006

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Thursday, 5. October 2006, 22:48

Paladin (Freundin schreibt da grade dran)

Der Glaube hat Menschen schon immer in ihren Handlungen bekräftigt. Religiösen Menschen gab der Glaube an einen oder mehrere Götter Kraft, die Widrigkeiten des irdischen Lebens zu überstehen. Während Atheisten Kraft daraus schöpften, das nicht ein Wesen unbekannter Gesinnung ihr Leben beeinflußt, sondern die Physik und die Mathematik kurz, das man die Welt in Formeln fassen könnte. Beide Vorstellungen haben in gewisser Weise etwas gemeinsam: sie gehen beide davon aus, das ein Mensch und die Welt um ihn bestimmten Gesetzen unterliegt. So ist die Annahme, dass der Mensch alleine nicht fliegen kann, eine deutliche Parallele zwischen beiden Vorstellungen. Sehen sie einen Unterschied zwischen "Gott hat es verboten" und "Der Mensch ist aerodynamisch, thermodynamisch und physisch ungeeignet"? Was aber, wenn es jemanden gibt, der die Regeln brechen kann?



Teil 1 Das Erwachen

Mark sprintete den metallisch-leblosen Gang der Fabrik entlang und verfluchte den Tag, als er sich dazu entschloß, hier für etwas .45-Kaliber Ordnung zu sorgen. Die unregelmäßigen Versuche, die Gangster hinter sich abzuschütteln, waren nicht von Erfolg gekrönt und wenn man gerade 14 Gangmitglieder getötet hatte, war da mit Verhandlungen auch nicht viel zu erreichen. Sein Atem keuchte, und seine schweren Stiefel mit Metallabsätzen klapperten auf dem eisigen Boden. Unbeeinflußt von der offenbar nebensächlichen Flucht sah er noch relativ gut aus. Die Jeans knitterte mit jedem Schritt, noch nicht durchtränkt von Schweiß, denn Laufen war er gewöhnt. Nicht zum erstenmal hatte er sich selbst in eine fast kafkaesk ausweglose Situation manövriert, und nicht zum letzten Mal würde er sich wieder rausschummeln. Das schwarze T-Shirt flatterte um seinen dürren Oberkörper, denn er trug mal wieder Übergröße zum Tarnen seiner Waffen. Dann und Wann drehte er sich im Lauf um, zielte nach hinten und drückte ab, aber er lief stets weiter, denn jedesmal wurde ihm schlagartig bewußt, das er seine Munition längst verschossen hatte. Seine braunen Augen glitzerten, ihm fiel nicht auf, das ihm Angstschweiß im Gesicht stand. Der Geschmack in seinem Mund war salzig aber es fühlte sich eiskalt an. Er saß wirklich tief drin im Mist. Er motivierte sich selbst, weiterzulaufen. Nur noch 50 Meter. Er legte zu, wurde noch schneller, auch wenn ihm schon die Lungenflügel brannten. Er hörte Schreie hinter sich. Sein schweißgetränktes dunkelblondes Haar wirbelte verklebt durch die Luft, als er kurz nach hinten schaute. Die Gangster fielen zurück. Nicht nachlassen. Dann Licht. Tageslicht. Sehr gut, dachte er sich. Und mit letzter Kraft stürzte er auf die Straße, direkt in Richtung eines Polizisten auf Streife. Endlich in Sicherheit. Hier würden sie ihn wohl kaum erledigen. Nur eine Sekunde schloß er seine vom Schweiß brennenden Augen, und begann zu weinen vor Erleichterung. Er wollte den Polizisten umarmen, aber dann plötzlich stach ihm der Schmerz in die rechte Flanke. Ein Pick-up hatte ihn erfaßt, und dessen Kühlergrill brachte die Erlösung. Er war sofort tot und hinterließ einen unbewaffneten Streifenpolizisten in Verwirrung und 6 Gangster in Erleichterung. Er hatte die dreckige Arbeit selbst für sie gemacht.

Als er das Licht sah, war der Schmerz weg.

Das Licht war wunderschön, warm, und wohlklingend. Der Schmerz aus den Lungen war wie weggeblasen. Er faßte sich auf die Stirn kein Schweiß. Das Licht wurde heller. Er zwang sich, seine Augen offenzuhalten, dann wurde das Licht wieder weniger intensiv, verwandelte sich, formte eine Figur, die aus dem Licht entstand. Sie war menschlich, oder zumindest sah die Erscheinung so aus. Mark zuckte zusammen, ein kalter Schauer wanderte seine Wirbelsäule hinab. Die Erscheinung sprach. "Tja, das war es dann wohl." "Soll das ein Scherz sein? Wer oder was bist du überhaupt?" "Ich überlasse das deiner Phantasie. Entweder bin ich ein Engel oder nur eine Wahnvorstellung deines sterbenden Gehirns. Ich persönlich bevorzuge die erste Variante." "Ich bin Atheist. Ich glaube nicht an Gott." "Sieh mich als symbolischer Botschafter der guten Seite deines Bewußtseins. Ich würde dich abhaken und zum Chef schicken, aber es gibt wichtigeres für dich zu tun." "Zum Beispiel?" "Ich nehme an, du kennst du Grundbegriffe des Christentums oder?" "Ja." "Gut. Wie immer wir das Gute und das Böse begreifen, nennen wir es hier Gott und Teufel. Symbolisch." "Und?" "Bei der Erschaffung der Welt existierte zuerst das Gute, aber nicht lange. Um zu verhindern, das sich beide Kräfte direkt bekämpfen, schuf Gott 7 Siegel, die eine Grenze ziehen. Er kann nicht in die Hölle und der Teufel nicht in den Himmel. Erst beim Jüngsten Gericht oder wie du das Ende der Welt nennen willst, will Gott diese Siegel brechen und zum letzten Kampf antreten. Aber es ist noch nicht soweit." "Und was hat das mit mir zu tun?" "Wir wissen, das der Teufel das ebenfalls plant aber in nächster Zeit. Er hat einen Dämonen geschickt, die Siegel zu suchen. Bis zum Höhepunkt der nächsten Sonnenfinsternis ist der Teufel besonders stark. Wenn es davor zum Kampf kommt nicht auszudenken. Du sollst diesen Dämon lange genug aufhalten, denn danach wird der Teufel kein Interesse mehr an den Siegeln haben." "Entschuldigung, aber wie soll ich das anstellen?" "Wir brechen die Regeln. Ich schicke dich zurück und gebe dir einen Teil meiner Kraft. Ich ernenne dich damit zu einem Paladin, einem heiligen Krieger. Du kriegst Ausrüstung, alles was du brauchst, und dafür suchst du die Siegel und räumst auf, falls du Besuch kriegst." "Tschuldigung, wißt ihr nicht, wo die Siegel sind?" "Doch, aber wenn wir es dir sagen und du den Dämonen in die Hände fällst, haben sie gewonnen. Wir können das leider nicht riskieren." "Und was ist, wenn ich ablehne?" Die Gestalt zuckte mit ihren Schultern. "Was hast du zu verlieren? Ich biete dir eine zweite Chance. Entscheide dich, Mark." "Ich bevorzuge ´Reap´." "Nicht gerade der richtige Name für einen Paladin." "Woher..." "Es ist nicht so, als ob du eine Alternative hättest."

Die Auswahl der Ausrüstung überließ Azuriel so hatte sich der "Engel" vorgestellt ganz Mark, der bei der Gelegenheit gleich die himmlische Waffenkammer-Administration darauf hinwies, das Schwerter und Turmschilde langsam aus der Mode kamen. Der Versuchung, trotzdem ein heiliges Kristallschwert einzustecken, konnte er jedoch nicht widerstehen besonders, nachdem Azuriel meinte, dass man damit Dämonen in eine leere Dimension verbannen könnte, aus der es kein Entkommen gab. Eine der wenigen Situationen, in denen nicht mal ein persönlicher Draht zum Fürst der Finsternis einen Ausweg schaffen könnte. Mark blieb bei Bewährtem: Zwei .45 Selbstladepistolen aus Keramik, eine Flakweste unter seinem schwarzen Sweatshirt, Jeans, schwere Stiefel mit Kampfmesser in der Sohle und Armschienen zum Parieren. Ein schwarzer Trenchcoat und eine blau verspiegelte Sonnenbrille kamen hinzu. Auf Anraten von Azuriel noch ein goldenes Kreuz, das nicht nur seiner neuen Arbeitsstelle Rechnung tragen würde, sondern mit seinem bleiverkleideten Innenraum auch bei Flughafenkontrollen seine Nützlichkeit unter Beweis stellen könnte. Azuriel führte Mark zum Himmelstor zurück, wo er seine Reise erneut antreten würde. Mark wollte schon hinaustreten, als er innehielt und sich an Azuriel wandte. "Wie kann ich dich erreichen?" Azuriel lächelte nur, reichte Mark ein Handy und verabschiedete ihn mit den Worten "Drei mal die Null." Mark schloß sich dem Lächeln an, spannte seine Schultermuskeln kurz an, um das Schwert in die richtige Position zu bringen, dann schritt er hinaus und wagte den Sprung zurück auf die Erde. Hatten sie hin doch so weit gekriegt, dachte er sich, und schwor bei seinem Auftraggeber, das er, sollte er diesen Sprung unbeschadet überstehen, die Bibel nach Seite 3 weiterlesen würde.

Selbst die aufgehende Wüstensonne blendete nicht mehr, als er sanft auf dem sandigen Boden aufsetzte. Mark dachte kurz nach, dann fluchte er. Sollte er sich hier raus teleportieren?

0.0.0. Mark tippte auf die Tasten und wartete auf Antwort. "So schnell am Hörer? Hast du deinen Hut vergessen?" "Sag mir bitte, wie ich hier aus der Mistwüste rauskommen soll." Azuriel klang sichtlich genervt von den kleinlichen Problemen seines sterblichen Mitstreiters, aber nun mußte er die Suppe, die er sich eingebrockt hatte, auch auslöffeln. "Ich schicke dir ein Motorrad, reicht das?" "Muß reichen. CU." "Geh mit Gott, aber geh." Mark legte auf, dann schaute er um sich. Nichts tat sich. Vorerst. Dann begann der Boden sich aufzuwühlen, ein Donnern und Dröhnen schallte durch die Leere von Death Valley. Und tatsächlich, aus dem Sand erhob sich ein rotes Motorrad direkt vor Mark. Während er in der Öde darüber sinnierte, ob man wohl per Gebet nachtanken kann (was ihm sicherlich enorm wichtig werden könnte), sprang das Motorrad an und heulte. Keine Frage, die Angelegenheit duldete keine Müßigkeit.

Nach 2 Stunden Fahrt erreichte der heilige Krieger-in-Ausbildung ein kleines Wüstenkaff namens Flint. Nach seinen Informationen (die Position eines Siegels hatte man ihm verraten) war hier mit verstärktem Dämonenaufkommen zu rechnen. Aber nicht ohne seine Prinzipien, dachte sich Mark, denn niemand hat je ohne gutes Mittagessen die Welt gerettet. Eine alte Leuchtreklame pries "Rose´s Diner" an, mit dem obligatorischen "Gutes Essen" Schild. Klar. Höchstwahrscheinlich ´ne Absteige für Trucker, die nach ihrer 16-stündigen Fahrt zu groggy waren, ein Schnitzel von ´ner Schuhsole zu unterscheiden sowohl optisch als auch geschmacklich. Mark entschloß sich zum Versuch. War ja noch kein Paladin an rohem Fleisch gestorben, oder? Er schritt hinein, und besser hätte auch das typische Kaff-Diner aus der Glotze nicht Klischees verkörpern können. Junge Mädels servieren alten Farmern Essen und füllen gegen Entgelt auch das allzu leere Bett am Abend. An der Welt um sie offensichtlich nur zweitgradig interessiert, unterhielten sich alternde gescheiterte Existenzen mit obligatorischen Alkohol-, Glaubens-, und Geldproblemen über Anbaumethoden und warum der Mist hier eh vergebens war. In solchen Momenten war Mark klar, wie gut er weggekommen war. Vielleicht war er ein Eindringling in die "Idylle" hier, aber er stellte keine Fragen und zahlte Trinkgeld, also interessierte sich keiner für die L-förmigen Ausbeulungen in seinem Trenchcoat. Während sich Mark an einem Schinkenomelett gütlich tat, sah er im Augenwinkel einen etwa 15-jährigen Jungen auf das Diner zu rennen. Der Junge stürzte außer Atem hinein, und keuchte schwer, als er um Luft rang und gleichzeitig versuchte zu schreien. Mark verstand seine Gestik. Etwas war passiert. Zeit, die Luft mit heiliger Munition zu schwängern.

Obwohl sich "Paladin" nur mit mittelgroßen Schwierigkeiten als ordentliche Berufsbezeichnung verkaufen läßt und man bei der Angabe, den Schöpfer aller Dinge als Arbeitgeber zu haben, im besten Fall ausgelacht wird, war Spesenabrechnung kein großes Problem. Sie hätten wohl auch kein Problem damit, wenn sie aus geistiger Energie Bargeld erzeugen könnten. Auch für Mark war diese Fähigkeit jetzt wichtig, seine Konzentration reichte sogar noch für Trinkgeld. Nicht das es sich die Bedienung durch besondere Freundlichkeit verdient hätte, aber man hat Stil oder nicht, und Trinkgeld geben beweist das Erstere. Ohne "Tschüs" zu gehen das letztere. Mark tat beides und verfluchte seine Entscheidung schon bald. Der recht einfache Grund lauerte draußen auf ihn ein circa 5 Meter hoher Dämon, in Form eines riesigen Bären mit rötlichem Fell. Kaum hatte Mark sich aus dem Diner gerettet, ging das Monster auch schon auf ihn los. Es erwischte ihn an der Brust und warf ihn zurück. Er rollte sich nach hinten ab und zückte seine Pistolen. Er gab Feuer und traf den Bären an der rechten Pranke. Der Bär brüllte und starrte auf den blutigen Stumpf. Mark warf die Pistolen zur Seite und zog sein Schwert aus der Scheide. Mit schnellen Schritten stürmte er auf den Dämon zu, ging plötzlich in die Knie und sprang. Beflügelt von seinen Kräften warf er sich gegen die Brust des Dämons, der daraufhin ungeschickt nach hinten stolperte. Der Dämon lag noch halb bewußtlos auf dem Rücken, als Mark schon wieder auf den Beinen war. Mit einem gewaltigen Schlag durchtrennet er den Hals des Ungeheuers. Er wich zurück von dem toten Körper, der langsam in der Erde versank, wie von der Hölle selbst verschlungen. Kaum eine Minute später war das Blut an seinem Schwert und die Wunden auf seiner Brust der einzige Beweis dafür, das hier ein Kampf vor sich gegangen war. Er wischte sein Schwert mit einem weißen Taschentuch ab und sammelte seine Pistolen wieder ein. Eine kurze Überprüfung brachte Gewißheit das Magazin war voll. Lange mußte er nun nach dem Siegel nicht mehr suchen es erhob sich vor ihm aus dem Boden, etwas abseits der Stätte, wo er eben noch gekämpft hatte. Dann fühlte er den Schmerz wieder und beschloß, sich erst einmal seinen Verletzungen zu widmen.

Mark sparte sich den Weg zum Hospital, die Wunden waren immerhin dämonischen Ursprungs, infiziert mit Pestilenzen, die kein Sterblicher jemals gesehen oder erlebt hatte. Mark bemühte die Energie seines Willens und konzentrierte sie in seinen Händen. Nach dem Auflegen begriff er, was mit dem Sprichwort "Das brennt wie´s Fegefeuer" gemeint war. Keine Zeit zu jammern, dachte er sich, immerhin hatte er erst eins von sieben Siegeln gefunden. Azuriel hatte ihm eine Kurzeinweisung in heilige Schutzrunen gegeben; etwas, das zwar offiziell Aufgabe der Engel war, inoffiziell aber doch meistens an ihren sterblichen Helfern (oder auch Laufburschen) hängenblieb einleuchtend, wenn man bedenkt, das Engel ja auch meistens irgendwo im Himmel durch die Gegend flanieren, anstatt die Erde zu betreten. Als Paladin hätte man sie verfluchen können, besonders, da Dämonen sich für Kampf in vorderster Front nicht zu schade waren. Der "Kleine" eben war nicht mehr als ein Begrüßungsgeschenk, die wirklichen Herausforderungen würden noch kommen. Und wer mit dem Teufel zu Abend ißt...na ja, der sollte im wahrsten Sinne des Wortes höllisch aufpassen.

Nach der Einritzen der Runen und dem Polieren des Schwertes war der Tag für Mark erst mal gelaufen. Mark schwor sich selbst, sollte er dieses Mal davonkommen, würde er in Frührente gehen.

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2

Thursday, 5. October 2006, 22:49

Teil 2 - Die Erkenntnis

"Wenn Vertrauen die Rettung ist, ist Erkenntnis der Untergang."

Mark richtete sich auf. Was für ein verrückter Traum, dachte er sich, bis sein Blick auf den Stuhl neben seinem Bett fiel. Ein Schwert. Ein Kreuz. Das war kein verfluchter Traum, sondern Wirklichkeit, und Wirklichkeit tut weh, sogar noch mehr als die Schnittwunden von gestern. Mark richtete sich mühsam auf. Er lies seinem Blick durch das Zimmer streifen. Er war in einem Hotelzimmer, soviel stand fest. Ein kleiner Fernseher, ein Schrank, ein Stuhl und ein Bett. Nicht besonders viel, aber gepflegt. Die Tapete erstrahlte in leicht abgenutztem Grau. Mark fühlte sich von dieser bürgerlichen Atmosphäre regelrecht angespuckt. Erstmal richtig aufwachen, niemand mit Ringen unter den Augen konnte auch nur an Arbeit denken. Er schleppte sich selbst ins Bad, ließ etwas kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und tauchte sein Gesicht hinein. Die Kälte weckte seine Sinne aus dem Tiefschlaf, und er sprang von Waschbecken zurück, von sich selbst überrascht. Das Wasser war nicht kalt, es war eisig. Er fror, Reste des Wassers liefen ihm am ganzen Körper entlang. Eine Dusche. Gut. Er zog sich aus, schloß die Abdeckung, und drehte den Hahn für heißes Wasser voll auf. Das Wasser war noch kälter. Mark wollte herausspringen, aber die Abdeckung klemmte. Das Wasser ließ sich nicht abstellen. Er versuchte sich zu konzentrieren. Es wurde wärmer, er konnte die Entspannung in sich fühlen. Er konzentrierte sich darauf. Wärme erfaßte seinen ganzen Körper. Wie lange er diesen Zustand wohl halten konnte ? Mark wollte es nicht herausfinden. Er legte seine Hand auf die Abdeckung. Das Material begann zu schmelzen. Er sprang aus der Dusche und betrachtete die Abdeckung, die gerade sublimiert war. Eine Falle, so viel wußte er. Aber von wem ? Mark griff nach einem Handtuch, da wurde ihm bewußt, das seine Haut trocken war. Das Wasser war in der Hitze verdampft; ja, so mußte es sein, mehr wollte ihm dazu nicht einfallen. Nun dann, auf zum Frühstück.

Mark entschied sich, die Treppe zum Erdgeschoß zu benutzen.

Unten angekommen, wartete schon jemand auf ihn. Der Bote stellte sich nicht groß vor, seine Gestik war eindeutig. Sein Gesicht war kaum zu sehen, er hatte sich mit einer Sonnenbrille maskiert, trug einen Hut und einen Mantel mit hochgekrempeltem Kragen. Er deutete Mark, zu ihm hinter eine Wand zu kommen. Keine Frage, der Typ hatte etwas Wichtiges zu sagen. Er vergewisserte sich, das sie beide allein waren, dann fing er an zu sprechen. "Sag nichts, ich weiß wer du bist. Azuriel schickt mich. Dein nächstes Ziel ist Nordkorea. Dort wirst du weitere Instruktionen erhalten. Hier ist ein Flugticket. Entlade deine Waffen und steck die Magazine in dein Kreuz, sonst gehen am Flughafen die Metalldetektoren los. Deine Pistolen und dein Schwert kannst du im Motorrad verstecken, du findest dort unter dem Sitz einen Lageplan der Verstecke. Sei vorsichtig, der letzte Dämon und die Dusche waren nur Tests. Sie wollen dich einschätzen, damit sie dich besser vernichten können." "Eine Frage. Woher soll ich wissen, das du nicht ein Spion bist ?" "Hat man dir nichts von deinen Kräften erzählt ? Du kannst Menschen dazu bringen, die Wahrheit zu sagen, und das ist erst die Spitze des Eisbergs. Such die nächste Bibliothek auf und frag nach den Schriften des Deckard Cain. Und übrigens, wir haben die Turmschilde abgeschafft." Mark war verblüfft. Das konnte ja nur jemand wissen, der es von einem Engel erfahren hatte. Außerdem hatte Mark ein gutes Gefühl bei der Sache. Sein Gefühl hatte ihn noch nie getäuscht. Er konnte nur hoffen, das es jetzt nicht damit anfangen würde.

Mark schaute auf die nächste Uhr. Noch 2 Stunden bis zum Flug. Ein halbes Wunder, das er lebend durch LA gekommen war, sagte er sich selbst, besonders, wenn man bedenkt, das er mal wieder seine patentierten "Abkürzungen" verwendet hatte. Wenigstens hatte er in einer Bibliothek die Schriften gefunden, die der Bote ihm genannt hatte, und sie gleich für 1000$ der Verwaltung abgekauft. Noch hatte er sich dieses uralte Buch nicht angesehen, aber wenn er sowieso 2 Stunden hier warten würde, könnte er sich auch gleich der Lektüre widmen, anstatt seine Kräfte darauf zu verwenden, den Metalldetektor verrückt spielen zu lassen. Und auf die Dauer war der Anblick der Leibesvisitationen auch langweilig. Er schlug auf und begann zu lesen...

Von welch wunderlichen Dingen handelte das Buch ! Krieger, die durch Feuer, Eis und Blitz schreiten, ohne sich ernsthaft zu verletzen; Paladine, die in Bruchteilen von Sekunden vorranstürmen und mehrere Schläge austeilen; ja, ihre Anwesenheit alleine sollte ganze Legionen von Untoten auslöschen können ! Mark war wie gefesselt von diesen Schilderungen. Noch besser, dieser Cain hatte genau beschrieben, wie die Fähigkeiten beschworen wurden. Auch sagte er, das ein Paladin großer Reinheit seine heilige Energie fast beliebig anwenden könne und so neue Fähigkeiten erlangen würde. Den Flug über laß er weiter, immer tiefer fasziniert von den Schilderungen. Erst ein Ruck ließ ihn in die Realität zurückschnellen. Das ganze Flugzeug wurde erschüttert. Mark blickte aus dem Fenster. Ein Schwarm geflügelter Kreaturen, schwarz wie die Nacht und mindestens ebenso häßlich, umringte das Flugzeug. Keine Frage, es wurde wieder mal eng. Mark sprang von seinem Sitz auf und sprintete zum Frachtraum. Oder zumindest wollte er es, als sich ihm eine Stewardeß in den Weg stellte. "Bitte setzen sie sich sofort wieder hin." "Ich bin der einzige, der uns retten kann." "Unser Pilot hat die Lage unter Kontrolle." "Schön wär´s. Lassen sie mich durch, ich bin Profi." Mit diesen Worten drückte er die Dame mit ihrer mühsam unterdrückter Todesangst zur Seite und lief weiter. An der Tür zum Frachtraum angekommen, ertönte ein Fluch aus Marks Mund; würde er etwa an einer verschlossenen Tür scheitern ? "Nicht so, mein Freund," murmelte er, trat ein paar Schritte zurück und stürmte auf die Tür zu, die mit einem lauten Knarzen aus den Angeln sprang. Er rollte ab, um nicht die Außenhaut zu durchbrechen. Mit einem geflüsterten "Hoffentlich klappt die Flügelnummer" brach er die Ladeluke auf und sprang hinaus.

Kaum hatte er die jahrhundertealte Formel gesprochen, erschienen auf seinem Rücken zwei magische Flügel, die ihn wieder auf Höhe des Fliegers trugen. Er landete auf dem Dach des Flugzeugs und beschwor die Kräfte des Magnetismus, ihn festzuhalten. Die Dämonen ließen vom Flugzeug ab. Ihr neues Ziel zückte sein Kristallschwert und bereitete sich auf den Kampf gegen sie vor. Die schiere Masse an Dämonen verdunkelte für Mark die Sonne.

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3

Thursday, 5. October 2006, 22:49

Teil 3 - Die Allianz

"Man kann sich nur auf zwei Dinge im Leben verlassen, und beide kann man in einem Holster tragen."

Obwohl man bewundern muß, wie sich ein Paladin durch Beschwörung elementarer Kräfte auf ein mit 700 km/h fliegendes Linienflugzeug stellen kann - wohl gemerkt, ohne Klettereisen und Brechtüte - so hatte Mark keine Zeit, seine Leistung auch nur im geringsten zu würdigen, denn bei der Dämonensättigung der umgebenden Luft konnte er trotzdem im Bruchteil weniger Sekunden im nächsten Triebwerk enden. Keine Zeit zu philosophieren, die Dämonen mußten weg. Radikal. Mark versuchte sich zu erinnern, welche Fähigkeit von Nutzen sein könnte; seine Entscheidung fiel auf die Himmelsfaust. Kaum beschworen, bahnte sich ein Meteor aus Blitz und Donner seinen Weg durch den bewölkten Himmel. Mark rückte noch kurz seine Sonnenbrille zurecht, dann explodierte der Meteor in eine gigantische Sphäre aus Licht und Energie. Der Himmel färbte sich rötlich vom Blut der Dämonen; ja, es REGNETE sogar Dämonenleichen - eine schöne Gelegenheit, sich an diesem Naturschauspiel zu ergötzen. Es sei jedoch angeraten - und niemand fühlte das schmerzlicher als Mark - den fallenden Leichen aus dem Weg zu gehen.

Man sollte meinen, das ein Arbeitstag für einen Paladin auch durchschnittlich nicht mehr als 2 Heldentaten umfaßt - was ja durchaus stimmen mag, jedoch nicht heute. Mark hatte sich gerade wieder zur Frachtluke heruntertragen lassen, als das Flugzeug deutlich in einen Sinkflug eintrat. An und für sich ein geringer Anlaß zur Sorge. Man kombiniere das Szenario mit einer Stewardeß, die hysterisch durch die Gänge läuft und "Der Pilot ist tot !" ruft ? voila. Ein neuer Notfall für Mark als Paladin ? und das am 2. Arbeitstag. Unter anderen Umständen wohl ein Grund zur Gehaltserhöhung. Na bravo, der erste Tote. Mark sprintete durch die Gänge ins Cockpit. Dort angekommen, sondierte er die Lage. Glück gehabt, der Pilot war nicht tot, nur ohnmächtig. Schlimm genug. Mark wußte, es war an der Zeit, sein Schwert gegen den Steuerknüppel zu tauschen. Natürlich hatte Mark als konsequenter Verabscheuer jeglicher Computersimulation nicht die geringste Ahnung vom Fliegen. Blieb nur noch, um himmlischen Beistand zu bitten.

0.0.0. Mark dachte ernsthaft darüber nach, sich die Nummer auf einen Kurzwahlspeicher zu legen, man kann ja nie wissen, ob man noch Zeit für drei statt einer Taste hat. Die vertraute, für einen Engel recht tiefe Stimme Azuriels antwortete dem piepsenden Flehen des Klingeltons. "Was gibt´s denn ?" "Du hast nicht zufällig einen kompetenten Piloten für eine 747 mit koreanischen Instrumenten ?" "Irgendwas sagt mir, das du dich beim Lesen der Schriften Cains auf Kampfsprüche beschränkt hast." "Du meinst...ach ja, Verständnis. Hmpf. Danke."

Mark versuchte seinen Geist zu reinigen, dann sagte er die uralten Verse auf. Die Schriftzeichen verschwommen vor seinen Augen. Die Beschriftung war lesbar; wenigstens etwas. Er nahm das Handy wieder zur Hand. "Toll, aber wie fliege ich so ein Teil ?" "Nicht mein Problem. Geh auf Autopilot und funk den nächsten Flughafen an."

Sprach es und legte auf. Na toll. Erst mal den Schalter für Autopilot finden. Klar. Da war er; frech und rebellierend in rot. Mark legte ihn um. Erstes Problem gelöst. Er nahm Platz auf dem Pilotensessel, man konnte die Verantwortung förmlich riechen. Oder, treffender, den Angstschweiß.

Mark zuckte zusammen, als er hinter sich eine Stimme hörte.

Er drehte sich um und traute seinen Augen kaum. Dort stand eine Gestalt, die genauso gekleidet war wie Mark; sein nach oben wandernder Blick blieb am Sweatshirt hängen. Er schüttelte sich und blickte nach oben. Keine Frage, das war eine Frau. Und sie war ebenfalls Paladin. Mit schlagartiger Erkenntnis kehrte sein Verstand zurück, und er betrachtete seine Mitstreiterin genauer. Das braune, schulterlange Haar zu einem Zopf nach hinten gebunden, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, ergriff sie das Wort. "Ich bin Sharon. Du brauchst einen Piloten ?" Mark riß sich selbst aus dem Wachkoma seiner Träume zurück und gewann langsam seine Ruhe zurück. "Ja." Sehr viel mehr brachte er nicht heraus. Bevor er noch mehr sagen konnte, hatte sich Sharon bereits auf dem Sitz des Kopiloten bequem gemacht; ihre zarten Hände umfaßten das Ruder mit ungeahnter Stärke. Sharon bediente die überwältigende Flut an Schaltern, als würde sie Piano spielen; der Autopilot schaltete die Systeme auf Landung in steilem Sinkflug. Sie wandte sich wieder an Mark, der immer noch wie vom Donner gerührt die Szene betrachtete. "Einfach nur gerade halten, das Baby landet sich dann fast von selbst." Mit diesen Worten war sie auch schon wieder durch die Cockpittür verschwunden. Wie raffiniert; Mark konnte ihr nicht folgen, ohne das Flugzeug zum Absturz zu bringen. Mit dem Mut eines Todgeweihten gelang ihm dann auch die Landung; so wie das Flugzeug langsam auf der Rollbahn aufsetzte, wurde auch sein Herz wieder leichter. Mit wiedergefundener Entspanntheit zog er sich dezent aus dem Cockpit zurück, bevor der Pilot wieder zu sich kam.

Marks zweiter Vorname war Anonymität; er war es gewohnt, in exotische Länder zu reisen, Waffen durch den Zoll zu schmuggeln oder mit einem Geldschein hier und da die Echtheit seiner Papiere zu bestätigen. Deswegen hielt er sich nicht lange am Flughafen auf, sondern suchte das riesige Parkhaus nach seinem Motorrad ab. "Eigentlich die ideale Gelegenheit für einen Test..." Mit wenig Kraftaufwendung sah er das Motorrad vor seinem geistigen Auge, in seiner Vorstellung startete er es. Er hörte südlich von sich den Motor aufheulen. Mit einem kurzen Lächeln machte er sich auf den Weg. Langsam gewöhnte er sich an den Gedanken, das er gewaltige Kräfte zur Verfügung hatte. Er bog um die Ecke und sah einen Schatten hinter dem Lichtkegel des Scheinwerfers. Seine Schritte verstummten, nur das monotone Knurren des Motors im Leerlauf war noch zu hören. Marks rechte Hand bewegte sich reflexartig zu seinem Rücken und zog seine Waffe aus dem Holster. Heute war wohl wirklich nicht sein Tag. Die Gestalt trat aus dem Schatten. Es war Sharon. Mit einer blitzschnellen Bewegung zog sie eine Mossberg 590 aus ihrem Mantel und feuerte.

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4

Thursday, 5. October 2006, 22:50

Teil 4 - Grüne Wüste

"Du bist nie alleine; gerade deshalb kommst du dir unheimlich verlassen vor."

Die Schrotladung flog zischend an Mark vorbei, der sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite aus der Schußlinie gerettet hatte. Aber er hörte ein Stöhnen hinter sich, ungefähr dort, wo er eben noch stand. Wände stöhnen nicht. Er lag noch etwas unentschlossen mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, dann brachte er den Mut auf und wirbelte herum, seine Waffe immer noch im Anschlag. Im Bruchteil einer Sekunde erfaßte er die Situation. Etwas, das ihn an einen Werwolf erinnerte, stand knurrend im Gang. Grünliches Blut tropfte aus seiner Brust. Sharon betätigte den Verschluß ihrer Waffe; die heiße Hülse flog seitlich aus dem Auswurffenster. Mark setzte ein kleines Lächeln auf. Er riß seine Beine in die Luft, verlagerte seinen Schwerpunkt ruckartig wieder zurück und einen Augenblick später war er auch schon wieder auf den Beinen. Der Werwolf stürmte auf Sharon zu und hatte offenbar Mark noch nicht richtig wahrgenommen. Mark setzte an und erwischte das laufende Monster mit einem kräftigen Tritt, worauf es zur Seite stolperte und gegen einen Pfeiler knallte. Der Werwolf verlor sein Gleichgewicht endgültig und landete auf seinem Rücken. Mark schritt langsam auf das Monster zu, dann zielte er genau mit seiner Waffe. "Tschüs, du Furby." Mit diesen Worten verpaßte er dem gerade wieder zu sich kommenden Werwolf ein drittes Auge.

Als er sich umdrehte, war Sharon schon wieder verschwunden. Mark schlenderte zur Leiche und hob die Patronenhülse auf, die vom Kampf zurückgeblieben war. Koreanische Behörden ließ man besser nicht erst in Aktion treten; wenn der Kommunismus eins gekonnt hatte, dann war es der Aufbau eines effektiven Geheimdienstes. Und Mark hatte wichtigeres zu tun, als sich noch mehr Ärger einzuhandeln. Auf dem Sitz seines Motorrads lag ein Zettel, nicht gerade besonders weiß oder ordentlich gefaltet. Mark nahm in und las ihn. "Der Tempel der ewig währenden Sonne" stand darauf, in sorgfältiger, ja fast andächtiger Schrift geschrieben. Im Gegensatz zu dem, der den Zettel gefaltet hatte, war dem Autoren dieses Hinweises Zeit offenbar nicht besonders wertvoll. Er würde sich wohl fürs erste einen Reiseleiter suchen müssen, der sich hier auskannte.

Und Reiseleiter in dieser Region waren entweder lebensmüde, Agenten des Staats oder miese Trickbetrüger. Im schlimmsten Fall traf alles zu.

Mark schlenderte unschlüssig durch die Gassen der Stadt. Seit er im Flugzeug Verständnis beschworen hatte, verstand er koreanisch ohne größere Probleme. Mark wußte nicht, wie lange das anhalten würde, aber es wäre sicherlich besser, die Fähigkeit zu nutzen, solange sie vorhanden war. Marks Blick erfaßte eine kleine Seitenstraße, nahezu verdeckt von Ständen oder noch ärmeren Händlern, die Touristen "heilige" Souvenirs andrehten, um ihre 13 Kinder zu ernähren. Natürlich konnte man nicht verallgemeinern, aber wenn an den Theorien über Formung des Charakters durch das Umfeld auch nur das geringste dran war, konnte man sie wohl alle als Gauner oder Gelegenheitsbetrüger bezeichnen. Mark hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, niemandem zu vertrauen. Er hatte sich in seinem Leben schon immer alles alleine erkämpfen müssen. Er schlenderte gemächlich auf die Seitenstraße zu. Er stach deutlich aus der Menge heraus; ironischerweise durch seine Kleidung, die ihn ja in der anonymen Masse verstecken sollte. Die Gasse roch nach seltsamen Gewürzen und Schweiß; sie war gesäumt von Obdachlosen, die wimmernd um Geld bettelten, manche von ihnen schrecklich entstellt. Mark konnte sich nicht helfen; er zog etwas Geld aus seinem Mantel und verteilte es unter den armen Leuten, die ihm ihre Dankbarkeit mit einem stummen Nicken bezeugten. Beim letzten Bettler blieb Mark noch kurz stehen; er schien den Mann mit der Sonnenbrille nicht wahrzunehmen. Der Obdachlose erhob seine Stimme kaum über ein Flüstern; Mark verstand ich trotzdem deutlich. "Ich danke dir für die Spende. Ich fühle eine mächtige Präsenz in dir. Ich sehe den ganzen Tag nur Dunkelheit; doch du stehst vor mir und dein Licht blendet mich fast, so wunderschön ist es. Du bist kein gewöhnlicher Mensch; frag nicht woher ich es weiß, ich bin vielleicht blind, aber gerade deshalb sehe ich manchmal mehr. Kann ich dir helfen, so wie du mir geholfen hast ?" "Ich suche nach dem Tempel der ewig währenden Sonne." Der Obdachlose schien sich zu erschrecken zumindest meinte Mark, Entsetzen in den harten und regungslosen Konturen des alten Gesichts zu sehen. "Dafür mußt du dich in den Dschungel begeben. Sei wachsam das, was dir als Licht erscheint, kann in Wirklichkeit finsterste Nacht sein." "Danke für den Rat."

Mark entfernte sich langsam und durchkreuzte das Labyrinth aus Gassen noch einige Minuten, bis er einen entfernten Geruch wahrnahm. Kordit. Hier in der Nähe wurden Schußwaffen gelagert. Er folgte seiner Nase und landete in einem Laden für Gewürze. Nein, auch der scharfe Geruch von grünem Pfeffer konnte seine Nase nicht täuschen, Schießpulver lag in de Luft. Mit festen Schritten näherte sich dem Verkäufer, der seine Augen nur widerwillig von einem billigen Pornoblättchen abwandte. "Was wollen sie ? Können sie mich überhaupt verstehen, sie verdammter Kapitalist ?" Nein, wirklich, bei Marks Anblick wäre jeder sehr überrascht gewesen, wenn er die Beleidigung in perfektem Koreanisch erwidert hätte. Der Verkäufer bildete keine Ausnahme; mit Mühe zwang er sich ein Lächeln ab. "Ein Kunde ! Mißverstehen sie mich nicht, in war gerade in Gedanken." "Macht nichts, bei solcher Lektüre wäre ich auch abgelenkt gewesen." Mit einer schnellen Handbewegung verschwand die Zeitschrift unter dem Tresen. Mark hätte am liebsten breit gegrinst, aber er konnte es sich nicht leisten, einen Waffenverkäufer der Stadt zu verärgern sonst würde er nirgendwo mehr einkaufen können. Das heißt, NOCH dürfte er niemanden verärgern. "Scherz beiseite, ich suche...Gewürzstreuer. EXOTISCHE Gewürzstreuer." "Für welches Gewürz ?" "Blei. Habe ich mich klar ausgedrückt ?" "Wir verkaufen hier nur..." Bevor der Verkäufer den Satz beenden konnte, hatte ihn Mark auch schon am Kragen gepackt und zu sich über den Tresen gezogen. "Jetzt reden wir mal Tacheles. Ich suche Knarren. Waffen. Wie immer du sie nennst. Ich bezahle gut und du stellst keine Fragen und hattest heute keine Kunden. Klar ?" Er zog den Verkäufer noch näher an sich heran. Der Mann im dreckigen Hemd mit unleserlichen Namensschild konnte durch die Sonnenbrille hindurch die durch Wut geweiteten Pupillen sehen. Mark schrie ihn an. "HABE ICH MICH KLAR AUSGEDRÜCKT ?" "Ab..ab..absolut, ja, schauen wir mal, was da ist."

Kurze Zeit später versammelte sich die Elite weltweiter Handwerkskunst auf einem Tisch das heißt, wohl eher doch der Ausschuß. Mark fischte zwei Ingram MAC-10 .45 mit Schalldämpfer aus dem Haufen. Mit Fachkenntnis zerlegte er beide und prüfte den Mechanismus sorgfältig. Dann fiel ihm am Magazinschacht eine kleine Prägung auf. Eine Seriennummer. "Feile." Der eingeschüchterte Verkäufer reichte dem Fremden in schwarz eine schwere Feile. Nach kurzer Zeit war auch dieses Problem gelöst, und Mark knallte ein Bündel Geldscheine auf den Tresen. "Das ist mehr als genug für den Schrott, den ich dir gerade abgenommen habe. Die Federn sind durchgerostet und der Hammer ist auch hin. Bei der anderen ist das Gehäuse so stark verbogen, daß das Teil nach spätestens 4 Schuß klemmt. Schaffen sie sich mal einen Affen an, der hält die Teile sicher besser in Schuß. Wenn sie wissen, was gut für sie ist, schnappen sie sich ihr Heft, holen sich einen runter und vergessen mich schnell. Sonst werde ich eventuell noch unhöflich." Mit diesen Worten verließ er den Verkäufer, der für den Rest des Tages beim Anblick der Bilder nackter Frauen wohl nicht mehr in die richtige Stimmung kommen würde. Nein, sagte er sich, mache Tage sind einfach nur Mist. Er schrie dem Fremden hinterher, "Verdammter Kommunist, du Arsch !" Jetzt mußte Mark doch schmunzeln. Wie schnell sich Leute doch ihre politische Orientierung neu überdenken können....

Mark kämpfte sich durch die jetzt gefüllten Nebenstraßen wieder auf die Hauptstraße der Ortschaft zurück. Ein kleiner Junge, vielleicht 13 oder 14, lief auf ihn zu, blieb vor ihm stehen und grinste. Mit einem schnellen "Was willst du ?" drückte Mark seine Verwunderung aus; das ein gewisser gelangweilter und beleidigter Ton mitschwang, war nicht zu überhören. "Sie sehen aus, als hätten sie sich verirrt." "Laß mich raten, du bist der ortsansässige Fremdenführer." "Für 20 Dollar bringe ich sie überall hin. Ich kenne alle, kann alles besorgen und wenn ihnen jemanden Probleme bereitet, läßt sich das auch lösen." "Bring mich zum Tempel der ewig währenden Sonne." Die Augen des Jungen weiteten sich in Angst. "Sie wollen wirklich dahin ?" "Ja." "Da will ich nicht mit. Ich sage ihnen, wo es langgeht, und dann bewege ich mich keinen Schritt weiter in diese Richtung." "Soll mir recht sein." Mark reichte dem Jungen ein Bündel Scheine. " Also gut. Sie gehen ungefähr 3 Kilometer in südlicher Richtung, dann 2 Kilometer nach Südwesten. Dann sehen sie die Lichtung mit dem Tempel vor sich." Während der Junge das Geld zählte, sprach er weiter. "Wenn ich sie wäre, würde ich höllisch aufpassen. Auch wenn es nicht so aussieht, ich hab es gerne, wenn Kunden in einem Stück wieder zurück kommen." Er verbeugte sich noch kurz, dann war er im Gewirr der Menge auch schon wieder verschwunden.

Mark machte sich daraufhin auf den Weg und erblickte bei Sonnenuntergang den alten und verlassenen Tempel. Die Applikationen waren zwar lange nicht poliert wurden, strahlten aber noch hell genug, um erkennen zu lassen, daß sie aus Gold bestanden. Mark fühlte sich unwohl beim Anblick dieses gespenstischen Bauwerks; der pompöse Eingang wirkte mit seinen Säulen wie der Rachen eines Ungeheuers. Mark setzte sich gegen einen Baum und beschwor eine Wärmeaura, die ihm einen entspannten und tiefen Schlaf einbrachte. Der Dschungel um ihn herum jedoch erwachte in der Nacht zu gespenstischem Leben. Flughunde zogen ihre Kreise am Himmel, nur auf der Jagd nach dem Nektar der Blüten. Unter ihnen und den blühenden Bäumen war der Anblick nicht mehr ganz so idyllisch; unmenschliche Augen blitzten auf und erleuchteten die Nacht. Der Dschungel war erwacht. Auch der Tempel blieb nicht dunkel; er erleuchtete die Lichtung aus seinem Eingang. Hätte Mark einen leichteren Schlaf, wäre er Zeuge dieses Schauspiels geworden. Erst ein Heulen und Schluchzen, das aus dem Tempel drang, vermochte den Paladin zu wecken. Mit einer vorsichtigen Bewegung zog er die zwei MAC-10 aus seinem Mantel und schaltete auf vollautomatisch. Was er sah, jagte ihm Angst oder zumindest mittelmäßig viel Respekt ein. Etwas verdunkelte den Tempeleingang. Und es sah nicht gerade menschlich aus. Mark motivierte sich selbst, dann stürmte er mit einem lauten Schrei auf den Tempel zu und eröffnete das Feuer aus beiden Maschinenpistolen.

Insgeheim hoffte er darauf, das Sharon auftauchen würde und zwar mindestens mit einer leichten Panzerabwehrwaffe.

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5

Thursday, 5. October 2006, 22:53

Teil 5 - Die Erleuchtung

"Menschen sind wie Glühbirnen: Kurz vorm abrauchen sind sie am hellsten."

Die Gestalt wurde durch die schiere Wucht des Angriffs zurückgeworfen. Mark kreuzte seine Arme und stürmte gegen das schwankende Monster. Mit den Worten "Das klappt doch immer wieder" im Kopf, rollte er ab, griff nach seinem Schwert und drehte sich um. Das Ungeheuer lag keuchend vor ihm. Mark mußte lächeln. Das war fast zu...Ein Schlag von hinten unterbrach seine Gedanken. Er wurde durch die Luft geschleudert und konnte sich gerade noch mit den Füßen davon abhalten, gegen einen Baum zu knallen. Das Geräusch von splitternden Knochen hämmerte sich durch seine Ohren. Keine Frage, sein rechtes Bein war gebrochen. "Immerhin noch besser als mein Schädel..." Die Kreaturen waren offenbar nicht besonders schlau; sie folgten ihm nicht in die Dunkelheit. Er verbrachte den Rest der Nacht damit, sein Bein zu schienen und anschließend seine Heilkräfte wirken zu lassen. Er überlegte, was er als nächstes tun würde. Die MPs lagen noch kurz vorm Tempel. Er hatte nur noch seine Pistolen. Wo könnte er jetzt schwere Waffen besorgen, wenn nicht...

0.0.0. Kurzwahlspeicher hin oder her, Azuriel meldete sich wie immer mit einem herzlichen, aufbauenden und verständnisvollen "Was willst du denn schon wieder von mir ?" "Ich brauche Waffen." "Und ? Hast du verlernt, wie man Geld erzeugt ? Kauf dir welche." "Ich brauche schwere Waffen. Und eine Rüstung wäre nicht schlecht." "Ist dir dein Trenchcoat nicht mehr gut genug, was ? Also, wir sind hier gerade ein bißchen knapp mit heiligen Waffen...Ich könnte dir höchstens eine OICW anbieten." "Gekauft. Mehr brauche ich nicht. Hat doch die ´niemals nachladen´ Garantie oder ?" "Klar. Sei bloß mit dem 20mm Granatwerfer vorsichtig, unsere Ladungen haben mächtig viel Sprengkraft." "Die brauche ich auch. Was ist mit Rüstung ?" "Kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich dachte, du fändest unsere Rüstungen unmodisch und veraltet." "Ich glaube auch nicht, das mir so eine Rüstung jetzt helfen würde. Trotzdem danke. Sonst noch Neuigkeiten ?" "Wollte ich dich fragen. Kaum ein Paladin und schon angelst du dir eine Freundin und sagst mir kein Wort." "Ich dachte, du hättest sie geschickt." "Ich hab keine Ahnung, wer oder was sie ist. Ich kann dir nur raten, vorsichtig zu sein." Mit diesen Worten schallte wieder Stille durch die Leitung.

Mark wartete mit der Waffe im Anschlag bis zum Einbruch der Dunkelheit, dann stürmte er einmal mehr los, diesmal bewußt leise und vorsichtig. Wieder zeigte sich nach einiger Zeit eine Gestalt am Eingang. Mark folgerte aus dem, was er sehen konnte, das es die gleiche wie gestern war, denn sie schien verletzt und keuchte. Mark aktivierte die Visiereinrichtung seiner Waffe. Das Display zeigte 300 Meter Entfernung. Mark stellte den Granatwerfer auf Näherungszündung, dann gab er Feuer. Das Geschoß bohrte sich durch Luft und explodierte circa einen Meter vor dem überraschten Monster. Als sich der Rauch lüftete, war das Monster durch einen gewaltigen schwarzen Fleck auf dem Boden ersetzt worden. Schreie kamen aus dem Inneren des Tempels, unmenschlich, aber deutlich erkennbar von Angst erfüllt. Mehrere Monster stürmten aus dem Tempel auf Mark zu. Mark gab nochmals kurz Feuer mit dem Granatwerfer, dann schaltet er um auf das Sturmgewehr und schwängerte die Luft mit Blei. Die Monster lösten sich in Feuer auf. Mark nahm seine Augen vom Visier und begab sich ins Innere des Tempels.

Leise bahnte sich Mark seinen Weg durch die verdunkelten Hallen, die nach Verwesung und Tod rochen. Die OICW im Anschlag, schaute er um eine Ecke in die wohl größte Halle des Tempels. Der Anblick beschwor Übelkeit herauf, der Boden war mit verkrustetem Blut bedeckt, und von der Decke hingen Leichen, schrecklich verstümmelt. Eine laute Stimme schallte durch den Tempel. "Sieh sie dir an. Alle diese Menschen versuchten, mich zu besiegen, und keinem gelang es. Denkst du, daß du eine Ausnahme bildest ?" Der Boden erzitterte und tat sich auf. Aus der Spalte kletterte ein riesiges Untier, mit spinnenartigen Beinen und riesigen Klauen. Sein Kopf trug ein breites, diabolisches Grinsen wenn sich Mark nicht täuschte, war dieser Dämon eins der 4 niederen Übel. In Cains Buch war erwähnt, das sich ein Paladin einst mit diesem Untier maß nicht jedoch, ob er dabei erfolgreich war. Mark konnte sich nicht helfen; er mußte lächeln. "Viecher wie du schwimmen in meinem Tequila, und dich wird ich auch noch auf den Boden schütten und zertreten." Mark legt die Waffe an und zielte mit dem Granatwerfer. Mit einem Druck auf den Abzug bohrte sich ein Geschoß durch die stinkende Luft und schlug genau vor dem Ungeheuer ein.

Der Dämon erhob sich wieder. Das Lächeln war verschwunden.

Mark warf die schwere Waffe zur Seite und bahnte sich seinen Weg nach rechts. Wenn ihn dieser Mistkerl im Nahkampf erwischen würde nein, daran wollte Mark nicht denken. Mit einem Sprung rettete er sich gegen die Wand, während die sichelartige Klaue unter ihm eine Säule wegriß. Mark dachte nicht groß darüber nach, was er tat hätte er es getan, wäre ihm höchstwahrscheinlich aufgefallen, das er an der Wand zur Decke hochlief. Das wütende Untier hinter sich, stieß sich Mark von der Wand ab. Der Fall schien Stunden zu dauern; Zeit genug jedenfalls, um das Kristallschwert aus der Scheide zu ziehen. Mark landete wie in einem Sattel auf dem Rücken des Untiers, sein Schwert versenkt in das, was bei einem normalen Tier die Wirbelsäule ist. Der Dämon kreischte wenn er in der Lage war, Schmerz zu empfinden, dann tat er das definitiv. Mark stieß sich wieder vom Rücken ab, dabei das Schwert aus dem Fleisch ziehend, und landete hinter dem Dämon. Blind vor Pein schlug der Dämon um sich und verfehlte Mark nur um Haaresbreite. Der ließ sich zurückfallen und warf das Schwert zur Seite, um das Ungeheuer mit seinen heiligen Pistolen zu bekämpfen. Die Geschosse schlugen fast wirkungslos in der Brust das Dämons ein. Erhöhte Feuerkraft war oberstes Gebot der Stunde.

Ein Kreischen näherte sich Mark von rechts. Es war die OICW, die über den Boden schleifte und dabei Funken sprühte. Mark rollte nach rechts ab und griff die schwere Waffe, dann zielte er einmal mehr und gab Feuer. Die Granate, auf Verzögerungszündung eingestellt, versenkte sich selbst im Fleisch des Dämons und riß in einer gewaltigen Explosion eine der Klauen ab. Mark verfeinerte seine Peilung und feuerte eine zweite Granate, die genau den Kopf des Ungeheuers traf. Der Raum wurde überschwemmt von einer neuen Welle Blut, aber die Flüssigkeit war grün und entsprang einer sprudelnden Quelle an dem Stumpf, der wohl früher einmal den Hals dieses Übels ausgemacht hatte. Mark richtete sich auf. Die Leiche versank im Boden. Wieder mal die Welt gerettet, dachte sich der Paladin, dann sammelte er seine Waffen ein und begab sich zum Siegel, das auf einem seltsamerweise sauberen Altar ruhte. Er ritzte die Schutzrunen ein und drehte sich gerade noch rechtzeitig, um einen Schatten den Raum im Laufschritt verlassen zu sehen. Mark lächelte wieder. "Tja, manche kommen halt doch zweimal zu mir."

Mark versuchte sein bestes, die schwere Waffe zu zerlegen und sie in seinem Mantel zu verstauen; wer jedoch schon einmal eine OICW betrachten dürfte, weiß, das solch Unterfangen nur an der hohen Masse scheitern kann. Mark verwarf den Gedanken, mit diesem Biest von Waffe weiterzureisen, und zückte das Handy, bei dem sich wohl gegen Ende des Kreuzzuges hohe Abnutzungserscheinungen zeigen würden. Die selbe Nummer, die gleiche freundliche Begrüßung wie beim letzten Mal. "Also, ich hab einen Dämon zerlegt und das Siegel gesichert, wohin geht der nächste Trip ?" "London." "Ach ja, das weckt Erinnerungen. Gibt es irgend etwas, das ich besser vorher wissen sollte ?" "Die Tatsache, das du gerade Duriel begegnet bist, hat hier oben ein paar Glocken geläutet. Scheint, als wenn du denen da unten langsam lästig wirst." "Hat eure Versandabteilung auch eine Rücknahme ? Ich hab keinen Bock, die OICW durch den Zoll zu schleppen, dafür ist mir das Teil entschieden zu sperrig." "Wo wir gerade bei Waffen sind: Wie halten sich deine Pistolen ?" "Ganz gut, so eine USP Tactical kriegt man halt nicht klein." "Ist das hier ein Telefongespräch oder eine Dauerwerbesendung ? Beweg deinen Hintern zurück zum Flughafen, das Ticket und weitere Details findest du wie üblich bei deinem Blechesel." Es erschien Mark unwahrscheinlich, daß der Verbindungsabbruch technische Ursachen hatte. Stimmt, sagte er sich, genug gelabert, die Chose geht weiter.



Mark verbrachte den Abend am Flughafen und wartete geduldig darauf, einchecken zu können wenn ihn Flugreisen eins gelehrt hatten, dann war es Ruhe und Gelassenheit, auch wenn die ganze Reihe schon mit Meckern begann. Aufregen ist zwecklos; das Mark trotzdem langsam wütend wurde, hing vielmehr mit ihm selbst zusammen. Warum hatte er auch darauf bestanden, mit einer amerikanischen Fluglinie zu fliegen ? Patriotismus hin und her, die staatliche chinesische Fluglinie nebenan hatte keine Verzögerungen zu verzeichnen und würde bereits in wenigen Minuten starten. Mark versuchte sich zu entspannen; erfolglos, denn als ob jemand mit dem Taktstock angesetzt hatte, flogen Feuerstöße über die Köpfe der Menschenschlange. Während die Masse in Panik auseinander floß, stürmte er mit gesenktem Kopf zur nächsten Säule und ging in Deckung. Sonnenbrille zurechtrücken, Waffen entsichern und die Party kann steigen. Mark stürmte zur nächsten Säule und eröffnete im Laufen das Feuer auf maskierte und schwer bewaffnete Personen, die sich wohl gerade mit einem Schuß in die Decke Gehör verschaffen wollten. Er zählte 9, von denen er beim ersten Durchgang 5 auch traf. Wieder hinter Deckung, überblickte er die Situation mit seinem geistigen Auge. Die Terroristen standen wieder auf; offensichtlich trugen sie schwere kugelsichere Westen. Da war mit .45 Standardmunition beim ersten Durchgang logischerweise nicht viel zu holen anders ließ sich das kaum erklären. Hatte Mark sie womöglich eher erschreckt als getroffen ? Marks Ego verdrängte den Gedanken. Bevor er zum zweitem und hoffentlich letztem Angriff ansetzen konnte, erschallten die Geräusche abgefeuerter Pistolen wieder, und eine Gestalt mit zwei rauchenden Pistolen preschte auf die Säule zu, hinter der sich Mark versteckt hatte.

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6

Thursday, 5. October 2006, 22:53

Teil 6 - Sackgassen und Einbahnstraßen

"Dead End; na hoffentlich ist das nicht wörtlich gemeint..."

Mit einer Mischung aus Verwunderung und Erwartung identifizierte Mark die Gestalt als Sharon; es schien ihm wie im falschen Film, hier zusammen mit ihr hinter einer Säule zu hocken und vor ein paar einfachen Terroristen Deckung zu nehmen. Unter dem Krach der in der Säule einschlagenden Kugeln ergriff Mark das Wort. "Bei 3 springst du zur Seite und erwiderst das Feuer. Zusammen kriegen wir die klein." "Hast du so etwas schon mal gemacht ?" Mark erwiderte die Frage mit einem vielsagenden Lächeln, dann zählte er an. "Und drei !" Mit diesem Kommando stürmten die beiden zur Seite und feuerten auf die Terroristen, die offenbar noch unschlüssig waren, wer denn nun ihre Aufmerksamkeit erhalten sollte. Sharon traf 4 Terroristen in den Kopf und warf sich dann hinter die nächste Säule, während Mark siedendheiß einfiel, das sein Plan einen Fehler hatte. Auf seiner Seite war eine Wand. "Ob..?" Mark stieß sich vom Boden ab und betete, das er sich auch dieses Mal an der Wand halten würde. Die Schuhsohlen fanden übernatürlichen Halt, und Mark ergriff die Gelegenheit, von der Wand den Beschuß fortzusetzen. Auf Höhe der Gegner stieß er sich von der Wand ab und schmetterte in die Reihen der Bewaffneten.

Von den neun Terroristen waren 3 dem Kreuzfeuer entgangen. Einer mit schwarzem Haar und stark asiatischen Gesichtszügen befand sich genau in Marks Flugbahn und wurde vom Paladin regelrecht mitgerissen. Marks Sturz auf den harten Betonboden wurde entsprechend von dem Mann in schwarz abgebremst, der dafür mit doppelter Masse auf den Boden aufschlug und mit ein paar angeknacksten Rippen aus dem weiteren Kampfverlauf ausschied. Mark rollte ab und preschte auf die nächste Wand zu. Mit einem schnellen Tritt stieß er sich ab und bewältigte die Flugstrecke rückwärts mit einem gewaltigen Backflip. Der abschließende Tritt verursachte beim zweitem Terroristen mit blonden, kurzen Haaren und dem von einer Gasmaske verdeckten Gesicht heftige Kopfschmerzen. Der letzte Terrorist, offensichtlich begeisterte Kinogänger, warf seine Waffe zur Seite und nahm Grundstellung an. Wollte sich der Typ etwa auf den unbewaffneten Nahkampf mit einem Paladin messen. Wo sein Gegenüber doch über himmlische Unterstützung verfügte ? Mark fand es nicht heraus; mit einem lauten Knall sank der Terrorist auf seine Knie, Blut tropfte aus seinem vor Überraschung geöffneten Mund. Hinter dem Terroristen stand Sharon mit einem rauchenden Colt-Browning Modell 1911A1. "Bruce Lee ist tot, und ich kann nicht behaupten, das es mir leid tut."

Mark hatte nicht vor, sich wieder in die Schlange einzureihen wenn er nicht jetzt den Flughafen verließ, würde er wohl Korea niemals verlassen. Mit einem schnellen Handgriff zerrte er Sharon aus dem Gebäude und sprintete auf das Parkhaus zu. In Gedanken ließ er sein Motorrad schon an, und als er die Schranke erreichte, bog es bereits um eine dunkle Ecke und stand heulend hinter Krähenfüßen, die den Weg nach außen blockierten. Mark sprang, ohne sein Tempo zu verlangsamen, und stürmte auf sein Fahrzeug zu. Während er noch überlegte, hatte Sharon bereits aus dem Kofferraum eines schwarzen Pick-ups eine leichte Panzerabwehrwaffe Marke MBB "Armbrust" organisiert. Mark konnte seine Überraschung kaum verbergen. "Woher kriegst du solch schwere Waffen ?" "Familiengeheimnis." Mit diesen abschließenden Worten lenkte sie den Flugkörper in eine Wand neben der Ausfahrt; die, wenn sie beseelt gewesen wäre, sicherlich erstaunt festgestellt hätte, das Waffen, die sechs Einlagen Panzerstahl durchschlagen, bei 10 cm dicken Wänden noch verheerender wirken. Mark kommentierte die Situation mit einem lässigen "Tja, moderne Architektur...", dann ließ er sich im Sattel seines Schlachtrosses nieder und gab dem 4-Takter die Sporen. Das letzte Aufheulen erschallte, dann sprang die Maschine auf die Straße und sprühte bei einer scharfen Rechtskurve Funken, ehe sie aus dem Sichtbereich der gerade eintreffenden Polizisten verschwand, gefolgt von einem schwarzen Pick-up, der es verstand, mit seinem schwer gepanzerten Kühlergrill große Löcher noch größer zu machen.

Auf einer kleinen Landstraße beendete Mark die wilde Verfolgung. Die Dunkelheit legte sich um den Dschungel, der ihn umgab; kurz, er sah keinen Grund, ohne Gefahrenzulage auch noch Überstunden aufschreiben zu lassen. Aus den Seitentaschen an seinem Motorrad fischte Mark einen Schlafsack im obligatorischen Tarnmuster Look und rollte sie vor sich auf dem Boden aus. Ein paar Minuten später näherte sich der Pick-up langsam und unbemerkt der Lagerstätte; ein paar Augen verfolgten den Paladin bei der Abendgymnastik, bestehend aus dem Reißen des Dosendeckels, dem Heben der Dose und dem Schlucken des eisigen Biers irgendeiner amerikanischen Marke mit einem dicken "Import" - Stempel. Alkohol in seiner Wirkung als Bote sanften Schlafes und harten Katers am nächsten Morgen verfehlte anscheinend auch hier seinen Einfluß nicht. Mark sank nach wenigen Minuten in das, was für die Dauerbewohner der Ausnüchterungszelle Lebensinhalt ist: ein tiefer, ruhiger Schlaf. Selbiges Schicksal überkam auch den Besitzer des Augenpaares im Pick-up. Die Gestalt mit braunen, schulterlangen Haaren wachte erst wieder auf, als kalter Stahl ihre Schläfe berührte. Erschreckt fuhr die Gestalt, in der jetzt eingeschalteten Innenbeleuchtung des Wagens deutlich als Sharon erkennbar, aus ihrem Sitz hoch und blickte nun direkt in den dunklen Lauf einer schweren Pistole. Ihr Blick wanderte über das Visier langsam am Auswurffenster bis zum Hahn an der Pistole entlang und folgte dem Arm bis hoch zum Gesicht ihres Gegenübers. Das Gesicht war auch im Zwielicht deutlich zu erkennen; das sonst so freundliche Gesicht hatte sich jetzt jedoch in eine Art Maske verwandelt; und diesem Geschöpf waren die Begriffe Verständnis oder Respekt für Leben offenbar ein Fremdwort.

Das Wesen war wirklich perfekt, dachte sich Sharon, selbst die Stimme von Mark imitierte es trefflich. "Wer bist du ?" fragte das Wesen. "Sharon." "Falsche Antwort." Das Wesen zögerte nicht, es drückte den Abzug voll durch. Die Windschutzscheibe bedeckte sich mit grünem Blut, während eine unidentifizierbare Leiche fortfuhr, den Fahrersitz zu besudeln. Marks Lächeln kehrte zurück; er hatte richtig vermutet. Mit einer schnellen Handbewegung zog er den Schlüsselbund aus dem Schloß und schlenderte zum Kofferraum. Nach kurzem Probieren war der richtige Schlüssel hier gefunden; Mark drehte den Schlüssel im Schloß nach rechts und öffnete die Klappe, die in seiner Einbildung unter dem Gewicht unsichtbaren Staubs ächzte. Mark fand genau, was er erwartet hatte.

Unter einer Decke lag Sharon, Arme auf den Rücken gebunden und mit einem häßlich grauen Streifen Paketklebeband geknebelt. Mark befreite seine Mitstreiterin aus der mißlichen Lage und konzentrierte seine Heilkräfte, um sie aus der von einem Schlag auf den Hinterkopf ausgelösten Bewußtlosigkeit zu befreien.



Nach der Verarztung von Sharon, deren Doppelgänger wohl eher mit roher Gewalt als mit Talent zugeschlagen hatte, diskutierten die beiden Verbündeten die Lage. "Die Angelegenheit am Flughafen war echt der größte Mist, der passieren konnte." "Und ? Glaubst du etwa, daß das Zufall war ?" Sharon zwang sich mit diesen Worten ein kleines Lächeln ab. "Was mich eher interessiert, ist die Frage, wie wir jetzt nach London kommen." Sharon stand auf, trotz des brummenden Schädels, und wanderte ziellos um das kleine Lager herum. "Das müssen wir klarstellen. DU mußt nach London. Ich muß allerhöchstens in Urlaub." "Moment mal. Ehe wir hier irgendwelchen tollen und überheiligen Aktionen abziehen, hätte ich gern mal die Fronten geklärt. Also, wer bist du genau, woher weißt du von dem Unternehmen und warum kennt Azuriel dich nicht ?" Sharon seufzte. "Er kann mich nicht kennen. Ich bin kein echter Paladin. Ich hab meine Fähigkeiten und Kraft von einem sterbenden Paladin erhalten. Genau wie du hatte ich wohl kaum eine Wahl. Wir lagen sterbend nebeneinander, und dann sagt der Typ, er würde mein Leben retten, aber gleichzeitig würde er mich töten. Als ich wieder zu mir kam, war ich so gekleidet. Um ehrlich zu sein, habe ich absolut keine Ahnung, wer ich vorher war. Alles, was ich weiß, ist das ich dich suchen soll, weil du derjenige bist, in dem die letzte Weisheit liegt." "Das einzige, was in mir liegt, ist momentan der Wunsch, den Mist hinter mich zu bringen. Schätze, wenn ich irgendwann mal die Weisheit erlangen und dir helfen soll, muß ich erst mal die Welt retten." Vom Rand der Sonnenbrille tropfte eine einsame Träne. "Du weißt gar nicht, wie gerne ich einfach tot auf der Straße liegen geblieben wäre." Mark stand auf, zückte seine Pistole und lud durch. "Wenn ich meinen Job mache, werde ich vielleicht wegen guter Führung entlassen." Das Team wider Willen entschied sich gegen die Fortführung der Diskussion. Nach solchem Tag hatte selbst ein Paladin mit Adrenalinpegel kurz vorm Anschlag keine Probleme damit, einzuschlafen.

Am nächsten Tag erfüllte frische Seeluft Marks Lunge, während er an der Reling des kleinen gecharterten Hochseekatamarans dem Spiel der Wellen zusah und darüber nachdachte, wie es von San Francisco aus weiter nach London gehen sollte. Das koreanische Festland war bereits vor Stunden hinter dem Horizont verschwunden; das Steuer mußte Mark keine Sorgen bereiten, dank des fortschrittlichen Satellitenortungs - und Navigationssystems. Am liebsten würde er sich selbst ohrfeigen, bis seine alten Verhaltensmuster wieder die Vorherrschaft hätten. Früher, ja, früher. Da war der Alkohol so reichlich wie billiger Sex; da wurden Spielschulden schon mal mit einer Bleikugel im Kopf des Konkurrenten bezahlt. Mark fühlte sich komisch; ihn überkam fast der Zwang, auf die Knie zu fallen und Gott um die Vergebung seiner Sünden zu bitten. "Nein." Mark mußte lachen. Die Gedanken vorhin einfach nur lächerlich. Die Hitze machte ihn fast wahnsinnig. Da hier wohl kaum Reporter von National Enquirer zu erwarten waren, landeten Sweatshirt und Unterhemd bald auf einem Plastikstuhl neben Mark, unter ihnen begraben seine Waffen. Irgend etwas hielt ihn davon ab, das Kreuz ebenfalls zur Seite zu legen; so strahlte die Sonne auf Marks unvermutet blassen Oberkörper, und über den Abend prägten sich die Umrisse des Kreuzes auf der ansonsten gebräunten Haut ein.

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Thursday, 5. October 2006, 22:54

Teil 7 - Stadt der Liebe

"Kämpf für das Gute und ne Woche später stehst du bis zum Hals in Patronenhülsen."

Der Hafen von San Francisco kam langsam in Sicht. Mark richtete sich von dem Stuhl auf, in dem er den letzten Tag verbracht hatte, Inzwischen war es wieder Morgen; der Schrei von Möwen durchschnitt die Stille. Mark genoß die Schönheit der Situation noch ein paar Minuten. Mit der dunklen Vorahnung, das es bald wieder häßlich werden würde, kletterte er die Leiter zur Brücke hinauf und steuerte das Schiff vorsichtig an einen leeren Anlegeplatz. Es würde ihm keine Probleme mehr bereiten; er hatte sorgfältig darauf geachtet, keine Spuren seiner Identität zu hinterlassen. Ohne Blick auf die Uhr entschied sich Mark dafür, das momentan Zeit für Frühstuck war. Einerseits, weil er seit der Abreise aus Korea nur ein paar kalte Frühlingsrollen aus einem chinesischen Restaurant gegessen hatte; andererseits, weil der Duft von frischen Brötchen aus einem kleinem Café am Ufer vom Wind zu ihm getragen wurde. Mit einem zur Unkenntlichkeit zersungenem Lied auf den Lippen, schlenderte er den Gang zum Innenraum des Katamarans entlang. Mark wollte nicht wissen, woher der Verkäufer am Hafen dieses Schmuckstück besorgt hatte; die Angelegenheit war mit zehntausend amerikanischen Dollar schon lange gelöst. Vor der Tür zum Unterdeck hielt er kurz an, holte tief Luft und drückte dann die Klinke nach unten.

"Wenn du jetzt hier rein kommst, kannst du deine Eier zum Frühstück wieder runterschlucken."



Sharons Stimme war unverkennbar; Mark entschied sich gegen die Gefährdung seiner Libido und ließ von der Klinke ab. "Du solltest dir wirklich was anziehen, wir liegen schon im Hafen." "Ich hab nicht gesagt, das ich nichts anhabe..." Mark lächelte. Er lehnte sich entspannt gegen eine Wand aus grauem Hartplastik. Die Tür öffnete sich langsam. "Komm rein." Mark folgte der Aufforderung und warf einen Blick um sich; Sharon war nicht in Sicht. "Tschuldigung für das Durcheinander, aber im Gegensatz zu dir ziehe ich mich auch mal um. Wieviel Tage läufst du jetzt eigentlich schon in den filzigen Klamotten herum ?" "Hm, ne Woche ?" "Na da will ich nicht dran schnuppern." Sharon trat aus dem Blickschatten einer Trennwand. Die Jeans war unverkennbar dieselbe geblieben. Statt des schweren Mantels und des Sweatshirts trug sie ein leichtes Hawaii-Hemd und darüber eine braune, ausgewaschene Lederjacke. Die Stiefel waren Sandalen mit leichten Absätzen gewichen. Mark schüttelte den Kopf. "Und wo willst du ne Waffe verstecken ?" Sharon schwenkte die rechte Seite der Lederjacke zur Seite. Die Mossberg 590 paßte perfekt in eine Halterung an der Innenseite; erst jetzt fiel Mark auf, das die Waffe offensichtlich eine professionell verkürzte Version mit Klappschaft und abgesägtem Lauf war. "Sag was du willst, aber die paßt perfekt. Du rechnest doch nicht etwa damit, das es Ärger gibt ?" Mark öffnete seinen Trenchcoat. Die zwei Ingram MAC-10, inzwischen repariert, lagen direkt an der Seite der Flakweste; die zwei USP Tactical waren offensichtlich in Holstern auf dem Rücken verstaut. Ein Pistolenholster, noch leer, zierte Marks rechte Wade; links steckte sein Kristallschwert in der Scheide, in der Zwischenzeit sorgfältig in das Innenfutter eingenäht. Auf der entgegengesetzten Seite war eine deutlich als neu erkennbare Halterung eingefertigt; soweit Sharon es erkennen konnte, war sie dazu bestimmt, eine größere Waffe zu halten.

Mit einer schnellen Bewegung schloß Mark den Mantel. "Lust auf einen kleinen ? Stadtbummel ? ?"

Erstes Ausflugsziel der beiden war man mag es kaum glauben der Flughafen. Dass sich nach den Erlebnissen der letzten Tage eine leichte Aversion gegen solche Einrichtungen bei Mark entwickelt hatte, dürfte jetzt keine Rolle spielen. Immerhin waren die beiden Reisende mit eiliger Mission. Kurz vor dem Eingang beschlich Mark ein undefinierbares, aber dennoch auf seine Weise deutliches Gefühl. "Hier stimmt was nicht." Mit schnellem Griff und einem Schritt zur Seite brachte er sich und Sharon hinter eine Wand. Mark spähte um die Ecke. Es war ruhig. Viel zu ruhig. Sein geistiges Auge wanderte durch die Halle des Airports. Hinter den einzelnen Ecken und Säulen hatten Männer eines SWAT-Teams Stellung genommen. Mark wandte sich an Sharon, die ihn mit einer Art verständnislosen Blicks Marke "Was ist denn jetzt schon wieder ?" strafte. Mark, gutmütiger Weise nicht auf diese Zeichen eingehend, flüsterte etwas, das nach "Wir werden erwartet" klang. Ohne ein weiteres Wort deutete Mark Sharon, das einer Flugreise wohl einige Hindernisse im Weg standen. Die beiden schlichen sich wieder davon; ihr neues Ziel war die Halle für Luftfracht aus Übersee; sie hatten mit Hilfe eines privaten Flugunternehmers und des allmächtigen Dollars ihre Fahrzeuge bereits vorausschickt. Mark gefiel der Gedanke, am hellichten Tag seine Fähigkeiten in dieser Weise einzusetzen, überhaupt nicht; irgendwie jedoch mußte er den Zaun zum Gelände überwinden. Ein kurzer Blick in die Umgebung war für ihn Bestätigung genug, das es keine Zeugen geben würde.

Mit kurzer Konzentration und einem gewaltigen Sprung überwand er die Absperrung.

Während Mark sich durch das Unterholz einen Weg zum Gebäude bahnte, ging Sharon in Deckung und zückte ihre Waffe. Von hier aus konnte sie Mark nicht helfen, es war besser, sich selbst bedeckt zu halten und nur im Notfall das Feuer zu eröffnen. Selbiger erreichte gerade die Lagerhalle. Er zählte nur eine Wache. Der Mann war in der blauen Uniform eines SWAT-Teams gekleidet, trug eine kugelsichere Weste und patrouillierte die nähere Umgebung mit einer Colt Commando 5.56mm NATO im Anschlag. Mark entschied sich gegen die offene Konfrontation mit einem Sturmgewehr und schlich sich langsam hinter ein in der Nähe geparktes Lotsenfahrzeug. Er versuchte sich die Route der Wache genau einzuprägen und wartete noch etwa eine halbe Minute, dann stürmte er ohne einen Laut los. Hinter der Wache, die ihn noch nicht bemerkt hatte, griff er zunächst nach dem Funkgerät des Polizisten und hielt es mit einem kräftigen Ruck in der Hand. Der überraschte Gesetzeshüter drehte sich um; bevor er die Situation überblickte, hatte Mark ihm die Waffe schon aus der Hand gerissen. Ein Tritt in den Bauch verhinderte den Versuch, um Hilfe zu schreien, lange genug, um dem Polizisten mit dem Kolben seines eigenen Gewehrs einen Schlag gegen den Kopf zu versetzen. Die Wache taumelte nach hinten und fiel schließlich zu Boden; ein zweiter Schlag mit dem Kolben bescherte ihm endgültig einen tiefen, wenn auch unfreiwilligen Schlaf.



Mark nahm die Waffe und die Munition, die der Polizist bei sich hatte, vorerst an sich wenn man nur in unregelmäßigen Abständen neue Waffen erhielt, mußte man halt nehmen, was verfügbar war. Mark entschloß sich jedoch, diese Waffe wieder zu veräußern; sie war nicht besonders leistungsfähig, zumindest nach seiner persönlichen Meinung. Im Moment war jedoch die Rückaneignung der Fahrzeuge wichtiger. Mit gewaltiger Anstrengung verstaute Mark sein Motorrad im Kofferraum von Sharons Wagen. Den Schlüssel aus der Tasche fischend, startete Mark den Wagen, dessen Motor zwar leiser, aber auch gleichzeitig weniger grazil und undynamischer als der seines Motorrads klang. Insgesamt konnte sich Mark mit diesem Wagen nicht wirklich anfreunden: er war zu neu und sauber; und die Tatsache, das keine mit Fell besetzten Würfel vom Rückspiegel baumelten, verriet eindeutig ein absolut unpersönliches und anonymes Fahrzeug. Förmlich angeekelt von den Ledersesseln, setzte Mark zurück. Er konnte nicht widerstehen. Sonnenbrille zurechtrücken, in den sechsten Gang schalten und dann das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten. Der Wagen machte einen kurzen Satz nach vorne und raste brüllend aus dem Gebäude auf eine Startbahn; die sich anschließende 180°-Drehung durch Handbremse verriet eindeutig, das Mark als Jugendlicher zu oft "Die Blechpiraten" gesehen hatte. Der schwarze Wagen raste an der Lagerhalle vorbei und pflügte mit brutaler Gewalt durch das Gestrüpp, um schließlich mit ungebremster Wucht eine Masche des Zauns von 2 cm Durchmesser auf 2 m zu erweitern. Die Sirenen im Hintergrund signalisierten Sharon, das diesmal Schicht mit bequemem Einsteigen und Anschnallen war.

Dank haarsträubenden Kurvenlage und schier übermenschlicher Konzentration und Fahrzeugbeherrschung verlor sich die Spur des Fahrzeugs irgendwo in den Gassen der Großstadt.

Während sich draußen die Polizei von San Francisco der Jagd nach einem Phantom widmete, hatte sich das Gespann in eine kleine Werkstatt gerettet und genoß einen Kaffee, während ein paar alte Bekannte von Mark den Wagen umspritzten. Eine Gestalt näherte sich dem Tisch der beiden. Der untersetzter Mann mit einer sich flächenbrandartig ausbreitenden Glatze und hinter einer dicken Brille versteckten grünen Augen setzte sich zu den beiden und eröffnete das Gespräch. "Na Mark, läßt du dich auch mal wieder hier blicken. Neuer Auftraggeber und neue Freundin, was ?" "Ersteres ja, letzteres nein. Das ist Sharon. Wir arbeiten an der Sache gemeinsam." "Nicht gerade deine Art, den Gewinn zu teilen." "Na ja, man kann nicht wirklich von Gewinn reden. Ich erledige den Job und fang damit ein neues Leben an." "Erpressung ?" Mark mußte lächeln. Ja, es war eigentlich schon fast Erpressung gewesen. "Kann man so ausdrücken. Ist aber ein guter Job. Wenn ich Ausrüstung oder Geld brauche, kriege ich sie auch ohne Probleme. Außerdem nun ja, sagen wir mal, ich hab einen guten Auftraggeber, der sorgt für mich, egal was passiert." "Und was machst du so ?" "Im wesentlichen Objektschutz." "Die Polizei hast du ja mächtig verärgert. Was ist passiert ?" "Wenn ich das wüßte. Wir haben nicht mal 10 Leute umgelegt, und die waren auch noch Koreaner, also ist mir das ein Rätsel. Nun ja, genug gelabert." "Kommen wir zum Geschäft. Ich nehme an, du willst was abholen, oder ?"

Fünf Minuten später trugen ein paar Mitarbeiter der Werkstatt eine alte Kiste in den Raum. Mark griff das ihm feierlich gereichte Brecheisen und setzte an. Mit einem kräftigen Ruck öffnete er die Kiste und fischte seine alte Ausrüstung wieder aus dem Behälter. Er prüfte die Waffen sorgfältig. Seine alte Desert Eagle, im Kaliber .50AE mit Zielfernrohr und Laserzielhilfe. Er verstaute die schwere Pistole in dem Holster an seiner Hüfte und griff dann die Waffe, auf die er sich schon die ganze Reise nach San Francisco gefreut hatte. Ein Heckler & Koch PSG-1 Präzisionsgewehr, für 5000$ gekauft, aber für Mark eine Million wert. Das schwere Gewehr mit Schmidt & Bender Zielfernrohr und einem Zweibein wanderte in die Halterung im Innenfutter seines Trenchcoats. Mit einem Lächeln überreichte er dem Besitzer die Colt Commando und die Munition dafür. "Hier, dafür das du es für mich aufgehoben hast. Ist der Wagen jetzt eigentlich fertig ?" "Die Farbe ist trocken; ihr könnt jederzeit wieder abhauen." Mit einem Lächeln schüttelte Mark die Hand des kleinen Mannes. "Danke für den guten Kaffe, Joe. Wir sehen uns." Er deutete Sharon, das die Reise jetzt weitergeht. Mark wollte im jetzt braunen Wagen Platz nehmen, als er eine Luftbewegung hinter sich hörte. Mit einer schnellen Handbewegung fing er den Gegenstand ab, den Joe ihm offenbar zugeworfen hatte. Ein Colt von STI, handgefertigt und im Kaliber 10mm Auto. Joe lächelte nur, dann verschwand er in einen anderen Raum. Mark steckte die Waffe weg und stieg ein.

Am Abend war das Gespann dank gefälschter Pässe wieder ungestört auf der Straße und strebte der Ostküste zu.

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8

Thursday, 5. October 2006, 22:54

Teil 8 - Das Spiel

"Es hat gerade erst begonnen..."

Der Pick-up holperte über die steinige Piste, die sich Bundesstraße schimpfte. Schon seit Stunden hatten die beiden keine Häuser - geschweige denn eine Stadt am Straßenrand erblickt, und die Sonne am Himmel heizte das Wageninnere unerträglich auf. Die Luft war stickig und die letzten Reste von Sauerstoff entschwanden auch langsam aus dem Geländewagen. Inzwischen saß Sharon wieder am Steuer, jedoch mit dem festen Vorsatz, am nächsten Motel anzuhalten und erst einmal auszuschlafen. Mark indessen war es vollkommen egal; er wollte nur so schnell wie möglich aus dieser Wüste heraus, und in der Nacht wäre es wenigstens nicht so verdammt heiß. Von der Hitze ermattet betrachtete er seine Ausrüstung. Die zwei USP Tactical .45 erstrahlten in einem silbrigen Chromton und blendeten Mark etwas, trotz seiner Sonnenbrille. Auf den Griffschalen waren sorgfältig verzierte Kreuze eingraviert; bei genauerer Betrachtung war nur der Schlitten und die Griffschalen aus glänzendem Material; am Rest der Waffe war das darunterliegende Keramik erkennbar und bildete mit seinem schwarz einen krassen Gegensatz in der Gestaltung. Mark warf die beiden heiligen Pistolen zur Seite und widmete sich seinen normalen Handwaffen.

Die Desert Eagle fiel zu Boden, als Mark sie aus dem Holster ziehen wollte; schlagartig wurde ihm bewußt, wie schwer diese Waffe eigentlich war; aber sie besaß hervorragende Durchschlagskraft und war genau die Waffe nach seinem Geschmack viel zu laut, um von einem einfachen Schalldämpfer gebändigt zu werden. Im Vergleich zu diesem Monster wirkten die beiden Tactical wie Spielzeuge. Er betrachtete sie aus allen Seiten; ihre Oberfläche war mattschwarz lackiert; ein Überbleibsel aus den Tagen, als er mit dieser Waffe nachts unterwegs war. Mark zielte in die Luft; selbst für ihn war es ermüdend, diese schwere Waffe mit einer Hand zu halten. Deswegen widmete er sich dem Colt, der die gesamte Fahrt bis jetzt in einer Tasche von Marks Mantel verbracht hatte. Mark nahm die Waffe und setzte seinen Zeigefinger auf den Abschußbügel. Er hatte von dieser Waffe gehört; angeblich war sie mit 2300$ recht teuer, dafür aber sehr präzise und in einem modernen Kaliber mit großer Magazinkapazität. Natürlich klang 10mm nicht besonders spektakulär; wenn man sich jedoch vor Augen hielt, das diese Patrone die Leistung einer .357 Magnum erreichen kann, hatte man schlagartig bedeutend mehr Respekt für sie. Mark justierte das Visier nach seinen Anforderungen, dann verstaute er die Waffen wieder und richtete sich auf.

Der Wagen bewegte sich nicht mehr. Auf der Straße vor ihnen hatte sich ein Sperring von mindestens 10 Polizisten gebildet, alle mit Gewehren im Anschlag. Sharons Mund entfuhr ein leiser Fluch. Mark hielt sich nicht mit verbaler Situationskritik auf; er zog das PSG-1 aus der Halterung und fütterte den Schacht mit einem 20-Schuß Magazin. Er legte das Gewehr sorgfältig neben sich auf den Sitz, dann öffnete er die Tür und richtete sich beim aussteigen auf. Dank Mittagssonne warf er selbst mit seinen 1,90m kaum einen Schatten. Seine Stimme schallte durch das kleine Tal. "Was wollen sie ?" "Mark Aaron Simmons, wir verhaften sie wegen mehrfachem Mord, schwerer Körperverletzung, illegalem Waffenbesitz, Geiselnahme und Widerstands gegen die Staatsgewalt. Legen sie ihre Waffen nieder und heben sie ihre Hände über den Kopf." Mark schluckte. Es ließ sich wohl kaum mit seiner Mission vereinbaren, rechtschaffene Menschen zu töten oder ernsthaft zu verletzen . Die einzige Möglichkeit, an diesen Menschen vorbeizukommen, war sie unbewaffnet auszuschalten. Er flüsterte Sharon zu, sich zu ducken, dann griff er nach dem Gewehr und stürmte nach vorn. Mit einem Sprung warf er sich hinter einen Felsen; gerade noch rechtzeitig, um ein paar Kugeln Kaliber 5.56mm NATO davon zu überzeugen, an seinem Kopf vorbei zu fliegen. Das Gewehr prallte hart auf dem Boden auf; Mark zog es hinter den Fels, warf sich dann zur Seite und eröffnete das Feuer. Die ersten paar Schüsse prallten bereits neben ihm ein; dann traf seine erste Kugel die Waffe eines Polizisten, die darauf mit einer Ladehemmung reagierte. Mark feuerte nochmals, und der Ausgang dieses Schusses lieferte ein Argument für den zyklischen Aufbau der Zeit es führte zum gleichen Ergebnis. Mark rollte sich seitwärts hinter den Felsen, um den Angriff von einer besseren Position fortzusetzen, da hörte er ein Krachen und drehte seinen Kopf nach hinten.



Sein Motorrad lag auf der Straße, Sharon saß am Steuer ihres Wagens und Selbiger bewegte sich mit zunehmender Geschwindigkeit auf die Straßensperre zu. Der schwarze Pick-up, offensichtlich ein entfernter Verwandter eines Rammbocks, donnerte durch die Reihen der Polizisten und versenkte seine Kühlerhaube in mehreren Polizeifahrzeugen. Während Mark mit deutlich sichtbarer Verwunderung seinen Körper in eine aufrechte Position brachte, kletterte Sharon aus ihrem einst nagelneuen Fahrzeug und schrie sich die Lunge aus dem Leib. "Hau ab, ich halt diese Versager auf !" Ihr Ton war für Mark sicheres Indiz, das eine Diskussion jetzt unangebracht war; er steckte sein Gewehr ein und sprintete zurück zu seinem Motorrad. Mit einem Kickstart heulte der Motor auf; die Räder fraßen sich eine Sekunde durch den Sand, bevor sie Halt fanden und das Zweirad nach vorne katapultierten. Mark hielt noch kurz an der Unfallstelle; die Polizisten würden sich von diesem Zusammenprall nicht sehr schnell erholen, trotzdem hatte er höchstens eine Minute. Er warf seinen Kopf nach links und erspähte Sharon, die sich langsam aus den Trümmern zog. "Los, Sharon, weg hier !" "Mark..." Sie hob ihren Kopf, und Marks Pupillen weiteten sich durch Überraschung und Angst.. Sharons rechte Schläfe zierte eine größere Platzwunde; aber das bereitete Mark weniger Sorgen.

Das Blut auf ihrer Stirn war grün.

Sharon zwang sich ein Lächeln ab. "Du mußt jetzt gehen. Du hast wichtigeres zu tun als mir helfen zu wollen." Mit diesen Worten wandte sie sich ab, schritt zurück und setzte sich auf einen kleineren Felsen. Mark zögerte einen Moment, dann gab er Vollgas und verließ das Feld der Ehre. Er zwang sich selbst, nur nach vorne zu schauen und nicht darüber nachzudenken, was er vor kurzem gesehen hatte. Trotzdem, irgendwann durchbrach die Flut von Emotionen seine Willensstärke; inzwischen war die Nacht über die Wüste hereingebrochen, und Mark steuerte sein Fahrzeug an den Straßenrand. Er stieg ab, und am liebsten hätte er jetzt wohl gekotzt. Seine Partnerin...seine Freundin ein Dämon ? Damit hätte Mark wohl noch leben können; was ihn aber an den Rand des Wahnsinns brachte, war die Tatsache, das Sharon ihm offenbar nichts böses wollte. Vielleicht am schlimmsten war jedoch, das auch er noch Sympathien für Sharon hegte war es nicht seine Aufgabe, die Erde von Dämonen zu reinigen ? Wie konnte er das mit seinen Gefühlen vereinen ? Überhaupt nicht; Mark entschied sich spontan dafür, seine Wut an einem Fels auszulassen. Er schlug mit geballter Kraft zu. Sekunden später verzog sich sein Gesicht zu einer Maske des Schmerzes, während Mark feststellte, das sich die gewünschte Verformung, wenn überhaupt, eher an seiner Faust einstellte. Mark ging über zur Nutzung antiker Magie; wieso auch sonst schüttelte er seine rechte Hand, wenn nicht aus dem Glauben heraus, das der Schmerz abklingen würde ? Während der einsetzende Adrenalinkick den Schmerz unterdrückte, griff Mark nach dem Handy; ein klärendes Gespräch war überfällig.

Das flehende Klingeln des Telefons blieb ungehört.

Mark steckte das Gerät entnervt weg; er fühlte sich müde von den Ereignissen des heutigen Tages, und die Gedanken in seinem Schädel trieben ihn in den Wahnsinn. Er rollte seinen Schlafsack auf dem endlosen Wüstensand aus und legte sich hinein; Schlafen jedoch konnte er nicht. Von all den Gedanken, die ihn durchfluteten, stach einer heraus. "Du hast versagt. Du hast einem Dämon vertraut und die Menschen, die du schützen sollst, haben Angst vor dir und bekämpfen dich." Mark zuckte innerlich vor dem emotionalen Schmerz. Es war, als wenn sein Schädel explodieren wollte, und verglichen mit seinem Zustand vor wenigen Minuten fühlte er sich jetzt wirklich hundeelend. Mark richtete sich mit Mühe auf und fischte die letzte Dose Bier aus der Seitentasche seines Motorrads. Mit einem kräftigen Ruck öffnete er das Blechgefäß und ertränkte seine Gedanken in 12%-igem Alkohol. Der davon beschworene Schlaf war tief, aber alles andere als friedlich. Schweißperlen sammelten sich auf der Stirn des Paladins, während er unruhig von Seite zu Seite rollte und Worte in einer unverständlichen Sprache murmelte. Nur eines der Worte, hätte es jemand gehört, wäre verständlich gewesen.

"Apokalypse."

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9

Friday, 6. October 2006, 21:53

Paladin - Zyklus 2: Existenz und Metamorphose


Über die Jahrhunderte hat sich das, was wir als Religion verstehen, verändert. Eines war jedoch immer Bestandteil der Religion. Der Versuch die Welt zu erklären. Irgendwann muß wohl jemand um sich gesehen haben; mit nur einer Frage im Kopf: ""Wo kommt das alles her ?" Natürlich waren die Menschen niemals mächtig genug, um ihre Welt selbst zu schaffen. Es mußten also mächtigere Wesen sein. Wenn sie mächtiger waren, waren sie dann auch unsterblich ? Oder gab es unter ihnen Tote ? Können Götter sterben ? Und wo kommen sie überhaupt her ? Die Quintessenz der Antworten auf diese Fragen bildete die Religion. In der Antike war Vielgötterei verbreitet; man ging jedoch auch von der Erklärung durch Mythen ab und suchte eine Erklärung, die alleine der Vernunft entspringt. Über Jahrhunderte stritten sich die Menschen über ihren Glauben. Heute, wo die eine Seite den göttergleichen Wissenschaftlern glaubt und die Welt als Formel sieht, während die anderen wie nie zuvor an ein höheres Wesen glauben, stellt sich die Frage, wer richtig glaubt. Wohl niemand und trotzdem alle. Erwarten wir Hilfe von denen, an die wir glauben ? Schulden sie uns nicht etwas ? Der Gedanke der Errettung durch die Macht, die die Welt geschaffen hat, ist und bleibt weitverbreitet.


Teil 1 Boden der Tatsachen

"Das Dumme am Boden der Tatsachen ist, dass man, auch wenn man schon angekommen ist, immer noch tiefer fallen kann."

Mark wachte auf.

Die Sonne stach in seinen Augen und erhellte die schwarzen Ringe unter ihnen; seine Knochen schmerzten, und seine Muskel verkrampften sich. Er fühlte sich, als als ob er tot wäre. Nicht der Tod, den er erlebt hatte. Ein unbarmherziger, qualvoller Tod. Wie er ihn verdient hätte. Die Reste von Alkohol hinterließen ein Klingeln in seinem Schädel. Seine Augäpfel fühlten sich...komisch an. Als wenn sie jeden Moment aus ihren Höhlen herausfallen könnten. Mark richtete sich mit viel Mühe auf und durchsuchte die Umgebung nach Gefahrenquellen. Niemand. Nichts. Keine Dämonen, die mit albtraumhaften Klauen nach ihm schlagen würden; keine Menschen, die auf ihn schießen würden. Einfach niemand. Traumhaft. Die Ruhe jedoch erschien Mark tückisch; wie ein Skorpion, eingegraben im Wüstensand und regungslos seit Monaten trotzdem jederzeit bereit, zuzuschlagen. Mark dachte über den gestrigen Tag nach. Gestern. Gestern war alles besser. Gestern, war er Paladin, hatte eine Partnerin. Heute ? Heute war er ein abgebrannter Vollidiot, der seine Partnerin im Stich gelassen hatte, kurz, ein absoluter Versager, der die gesamte Menschheit auf dem Gewissen hatte.

Die Melancholie wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen. Mark fischte mit einiger Mühe das Telefon aus seiner Manteltasche und klappte die Abdeckung nach unten. Das Display zeigte in einwandfreier Darstellung die Nummer des Anrufers.

0.0.0.

Mark traf mit seinem Daumen grob eine grüne Taste und nahm das Gespräch an. Azuriels gehetzte Stimme unterbrach ihn, bevor er auch nur ans Sprechen dachte.

"Bist dus, Mark ? Gut. Sag nichts, hör nur zu, die Leitung wird garantiert angepeilt. Ich weiß was passiert ist, und ich wäre verdammt froh, wenn ich wüßte, was hier oben abgeht ! Hier tickt die Bombe, und ich will nicht dabei sein, wenn die hochgeht. Ich weiß, du hast einen Kater wie nach ?ner Barnacht; die haben dir den Hahn zugedreht. Deine Kräfte sowie die heiligen Waffen sind unbrauchbar. Das Schwert kann ich mit Kraft versorgen, aber die USPs kannst du verschrotten. Ich hab dir eine Kreditkarte zukommen lassen, mit Zugriff auf ein Konto was ich mir für schlechte Zeiten mal angelegt hatte. Kauf dir Munition, und zwar massig; du wirst das Zeug brauchen. Übrigens, die Sache mit London steht noch; organisiere dir ´ne Schiffsreise von New York aus, bei "PP Cruises"; da wirst du nicht durch ?nen Metalldetektor geschleust. Viel Glück, du wirst es brauchen. Ich versuch inzwischen herauszufinden, welches Spiel hier mit uns gespielt wird. Die Sache stinkt mächtig. Vertraue niemandem."

Wieder einmal rauschte nur noch der ohmsche Widerstand durch die Leitung.

Mark klappte das Handy zu und setzte sich auf den nächsten Stein. Azuriel hatte ihm die Kurzfassung von dem erzählt, was sich Mark in seinem Kopf zusammengereimt hatte. Er war noch nie so müde gewesen wie gestern; aber er wußte, womit man die Situation vergleichen könnte. Mit einem Drogensüchtigen, der abrupt aufhört.

Die Macht war wie eine Droge, ungelogen. Und Mark war diesbezüglich auf hartem Entzug.

Er stand wieder auf und wanderte um seinen Rastplatz herum; in Gedanken tiefer versunken als seine Stiefel im Sand. Welche Prioritäten würde er sich selbst setzen ? Erstmal mußte er sich wieder bewaffnen, klar; aber sollte er an seiner Mission festhalten ? Wieso riskierte er sein Leben überhaupt für diese überheblichen Schwuchteln, die sich selbst Engel schimpften ? Und wieso zum Teufel hatten sie ihn genommen ? Er war nun wirklich kein Heiliger; er hatte Sonntags seine Stunden in den Wäldern verbracht und mit seinem Vater gejagt, anstatt mit seiner Mutter in die Kirche zu gehen. Er hatte einmal sogar eine Bibel zerrissen, jede Seite einzeln. Vater. Sein Vater. Der hatte ihn verstanden, wenn er keine Lust darauf hatte, ein paar Stunden in einem ordentlichen Anzug irgendwo herumzusitzen und alle paar Minuten "Amen !" zu sagen. Sein Vater hatte ihm interessantere Dinge beigebracht. Zum Beispiel, wie man eine Jagdgewehr bedient. Wie man ein Visier einstellt. Oder wie man Tretminen entschärft. Alles Dinge, die Mark das Leben mehrmals gerettet hatten. Was hatte Gott für ihn getan ? Ihn zur Belohnung für seine lästerliche Lebensweise wieder zurückgeschickt und ihm dann, als er sich mächtig fühlte, einen fetten Tritt in den Hintern gegeben ?

Mark besann sich zurück auf seinen Vater. Ja, das war sein Held. Jemand, der vor keiner Kneipenschlägerei zurückschreckte. Jemand, der, wie es seine Nachbarn ausdrückten, "mit dem Maul so schnell wie mit der Flinte ist." Stark. Geschickt. Und immer für eine Überraschung gut. Bis zu seinem letzten Atemzug hatte er stärker als der Tod gewirkt; er war sogar noch einen Tag davor im Wald gewesen, um Holz zu schlagen. Am nächsten Morgen wachte er dann nicht mehr auf; seine Mutter hatte Mark erzählt, er sei friedlich eingeschlafen. Mark hatte es kaum glauben wollen. Er hatte seine Sachen gepackt und war dann am nächsten Tag schon auf dem Weg in die große Stadt, nach New York. Dort war er eine Zeitlang einfach nur ein Streuner, dann fand er seine Bestimmung als Söldner. Für den Job war er einfach perfekt. Er war gerade mal 17, sah noch jünger aus und verstand etwas davon, ungefährlich zu wirken. Trotzdem war er Profi. Der Kunde war König, und der Kunde bestimmte die Todesart. Ob eine Geburtstagstorte aus Plastiksprengstoff oder ein einfacher Kopfschuß aus einem halben Kilometer Entfernung solange die Bezahlung stimmte, war Mark dabei.

Für diesen Job hatte man ihn leben lassen. Nicht der erste Job dieser Art. Wohl aber der erste, bei dem der Kunde nach der Auftragsbesprechung noch lebte. Mark hatte schon immer die Idioten gehaßt, die dachten, das er zu erpressen sei; er hatte sie bisher alle abserviert. Aber diesmal hatte er sich förmlich erpressen lassen; diesmal hatte er es eigentlich fast freiwillig getan. Alles nur die Frage der Perspektive. Natürlich hatte er bei den anderen Jobs noch gelebt, als ihm das Angebot unterbreitet wurde; ob das allerdings erheblich für die Betrachtung war, bezweifelte er. Er schaute auf sich selbst herunter. Er lebte doch noch, oder ?

Ja.

Der Job gefiel ihm, und er würde ihn verdammt noch mal erledigen. Er hatte seine Versprechen nie gebrochen. Er würde das Schiff nehmen. Er würde London ausräuchern. Er würde Sharon finden. Er würde sich seine Kräfte zurückholen. Er würde in ein paar fette Ärsche treten. Er würde zusammen mit Azuriel gegen die Mächte von Himmel und Hölle antreten. Er würde...nix da, zuerst würde er sich ausrüsten.

Beginn den Tag nicht ohne frische Munition.

Mit ein paar schnellen Handgriffen rollte Mark, von Ehrgeiz beflügelt, seinen Schlafsack zusammen und verstaute seine Habseligkeiten in der Seitentasche des Motorrads. Mit einem reflexartigen Fußtritt heulte der Motor auf, fast wie ein Schwein auf der Schlachtbank. Mark würde ihn nicht schonen. Er gab seinem Roß die Sporen und raste durch die Wüste, vorbei an Schildern, Reklametafeln oder kleinen Raststätten. Erst an einer Tankstelle hielt er an; zwar war ihm nicht endgültig klar, ob sein Fahrzeug jetzt wohl Benzin benötigen würde, aber in seiner Situation waren Risiken etwas, dass er sich nicht leisten konnte. Er tankte voll, dann betrat er die kleine Bude, die sich Geschäft schimpfte. Der Mief der Trostlosigkeit und Resignation hatte sich über alle Regale und Vitrinen gelegt; in ihnen verschimmelten langsam die verschiedensten Dinge, von Rasierklingen zu Gummibärchen. Die Preisschilder schienen wohl schon seit mehreren Jahren von Änderungen verschont geblieben zu sein; sie zeigten Preise, wie sie Mark aus den späten Sechzigern in Erinnerung hatte. Hinter der Kasse saß ein Mann mit tiefen Falten und fahlgrauem Haar; gekleidet in einen alten dreckigen Overall. Während Mark auf ihn zuschritt, fiel ihm ein winziges Detail auf.

An der Wand hing ein kleines Kruzifix.



Mark setzte ein wohlwollendes Lächeln auf und ließ seine Fingerspitzen leise auf den Tresen klopfen; die ungeteilte Aufmerksamkeit des Tankstellenbesitzers wurde ihm zuteil.

"Ja ?"

"Ich hab bei Säule 4 getankt. Nehmen sie Kreditkarten ?"

"Bargeld ist mir lieber, aber so ?nen neumodischen Kartenleser hab ich auch."

Mark reichte ihm die Kreditkarte, die Azuriel mit einem letzten Quentchen himmlischer Macht neben ihm deponiert hatte, und wartete einen Moment.

"Die Karte ist OK, sonst noch was ?"

"Hm...nun ja...sie wissen nicht zufällig, wo hier in der Nähe ein Waffengeschäft ist ?"

"Wozu brauchen sie denn eins ?"

Mark folgerte aus dem Blick des Mannes, das er jetzt besser seine Fähigkeiten im Bereich kreative Dichtung anwenden sollte.

"Ich fahre zu einem Wettschießen. Ich hab aber meine normale Munition bei mir in der Wohnung vergessen und bloß Übungsmunition dabei, mit der ich natürlich nicht teilnehmen kann."

"Tja, wenn sie es keinem sagen, kann ich ihnen auch etwas verkaufen...Was brauchen sie denn ?"

".50er Action Express, 10mm Auto sowie .308er Winchester."

"Also nein...So etwas hab ich nicht auf Lager. Da müssen sie schon in die Stadt für."

"Trotzdem danke."

Mark drehte sich um und begann seinen Weg nach draußen.

"Jungchen ?" Der Alte hatte wieder gesprochen. Mark blieb stehen und wendete seinen Kopf.

"Ja ?"

"Paß auf dich auf. Du riechst nach Ärger, und meine Nase hat sich noch nie geirrt."

"Danke für den Rat."

Weg. Einfach nur weg. Bevor der Typ ihn noch mal anlabert. Mit einem eleganten Schwung sattelte Mark wieder auf und setzte seinen Weg fort. Irgend etwas hatte ihm an dem Laden nicht gefallen. Noch konnte er es nicht definieren. Aber irgend etwas war einfach gigantisch faul an der Sache, ob es an diesem Verkäufer, den Preisschildern oder dem Kruzifix lag.

Bei längerem Verweilen wäre Mark die Schrotflinte unter dem Tresen, sein Steckbrief im Hinterzimmer oder der Telefonanruf bei der Polizei aufgefallen.

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Friday, 6. October 2006, 21:58

Teil 2 - Abgetaucht

"Untergrund ist ungesund."

Mark raste mit seinem Gefährt weiter auf die große Stadt zu. Die Lichter hatte er schon vor einer Stunde gesehen, aber in der eigentlichen Stadt war er noch nicht; sein Blechgaul galoppierte durch die Vorstädte mit dem beruhigenden Rhythmus eines 4-Takters im mittleren Drehzahlbereich. Die Welt um Mark war in Schatten gehüllt. Dunkel. Leblos.

Kurz, kaum ein Unterschied zum Tag in der Gegend hier.

Nach schier endlosen Paraden von Reihenhäusern und kleinen Nebengassen passierte Mark den Hudson River. Der Blick auf die Hochhäuser war atemberaubend; alles wurde in gleißendes Licht getaucht, so als wolle man verdecken und vertreiben, was in der Dunkelheit lauerte. Mark wußte nicht recht, ob ihn das beruhigen sollte; er selbst war ja auch ein Geschöpf der Nacht, und ja klarer man sein Gesicht sehen könnte, desto eher würde man ihn erkennen. Er bog nach der Brücke nach links ab und stürzte sich mitten in das Nachtleben von Manhattan. Hier wuchs er einst zu einem Erwachsenen heran; hier hatte er seine unheilige Laufbahn begonnen und beendet. Er parkte sein Motorrad in einem bewachten Lagerhaus und setzte seinen Weg zu Fuß fort. Mit schnellen, aber bedachten Schritten bahnte er sich seinen Weg durch die hell illuminierten Straßen und Kreuzungen. Die Menschen um ihn herum plauderten, aber sagten nichts. Sie schauten, aber sie sahen nichts. Sie lauschten, aber sie hörten nichts.

Sie glaubten, aber sie wußten nichts.

Mark bog von den gleißenden Lichtern der Hauptstraßen ab und erreichte die weniger hellen, nicht ganz so sauberen Bereiche der Stadt. Sein Weg zu einem anderen alten Bekannten führte ihn an einem Elektrowarengeschäft vorbei; er hielt kurz inne und verfolgte die Nachrichten in einem Fernseher, der den leeren Straßen predigte und den Geistern von Neuigkeiten berichtete.
"Internationale Nachrichten. Eine Reihe seltsamer Vorfälle ereignete sich in den letzten Wochen. Die Geschehnisse werden mit diesem Mann in Verbindung gebracht."
Ein Bild erschien, ein Mann mit Sonnenbrille und Dreitagebart - es war Mark selbst, soviel konnte er erkennen, aber das Photo war schon mehrere Jahre alt und stammte offensichtlich aus einem sehr unscharfen Überwachungsvideo.
"Mark Aaron Simmons, ein international bekannter Söldner und Terrorist, wird zur Zeit von den Mehrzahl der Behörden als gefährlichster Verbrecher überhaupt eingestuft. Der Tod, den wir vor 4 Wochen vermeldeten, war offensichtlich vorgetäuscht, und die Leiche, die kurz vor der Obduktion verschwand, wahrscheinlich eine Fälschung. Simmons wird unter anderem wegen mehrfachen Mordes, schwerer Körperverletzung - ebenfalls in mehreren Fällen -, Geiselnahme sowie wiederholtem Widerstands gegen die Staatsgewalt gesucht. Er ist schwer bewaffnet und extrem gefährlich. Gehen sie auf keinen Fall alleine gegen ihn vor, sondern verständigen sie die nächste Polizeistation unter..."

Mark hatte genug Propaganda für heute gehört.

Er setzte seinen Weg fort und gelangte zu seinem Ziel. Ein altes Gebäude, wohl in den Zwanzigern gebaut, erhob sich mitten im Slum. In der untersten Etage blinkte eine alte Leuchtreklame und pries den Stripclub in Inneren an. Mark lächelte. Er verringerte die Frequenz seiner Schritte und betonte mit langsamen Bewegungen die Tatsache, dass er jeden Moment in dieser Atmosphäre genoß. Der Bürgersteig war bedeckt von einer großzügigen Schicht aus Müll; vereinzelte verlorene Seelen durchstreiften die Straße und wühlten im Müll, in der Hoffnung, darin ihr Abendessen zu finden. Frauen in aufreizender Kleidung arbeiteten ihre Schulden ab und schoben Nachtschicht, in der Gewißheit, dass die zahlenden Kunden sowieso alle schon im Club waren und hier wohl in den nächsten Stunden keine Kundschaft erscheinen würde. Mark würde in dieser Vermutung die Ausnahme bilden.

Mark setzte ein kleines Lächeln auf, dann beschleunigte er seine Schritte wieder und trat aus den Schatten, die den Eingang umzingelten. Eine der zwei Damen erwiderte sein Lächeln und entfernte sich ein paar Schritte von ihrem Posten. Mark begann das Gespräch.
"So spät noch bei der Arbeit, Tina ?"
"Na, wenn das nicht unser Schwerverbrecher Mark ist. Wieder geschäftlich hier ?"
"Leider. Wird wohl dieses Mal nichts mit uns zwei beiden."
"Ich bin hier schon ne ganze Weile und du warst schon oft hier, aber bisher hast du den Spruch jedes Mal draufgehabt."
"Tja, als Söldner hat man es nicht leicht. Ist Alex da ?"
"Klar. Der Boß predigt schon seit Tagen, daß du bald kommst, und wegen dir hab ich jetzt ne Wette verloren."
"Sorry. Aber ich brauche meine Ausrüstung dringend."
"Schon gut, Geh rein, sie erwartet dich."

Mark bahnte sich seinen Weg durch die Myriaden der Perlenschnüre, die zugleich durchsichtig und doch undurchdringbar den Eingang zum Etablissement bildeten. Im Inneren herrschte ein seltsamer Kontrast von Dunkelheit und Licht. Er schaute durch die Reihen der Gäste. Warum die reichen Typen immer im Dunklen sitzen wollten ? Die ganze Stadtelite war hier; instinktiv wußten sie doch alle, daß sie hier zusammen saßen, trotzdem wollten sie sich wohl die Illusion bewahren, mit moralisch sauberen Menschen zu reden. Er bahnte sich seinen Weg durch die Heerscharen männlicher Besucher, die, aus welchen Gründen auch immer, viel Geld dafür bezahlten, zu sehen, wie sich Frauen zu Musik ausziehen. Verrückte Welt. Marks Weg führte ihn vorbei an den Kabinen, wo die Show für Aufpreis noch intimer wurde. SEHR viel intimer. Aber trotzdem alles Show. Mark fühlte sich den Mädchen hier auf rätselhafte Weise verbunden. Prinzipiell waren sie alle im gleichen Beruf.

Solange du gut bezahlt wirst, ist es egal, ob du Sex mit Grottenolmen hast oder sie mit einer .45 erschießt.

Seine Faust erhob sich, um an die Tür zu klopfen. Eine Tür. In diesem Sammelsurium von Perlenschnüren und Seidenvorhängen. Das Schild an ihr strahlte eine regelrecht bedrohende Aura aus, die weit über das kleine Wörtchen "Privat" hinausging. So, als würde auf dem Schild "Hau ab oder fang dir ne Kugel ein" stehen. Mark besann sich wieder. Vermutlich war das seine persönliche Impression; er kannte die Person, die hinter dieser Tür am Schreibtisch saß. Ihre Stimme erklang.
"Herein !"
Keine Bitte. Keine Feststellung. Ein Befehl. Mark drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür langsam. Die Innenausstattung wurde langsam sichtbar. Die Wände waren im vorherrschenden Rosa gehalten, so wie der Rest des Clubs. Die sonstige Ausstattung war spartanisch, soweit vorhanden. Ein gewaltiger Schreibtisch aus dunklem Holz dominierte das Zimmer.
Nicht weniger beeindruckend war die Frau, die dahinter saß. Sie mochte wohl ungefähr 30 sein; ihre Haare waren schwarz gefärbt und kurzgeschnitten. Die Augen verbargen sich hinter einer großen Sonnenbrille. Sie trug einen Nadelstreifenanzug; Mark wußte nicht so recht, ob es ihre Weiblichkeit verbergen oder betonen sollte; jedenfalls paßte es zu ihr. Beim Anblick von Mark bewegten sich ihre Mundwinkel um wenige Millimeter nach oben; Mark war sich sicher, daß er in all seinen Jahren als ihr Angestellter noch nie so etwas wie ein Lächeln auf ihrem Gesicht gesehen hatte. Sie hatte das Geschäft von ihrem Vater geerbt, und dann war es mit dem freundschaftlichen Verhältnis aus. Ihr Vater, Andreas, hatte immer Wert auf familiäre Verhältnisse gelegt. Er hatte Mark quasi aufgezogen, ihn aus Ärger rausgehalten und auch schon mal ein Alibi für ihn besorgt. Er hatte Mark beschützt, und Mark hatte ihn beschützt.

Alex hatte alle, die zu viel Ärger verursacht hatten, umbringen lassen, egal wie gut sie waren.

Die Schlange wetzte ihre Giftzähne und öffnete ihr Maul; bereit, die gelähmte Beute zu verschlucken.
"Hallo Mark. Sieht man dich auch mal wieder. Ich hörte, du hast dich abgesetzt."
"Neuer Auftraggeber. Und ? Problem damit ?"
"Nein. Wenigstens warst du schlau genug, die Welt für mehr als eine Woche an der Nase herumzuführen. Das verdient Respekt. Also, was willst du ?"
"Einkaufen."
Alex stand auf; der schwere Ledersessel rollte langsam gegen die Wand, während sie fortfuhr.
"Du weißt selbst, daß nur meine Leute auch bei mir Kredit kriegen."
"Ist Visa akzeptabel?"
"Sieh an, der Herr ist zu Geld gekommen. Da kannst du deine Schulden ja gleich zurückzahlen."
"Deshalb bin ich hier."

Alex bahnte sich einen Weg durch die Leere des Raumes; ihre Schritte waren schnell und zeugten von Konsequenz.
"Miß Ingues, dies ist das letzte Mal. Ich komme nicht wieder."
"Ach ? Gut. Dann sei aber auch konsequent; den Satz hab ich schon mal gehört."
"So konsequent wie sie ?"
Mark fing sich einen ärgerlichen Blick ein; natürlich konnte er nicht sehen, was hinter der Sonnenbrille ablief, aber er hatte diesbezüglich seine Erfahrungen.
"Du willst echt aufhören, was ?"
"Tja, ein letzter Job und die Sache ist für mich gelaufen."
Alex zückte einen Schlüssel und drehte jenen in einem nicht erkenntlichen Schloß am Schreibtisch. Die rechte Wand erbebte kurz, dann senkte sich ein Teil nach unten ab und gab eine geheime Passage frei.

Der Gang führte ins Schlaraffenland.

Mark fand sich in einem wohlbekannten Raum wieder; das interne Waffenlager. Das war so ziemlich das einzige, was Alex verbessert hatte; ihr Vater hatte die Jungs immer quer durch die Stadt zu verlassenen Gebäuden gejagt, um ihre Ausrüstung abzuholen. Hier war alles ordentlich aufgereiht. Mark bewegte sich langsam durch die Reihen; ab und zu griff er nach einer Waffe, betrachtete sie lange und legte sie dann zur Seite. Zum Abschluß legte er seine eigenen Waffen zur Seite; seinen Trenchcoat warf er auf den Boden.

Zeit zum Aufrüsten.

Die Kampfmesser blieben an den Unterschenkeln; Colt und Desert Eagle gesellten sich auf je eine Hüfte. An den Seiten seines Torsos wechselte er die doch arg mitgenommenen MAC-10 gegen FN P90 aus. Schweren Herzens ersetzte Mark sein PSG-1 durch eine Waffe, die den Kampfbedingungen eher angemessen war; eine Koproduktion von Heckler & Koch und Winchester, das CAWS. Eine automatische Schrotflinte; ohne Probleme in der Lage dazu, jedes bekannte Wesen in winzig kleine Stücke zu zerteilen. Die meisten Treffer sind aufgrund des großen Kalibers sowieso tödlich; wenn dann auch noch ein 10-schüssiges Magazin voll ins Schwarze trifft - das würde eine Beerdigung extrem verkomplizieren. Das Kristallschwert kehrte zurück auf seinen Standort am Rücken; die Lösung mit dem Trenchcoat hatte für Mark doch zu wenig Stil gehabt und war außerdem unpraktisch, falls schneller Einsatz Gebot der Stunde wurde. Die alte Flakweste wich einem neueren Modell aus leichten Polymer-Verbundwerkstoffen. Alle sonstigen Taschen wurden eifrigst mit Magazinen gefüllt. Möglichst viel, denn so exotische Munition würde er wohl so schnell nicht wieder finden.

Mark betrachtete das wandelnde Waffenlager an seinem Körper, dann packte er alles in eine unauffällige und wasserdichte Sporttasche und kehrte mit Alex ins Büro zurück.
Klärung der Zahlungsmodalitäten war nicht unbedingt das, was Mark als seine Lieblingsbeschäftigung bezeichnen würde. Kunststück, hatte er doch höchstens ein Viertel der Einkäufe in seinem Leben bezahlt. Dennoch machte sich Verwunderung auf seinem Gesicht breit, als Alex die Kreditkarte nach kurzer Betrachtung auf den Boden warf.
"Stimmt was nicht ?"
"So billig kommst du mir nicht davon."
"Wird das eine dieser Noch ein Auftrag von mir - Geschichten ?"
Wenn sich der Gesichtsausdruck von Alex verändern konnte, tendierte er jetzt eindeutig in Richtung "stinkig".
"Du glaubst doch nicht, das du einfach abhauen kannst. Du warst so blöd, hier her zurückzukommen, und jetzt denkst du, daß du einfach wieder raus spazieren kannst, was ? Behandelst du alle so ?"
Mark roch den Braten. Cool bleiben. Nein. Jetzt erst recht. Er setzte ein Lächeln auf.
"Allgemein schon. Aber eigentlich ist ne allgemeine Antwort nicht zutreffend. Du bist als fiese Schlampe in meinem Bekanntenkreis einzigartig."

Soviel zur praktischen Anwendung von Charme.

Mark sah in Zeitlupe Alex rechte Hand unter die Schreibtischplatte greifen; das folgende hatte er schon oft miterlebt, und diesmal war er das Ziel. Um Deckung bemüht; ließ er sich nach hinten fallen und knickte seine Knie ein. Alles lief so langsam ab; wie im Tempel. Etwas oder jemand gab ihm Zeit. Seine Hand bewegte sich, zwar auch in Zeitlupe, aber doch sehr viel schneller als seine Umgebung. Er fühlte Stahl in seiner Hand; seine langen, dürren Finger umklammerten das Griffstück des Colts; sein Daumen wirkte mit brutaler Kraft auf den Hahn ein und zwang die Waffe zum Entsichern. Sein Blick schweifte zurück auf Alex, die in der Zwischenzeit ebenfalls ihre Feuerkraft erhöht hatte und gerade versuchte, seinen Schädel mit einer .357 Colt Python zu erfassen. Er fühlte den Aufprall auf dem Rücken und rang sich zu einem Schuß durch; kaum hatte seine Kugel den Lauf verlassen, hörte er den Knall eines weiteren Geschosses, das auf sich aufmerksam machen wollte.

Er betete, daß sein Schuß sitzen würde; Alex hatte noch niemals eine dritte Kugel gebraucht.

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11

Friday, 6. October 2006, 22:04

Teil 3 - Ausschiffen
"Reisepässe sind wie Kugelschreiber - wenn du mal einen brauchst, hast du den nicht dabei."

Während sich das Geschoß Kaliber 10mm langsam durch die stickige Luft bohrte, sah Mark die Kugel aus dem schweren Revolver auf ihn Kurs nehmen. Es lief immer noch alles so unsäglich langsam ab; Mark nutzte seine Chance und rollte zur Seite. Er fühlte die Kugel seinen Mantel streifen, hörte jedoch auch einen dumpfen Knall neben sich. Die Szenerie beschleunigte sich wieder, langsam, aber stetig. Etwas in ihm sagte Mark, dass jetzt die richtige Zeit zum Aufstehen sei; er stoppte die Drehung, als er wieder auf dem Rücken lag, und richtete sich mit Hilfe der Gewichtsverlagerung wieder auf - derselbe Trick, den er schon im Parkhaus in Korea angewendet hatte. Er brauchte einen Augenblick, um die Situation zu überblicken.

Der Schreibtisch glänzte im Sonnenschein mit frischem roten Belag.

Alex stand; nein, sie krümmte sich eher. Aus ihrer Hand tropfte Blut, der Revolver lag auf dem Boden. Sie verstand schnell, wie es aussah. Mark stand vor ihr, Waffe in der Hand - sie jedoch...Ihre Waffe auf dem Boden. Und ein heißes Bleigeschoß in ihrer Hand. Das war also Schmerz. Nicht der körperliche Schmerz; der Schmerz, die Kontrolle verloren zu haben. Der Schmerz, versagt zu haben. Vor allem die Erniedrigung, von diesem Penner geschlagen worden zu sein. Wie zum Teufel hatte er das angestellt ? Er war einfach unter ihrem Revolver weggesunken, hatte im Fallen ihre Hand angeschossen und war dann mit einer Drehung ihrer Kugel ausgewichen. Wie konnte ein Mensch nur so schnell sein ? Der Schmerz, diesmal rein körperlich, rief sie in die Realität zurück. Er stand immer noch da. Er würde nicht einfach verschwinden. Nicht ohne einen Kommentar wie...

"Ich hoffe, du akzeptierst Blei als Zahlungsmittel. Bleib ganz ruhig, sonst gebe ich dir noch Trinkgeld."

Mit langsamen Schritten näherte sich Mark der Tür, drückte die Klinke nach unten und bahnte sich seinen Weg nach draußen. Mit hastigen Schritten verließ er den Club; überraschend wenige Blicke galten ihm und seiner rauchenden Waffe. War schließlich üblich, dass im Hinterzimmer öfter mal Exekutionen stattfanden. Das Gespräch wäre fast auch eine von diesen geworden. Er hätte diese Schlampe erschießen können. Verdammt, er hatte es gewollt. Aber wegen ihm waren schon genügend Menschen gestorben. Vielleicht hatten sie ihn deshalb abgeschoben ? Weil er nicht der selbstlose heilige Asket war ? Ein kurzer Geistesblitz durchzuckte Mark.

Weil er nicht das blinde und gehorsame Schäfchen war. Weil er eine eigene Meinung hatte.

Und diese Meinung mußte verdammt gefährlich sein - immerhin, wäre sie es nicht, hätte man mit dem Abservieren doch wenigstens gewartet, bis der Job erledigt wäre. Sie konnten nicht warten. Irgendwer spielte ein Spiel mit Mark. Die Regeln unbekannt. Das Ziel unbekannt. Mark wußte nur, das er gewinnen mußte; nur wie ? Er brauchte Antworten. Oder ?
Offensichtlich gab es doch einen Weg zu gewinnen. Seine Mission ausführen. Ohne die Kräfte.

Er beschleunigte seine Schritte. Die Polizei würde bald hier die Gegend durchsuchen; er hatte die Zeiten noch im Blut. Sein Motorrad stand in greifbarer Nähe. Mit ein paar Handgriffen befestigte er die Sporttasche hinter dem Sattel und ließ sich auf selbigem nieder. Sonnenbrille zurechtrücken. Mark richtete das Motorrad auf und lockerte seine Finger. Er würde jedes Bißchen Geschicklichkeit brauchen, falls ihn die Cops erkennen würden. Und aus seinem Erfahrungsschatz waren verspannte Finger bei einer Flucht mit einem Motorrad noch nie eine besonders große Hilfe gewesen. Auf einmal ein Knattern. Der Motor sprang zwar nicht an; aber irgend etwas hatte den Anlasser betätigt. Mark setzte mit einem Tritt nach und weckte damit den alten Geist des Fahrzeugs endgültig auf. Das Gähnen war leise; relativ zum dann einsetzenden Brüllen. Der Motor heulte, als hätte ihn eine mystische Energie erfaßt. Ob das wohl noch Reste von Azuriels Macht waren ? Mark war es egal. Er hatte den Weg der Sterblichen gewählt; seine Magie waren jetzt Überschallgeschosse und seine Schutzzauber eine kugelsichere Weste.

Sein heiliger Blitz war eine Halbautomatik.

Die CAWS in der Tasche. Nicht gerade sehr stilvoll. Plastikgehäuse. Das Aussehen ungefähr wie ne Kreuzung aus einem Steyr AUG und einem H&K G11. Wieso hatten sie das Teil eigentlich nicht eingeführt ? Zu tödlich, ja. Das war die offizielle Presseerklärung. Eigentlich schon fast ironisch. "Versteh einer das Militär..." Die P90 von FN waren ja auch nicht sehr viel besser. Die angeblich fortschrittlichste Maschinenpistole der Welt. Ebenfalls relativ stillos, auch so eine Plastikwaffe. Leistungsfähig ohne Zweifel. Trotzdem nicht eingeführt. Warum wohl ? Mark wollte nicht darüber nachdenken. Politiker waren sowieso Idioten. Sie alle erzählten doch dasselbe, oder ? Warum wählen ? Sind doch alle gleich inkompetent. Er fühlte sich zutiefst deprimiert von diesem Gedanken. Kontrolle ist eine schöne Illusion.

Mit einem Seufzer stellte Mark fest, dass man sich in seinem Alter keine Ideale und Wunschträume leisten konnte. Sein Motorrad bewegte sich leise durch die leeren Straßen auf dem Weg zum Hafen. Höchste Zeit, seinen Weg fortzusetzen und seine Zeit hier hinter sich zu lassen. Mark drehte noch weiter auf und jagte den Drehzahlmesser in bedenkliche Höhen, während er Talent in der Fähigkeit zeigte, mehrere Verkehrszeichen gleichzeitig zu ignorieren. Von hinten erschallende Sirenen kündigten an, dass er ein Stopp-Schild zuviel ignoriert hatte. Mark gab seinem Roß die Sporen und passierte den weiteren Weg zum Hafen mit etwa 4 Polizeiwagen im Anhang, 160 auf dem Tacho und einer sicherheitstechnisch sehr bedenklichen Kurvenlage. Beim Einbiegen in den Hafen demonstrierte er zugleich den hohen Qualitätsstandard seiner Scheibenbremsen.

Die FBI-Einheit, die einen ganzen Pier besetzt hatte, war sicher nicht wegen dem Schild hinter ihm her.

Mit einem Fluch lenkte Mark nach rechts in Richtung Wasser und gab Stoff; sein Vehikel bretterte - im wahrsten Sinne des Wortes - über einen offensichtlich historischen Holzpier. Jetzt würde er ihnen eine zirkusreife Einlage bieten; geübt hatte er relativ lange dafür, aber er hatte es noch nie ausprobiert. Egal, nun war jede Idee, egal ob gut oder schlecht, willkommen. Er hob seine Beine von den Fußrasten und setzte sie auf den Lenker; beseelt von der Überzeugung, dass er so die Fahrtrichtung unter Kontrolle halten konnte. Der einsetzende heftige Beschuß blieb dank dem kleinen Ziel und der hohen Geschwindigkeit wirkungslos. Mark wartete noch 5 Sekunden; dann sprang er mit einem Salto rückwärts ab und landete auf seinen Füßen, während das Motorrad - mit völliger Ignoranz vor antiker Bauleistung - durch die hölzerne Abgrenzung krachte und effektvoll im Hafenbecken versank. Mark suchte Deckung hinter einer rein zufällig hier abgestellten Ladung voluminöser und kugelsicherer Kisten; seine ganze Hoffnung basierte darauf, dass "er" als Wasserleiche das Hafenbecken dekorierte.

Eine kurze Salve von der Seite überzeugte ihn, dass sein Gegner offensichtlich des Begriffes "Nachtsichtgerät" kundig war.

Mark zückte die CAWS und lud ein frisches Magazin. Der Pier mit den Polizisten war etwa 100m entfernt, und die Schrotmunition dürfte wegen der kugelsicheren Westen wohl auch nicht tödlich wirken; aber für Deckung müßte es ausreichen. Er streute etwas Garbe über den gegenüberliegenden Pier; obschon er dank Mündungsklettern niemanden traf, zerstörte er die Infrarotscheinwerfer und machte damit die passiven Nachtsichtgeräte unbrauchbar. Zufrieden mit dem genialen Ausführung einer primitiven Lösung sicherte er die Waffe und verpackte sie wieder in der Sporttasche; lange dürfte die Aktion nicht dauern. Auch die Pistolen und die Munition landeten darin; das Schwert war zu lang dafür und sowieso keine Waffe, die man in einer Tasche trug, also landete es wieder in der Scheide am Rücken. Mark lugte kurz aus der Deckung, dann begann er seinen Sprint; dieser fand ein abruptes Ende, als ein kleines metallenes Objekt vor ihm auf dem Pier landete. Mit einem beherzten Sprung rettete er sich auf die Absperrung; die Granate zeigte sich wenig beeindruckt und zündete. Die Wucht der Fragmentierladung riß Mark mit sich und warf ihn in das Hafenbecken.

Der Aufprall im eiskalten Wasser raubte ihm endgültig das Bewußtsein.

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12

Friday, 6. October 2006, 22:06

Teil 4 - Treibgut
"Rettung ist subjektiv."

Die Kälte umarmte Marks leblosen Körper.

Er befand sich jetzt schon seit Stunden in einem gefährlichen Dämmerzustand; seine Körpertemperatur war bedenklich gesunken, und seine Finger hielten sich krampfhaft an einem größeren Stück Treibholz fest. Er hatte sich mit letzter Kraft daran geklammert und war dann, solange es ging, blind vorwärts geschwommen. Der einsetzende Nebel hatte ihn vor dem FBI geschützt, aber auf lange Sicht würde er sich hier nicht halten können. Die Kleidung war völlig durchnäßt, die Tasche mit Marks Waffen stand triumphierend auf dem großen Holzstück. Mark fühlte seine Beine kaum noch, trotzdem versuchte er, weiterzuschwimmen. Er bewegte sich noch ein paar Meter; dann gab er auf. Er fühlte seine Arme kaum noch; nur die Krämpfe hielten ihn überhaupt noch am Holzstück fest. Alles, was er fühlte, war sein Herz. Es schlug langsam und ruhig. Zu ruhig. Mark versuchte, sich irgendwie zu bewegen, aber sein Körper war starr wie das Holz, an dass er sich klammerte.

Stockend, aber unaufhaltsam schlossen sich seine Augen.

Unendlich langsam kam Mark wieder zu sich. Seine Umgebung war...weiß. Er blinzelte; nein, er war nicht tot, er befand sich in einer Art Raum. Mit dem Einsatz seiner gesamten Willenskraft richtete er sich auf und schaute um sich. Er lag in einem Bett auf einer spartanisch eingerichteten Krankenstation und schaute in die versteinerten Gesichter von zwei Männern, beide in Uniform.

"Wo bin ich ?" Einer der Männer mit einem grauen, struppigen Schnurrbart und einem stark gefurchtem Gesicht erhob seine Stimme.
"An Bord der USS Valiant. Wir haben sie aus der See gerettet; eventuell könnten sie mir erklären, was sie mit dieser Tasche dort zu tun haben ?"
Mark erkannte die Sporttasche; sie sah mitgenommen aus, war aber ansonsten intakt.
"Warum sollte ich ihnen das erzählen ? Sie glauben mir ja doch nicht."
"In diesem Punkt haben sie Recht. Nehmen sie es nicht persönlich, aber ich vertraue Schwerverbrechern allgemein nicht."
Mark antwortete mit einem Schweigen. Seine Identität war offensichtlich kein Geheimnis mehr.
"Lt., führen sie ihn zur Arrestzelle. Er wird im nächsten Hafen ausgeliefert."

Im Hinblick auf seinen Zustand und die Waffe des Soldaten entschied sich Mark gegen einen Fluchtversuch und folgte den Anweisungen des ansonsten schmächtigen Offiziers.

Mit einem dumpfen Knall schloß sich die Zellentür hinter ihm. Mark durchsuchte seine Kleidung; nein, sie hatten seine gesamte Ausrüstung konfisziert. Wie würde er sich aus dieser Situation befreien ? Die Zelle um ihn herum bestand eigentlich nur aus Gitterstäben und zwei Wänden; damit war jede seiner Aktionen sichtbar. Mit einem Geistesblitz veränderte sich sein Gesichtsausdruck zu einem leisen Lächeln. Nur eine Wache. Es müßte funktionieren. Mark bewegte sich auf die Gitterstäbe zu und umfaßte sie mit einer Hand. Seine Einschätzung der Wache erwies sich als richtig; der kräftig gebaute Mann zog einen Schlagstock aus seiner Gürtelhalterung und holte aus. Der Stock wirbelte durch die Luft; auf dem Weg, Marks Finger zu brechen. In letzter Sekunde zog Mark seine Finger vom Stab und packte mit seiner anderen Hand den Arm des Soldaten; mit einer schnellen Bewegung zog er die Wache gegen die Gitterstäbe. Der Aufprall raubte dem Mann sowohl Bewußtsein als auch Lächeln. Ohne größeren Aufwand fischte er die Schlüssel aus der Hosentasche des Uniformierten und öffnete die Zellentür. Der Soldat hatte keine Waffen bei sich, und seine Uniform war für Mark zu groß. Frustriert schleppte er den nutzlosen Körper in die Zelle und verriegelte die Tür. Wenigstens hatten sie ihm die Sonnenbrille gelassen.

Um das Leben als das zu begreifen, was es ist, braucht man ´ne verdammte Sonnenbrille.

Mark bewegte sich so leise wie möglich durch die Gänge. Er brauchte seine Ausrüstung. Verflucht, er brauchte irgend etwas zum Kämpfen. Ein Kampfmesser. Ein Schlagring. Oder das Schwert... Auf einmal beschlich Mark ein schlechtes Gefühl. Es war zu ruhig hier.

Die Vögel hören auf zu singen, wenn der Tiger durch den Busch schleicht.

Mark drückte sich gegen die Wand und reduzierte sein Atmen auf ein Minimum. Hinter dieser Ecke war jemand, und er wartete auf Mark. Irgendwie hatte die Wache wohl stillen Alarm gegeben. Mark schmiegte sich noch enger an die Wand und wartete eine Minute. Ohne Vorwarnung hielt jemand eine H&K MP5 um die Ecke und gab Sperrfeuer. Mark hielt sich nahe der Wand und entging so einem vollen Magazin 9mm Parabellum. Nach ein paar Sekunden war der Spuk vorbei. Jetzt oder nie. Mark griff nach der Schußwaffe und zog mit einem Ruck daran; der überraschte Schütze stolperte um die Ecke. Mark zog noch einmal und hatte dann die Maschinenpistole in der Hand; ohne weitere Überlegung warf er sie zur Seite und versetzte dem vor Überraschung gelähmten Soldaten einen schnellen Tritt in die Magengrube. Der Luft beraubt, stürzte jener zu Boden; Mark setzte noch mit einem Handkantenschlag auf den Hals nach, dann regte sich der Soldat nicht mehr. Der Paladin suchte nach nützlicher Ausrüstung und fischte vier volle Magazine für die Waffe aus der Weste des Überwältigten. Mit einem Lächeln steckte er sie ein und trat dann ein paar Schritte zur Seite, um die Waffe aufzuheben.

Wohin nun ? Er würde unmöglich alle Soldaten ausschalten können; und er würde dieses Schiff wohl kaum unter seine Kontrolle bringen können. Unschlüssig schlich Mark einige Minuten durch die Gänge. Aus einem der Räume drangen Stimmen; Mark näherte sich der schweren Stahltür und betrachtete das Schild.

"Waffenkammer - Zutritt nur mit Sondergenehmigung".

Der Paladin lächelte, während seine Hand langsam der Türklinke auf ihrem Weg nach unten Gesellschaft leistete. Mit einem Ruck öffnete jemand von innen die Tür; Mark stolperte förmlich in den Raum hinein und schaute mit Verwunderung in 3 ebenfalls von Überraschung gezeichnete Gesichter. Dummerweise hält Überraschung niemals mehr als ein paar Sekunden an. Mit schnellem Griff langte ein Soldat nach seiner Pistole und erreichte ihren Griff; kurz davor, sie zu entsichern und zu ziehen. Ein grober Fehler seinerseits, bedenkt man die Tatsache, das Mark seine Waffe bereits im Anschlag hatte. Reflexartig überwand Mark den Abzugswiderstand der Maschinenpistole und sättigte die Luft mit 9mm - Geschossen. Ein paar Sekunden später hörte die Waffe von selbst auf zu feuern; das trockene Magazin hatte seine Aufgabe bestens erfüllt und ohne Ladehemmung 30 Schuß geliefert. Der Schlagbolzen hatte 30 Schuß verfeuert. Und die drei Soldaten - oder was von ihnen übrig war - hatten alle 30 Schuß abgefangen.

Soviel dazu.

Die Schränke hielten Marks Argumenten nicht lange stand, obwohl sie mit einer durchschnittlichen Ausdauer von drei 9mm-Kugel einen guten Kampf lieferten. Endlich wieder um seine ursprüngliche Ausrüstung reicher - und um eine Viertelstunde zwecks ordnungsgemäßem Anlegen ärmer - konnte Mark seinen Weg fortsetzen. Endlich wieder mit Trenchcoat, kugelsicherer Weste und Langschwert vereint zu sein stärkte seine Moral enorm; allerdings half es kaum bei der Formulierung eines Fluchtplanes. Er mußte irgendwie von diesem Schiff herunter und seinen Weg fortsetzen. Aber wie kann man auf hoher See ein Schiff verlassen und eine mehrere Tage dauernde Seereise fortsetzen - noch zumal mit schwerem Gepäck ?

Rettungsboote.

Mark bewunderte seine eigene Genialität für einen Augenblick, dann machte er sich an die konkrete Ausführung des Plans. Wobei Plan hier ein sehr frei verwendeter Begriff ist; in diesem Falle wäre die Bezeichnung "Primitive Kampftaktik" wohl passender. Auch auf dem nächsten Deck bewieß sich, dass da, wo Flankieren, Schleichen oder gezielte Einzelschüsse Fremdwörter sind, automatische Waffen dennoch zu einem Teilerfolg führen können. Marks Gegner waren offensichtlich nicht ganz mit dem Konzept der bewaffneten Kriegsführung vertraut - wimmernd in Deckung gehen und um Gnade winseln war noch nie eine gute Taktik, besonders nicht, wenn man einem mutmaßlichen Massenmörder gegenüberstand. Zu ihrem Glück kam die Wachtruppe dieses Decks mit dem Leben und ein paar "KO durch Kolbenschlag auf Hinterkopf" davon.

Das Schicksal kann grausam sein; um genau zu sein, war es das auch in diesem Moment. Offensichtlich enthielt dieses Schlachtschiff auch ein paar Soldaten, die keine taktischen Spätzünder waren. Deren Einfallsreichtum mußte man durchaus bewundern; leider war Mark nicht in der Lage dies zu tun. Ihn trafen immerhin die Konsequenzen dieser Aktionen.

Und eine Blendgranate, die zwei Meter vor einem zum Liegen kommt, hatte bisher noch jedem die Stimmung verdorben.

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Friday, 6. October 2006, 22:08

Teil 5 - Die Insel

"Robinson ? Mach keine Scherze. Der Typ hatte es EINFACH."

Haushaltskürzungen beim Militär; Mark erinnerte sich daran, daß er noch vor wenigen Monaten dagegen gewettert hatte. Nun war er doch erfreut, daß der Regierung ein paar Obdachlose offenbar wichtiger waren als das Militär. Sparte man also an Ausrüstung oder Ausbildung ? Jedenfalls konnte sich die Granate nicht recht zur Detonation entscheiden, aus welchem Grund auch immer. Überzeugt davon, daß sie ihre Meinung jederzeit ändern könnte, warf sich Mark neben den Irritationssprengsatz und beförderte ihn mit einem kräftigen Wurf in den nächsten Raum. Er fand sich selbst bestätigt, als ein grelles Licht aus eben jenem erstrahlte. Ohne weitere Zeitverschwendung griff er nach der MP5 und richtete sich auf.

Gerade noch mal gutgegangen.

Nach schneller Passage der Treppen über 2 Decks (was natürlich nur einem Helden wie Mark in einer Rekordzeit von 2 Minuten gelingen konnte) befand sich unser Held vor der alles entscheidenden "Tür nach draußen", die er - wohl dank traumatischen Erlebnissen mit Zahnpasta - durch einen Fußtritt öffnete. Auch hier entschlossen sich spontan sämtliche anwesenden Soldaten für ein Feuergefecht, offensichtlich in völliger Ignoranz der Etiquette. Nun ist es einerlei, zu feuern - treffen jedoch ist, wie jeder Sofarambo bestätigen könnte, eine Herausforderung ganz anderen Kalibers - im wahrsten Sinne des Wortes. Während sich also um Mark herum die Bleisalven munter in die gesamte Wand hinter ihm bohrten, wirbelte er mit bewunderswerter Beweglichkeit zur Seite.

Nur die nächste Wand vermochte, seinen Tanz zu stoppen.

Der Feststellung, dass sich eine MP5 auch mit einer Hand halten läßt, folgte nahezu unmittelbar ein Griff an das nächste Geländer. Behende schwang sich Mark darüber und stürzte sich auf das circa 5 Meter tiefer liegende Deck; sein von Ausrüstung beschwerter Mantel bewegte sich durch die Luft mit der Eleganz eines in Flüssigbeton ertrinkenden Blauwals. Trotz des Höhenunterschieds (nicht zu vergessen des Gewichts eines ganzen Waffenarsenals) landete Mark relativ unbeschadet auf dem Boden; schon geduckt eröffnete er das Feuer. Dem Stakkato der Feuerstöße folgten kurze Schreie, solange er die in seinen Händen schüttelnde Waffe in einem gewaltigen Bogen schwenkte. Die darauf folgende Stille brachte Gewißheit...niemand in der Nähe war mehr in der Lage dazu, seinen artistischen Einlagen zu applaudieren. So schnell wie möglich warf Mark die Waffe zur Seite und sprintete zum nächsten Rettungsboot; ohne auch nur abzubremsen erhob er sich dank konzentrierter Sprungkraft in die Luft und landete in jenem Vehikel. Instinktiv - wobei etwas Überlegung hier jedoch eventuell angebracht gewesen wäre - fuhr Mark herum; in der Bewegung zog er sein Schwert und - traf die Aufhängung eines Seils. Nun ist es durchaus nicht verkehrt, wenn man beide Seile durchtrennt; leider jedoch löste sich durch den ungezielten Schlag nur eines.

Den Gesetzen der Schwerkraft folgend änderte das Rettungsboot seine Lage zur Vertikalen.

Mark verdankte es seinen Reflexen - sowie temporären Geistesgegenwart -, dass er sich mit seiner linken Hand am Boot festhielt. Entsprechend dumm war es natürlich, dass er nun sein gesamtes Gewicht nur auf einer Hand ausruhte und nicht in der Lage war, mit seinem Schwert das zweite Seil ebenfalls zu durchtrennen. Unter immenser Kraftanstrengung sicherte er sein Schwert wieder in der Scheide auf seinem Rücken und erfasste das Rettungsboot mit seiner zweiten Hand. So schnell, wie es seine Hände und Füße erlaubten, bahnte er sich einen Weg nach oben zur Halterung des zweiten Seils. Erneut stellte er seine Beweglichkeit unter Beweis, indem er seinen rechten Fuß auf den Rücken hob und mit der rechten Hand eines seiner Kampfmesser aus der Scheide zog. Spätestens jetzt mußte der Anblick sehr skuril wirken; mindestens eine halbe Minute lang säbelte Mark an dem Seil herum.

Nach besagter Zeit verlor das Seil die Lust am Mitspielen und entließ das Boot samt Mark in die Fluten des Ozeans.

Glücklicherweise - für Mark, nicht für den schadenfrohen objektiven Beobachter - wies das Boot zwei Eigenschaften auf. Zunächst war es wohl stark buglastig, was die Neigung während des Falls quasi ausglich. Zweitens behielt es trotz der mehr als unglücklichen Umstände die Balance bei; im Endeffekt saß - oder besser, lag - Mark nun in einem halbwegs seetüchtigen Fahrzeug, um Erfahrung und ein halbes Dutzend blauer Flecken reicher. Ohne weitere Umschweife startete Mark den Motor des Bootes und entfernte sich von dem - bereits seit mehreren Minuten sehr ruhigen - Schlachtschiff.

Direkt hinein in das offene Meer.

Nachdem Mark nun eine für sein Gewissen ausreichende Distanz zwischen sich und seine Häscher gebracht hatte, stellte er den monoton röhrenden Motor ab und beäugte seine Umgebung. Wasser, Wasser ... und, nicht zu vergessen, Wasser. Nachdem sich also eine Waldwanderung oder ein Stadtbummel nicht gerade anboten, entschied sich Mark dafür, den Tag so zu beenden, wie er angefangen hatte - in völliger Bewußtlosigkeit. Allerdings konnte er nicht recht schlafen; höchstwahrscheinlich, weil seine letzte Mahlzeit schon etwas länger zurück lag. Ohne Respekt vor dem Eigentum anderer Leute bediente sich Mark aus den Notvorräten des Bootes und hatte sich bald mit wasserdicht verpacktem Toastbrot, versiegelten Salamischeiben und überlebenskampftauglichem Käse ein Sandwich zusammengestellt, daß er auch schleunigst und unter völliger Missachtung von Tischmanieren verspeiste. Derart gestärkt sank er bald in einen ruhigen, wenn auch nicht besonders bequemen Schlaf. Eventuell hätte ihm jedoch jemand erzählen sollen, dass er sich mit seiner Flucht geradewegs in den jahreszeitlich recht starken Golfstrom manövriert hatte.

Und ohne Motor in einem Strom zu sein ist wie auf einem Fließband parken.

Entsprechend überrascht war Mark dann auch, als er am nächsten Tag - oder besser gesagt, in der nächsten Nacht - inmitten eines Nebelfeldes aufwachte. Obwohl die Standortbestimmung sich bei einer Sicht unter 100 Metern schwieriger als sonst erwies, folgerte Mark, daß ihn die Strömung weiter nach Osten getrieben hatte. Auch ohne Kompaß, Sextant oder Satellitennavigation konnte er sich dessen sicher sein; denn inmitten des Nebels ragte vor ihm eine gewaltige Ölbohrplattform aus dem Meer. Aus der Ferne schallte ein Dröhnen, wie es nur ein Hubschrauber erzeugen konnte.

Ihm blieben also höchstens ein paar Minuten, um den Flug zu erwischen.

Der Motor seines Bootes heulte wieder auf; er steuerte direkt auf einen der gigantischen Pfeiler des Konstrukts zu und stoppte an einer kleinen Plattform, von welcher aus eine Leiter nach oben führte. Schnell entschlossen begab sich Mark von Bord des Bootes und begann mit der Sommererstbesteigung der Bohrinsel. Die Minuten schienen ihm endlos, ebenso wie die Leiter nach oben; aber schließlich hatte er sich nach oben gequält und bewunderte seine Leistung mit einer - sein Ego sanft streichelnden - Selbstüberschätzung, wie man sie heutzutage nur selten findet.

"Na, Sir Edwards, wer ist jetzt der Bergsteiger ?"

Mark fühlte sich kaum überrascht, als er einen Blick auf seinem Rücken spürte. Wieso ausgerechnet in solchen Situation immer jemand hinter ihm stand ? Er wußte keine Antwort auf diese Frage; weitere Überlegungen mußte er jedoch als akademisch einstufen, als sich hinter ihm eine Stimme erhob.
"Wer zum Teufel sind Sie ?"
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt verlor Mark sein letztes Fünkchen Geduld. Er stand nun in seinem schwarzen Trenchcoat auf der Plattform, sein Schwert hing deutlich sichtbar in der Scheide auf seinem Rücken - und irgendein Idiot hinter ihm fragte doch tatsächlich, wer er sei ! Besagter Idiot, hörte nur noch "Der Weihnachtsmann !", bevor ihm Mark mit einem gezielten Tritt in den Solar Plexus das Bewußtsein raubte. Er versetzte dem kampfunfähigen Mann noch einen Handkantenschlag auf sein Genick, dann schlich er weiter.

"Wenn das hier alles solche Idioten sind, dann wird das ein Spaziergang."

Nun waren die folgenden Sekunden tatsächlich ein Spaziergang; allerdings wohl eher aus dem Grund, das die restlichen Bewohner der Bohrinsel schlau genug waren, einen Mann mit einer automatischen Schrotflinte nicht zu widersprechen. Entsprechend ruhig verhielten sich die Männer auch bei der Landung des Hubschraubers, dessen Pilot leichtsinnigerweise sofort seinen Sitz verließ, um seine Kollegen zu begrüßen. Dummerweise starrte er schon nach wenigen Sekunden in den verchromten Lauf von Marks Waffe. Dieses Argument überzeugte ihn dann auch in wenigen Sekunden, das man Männern mit Sonnenbrillen aufmerksam zuhört, immer schön nickt und am besten alle paar Sekunden "Wie sie wollen", "Kein Problem" oder "Mach ich" sagt. Nachdem sich die Zwei auf ein Geschäft geeinigt hatten - Freiflug nach England gegen die Garantie, abends lebend zu Hause anzukommen - , erhob sich der Hubschrauber wieder in die Lüfte und begann seine Reise zum Vereinigten Königreich.

Als die Arbeiter den Vorfall meldeten, waren sich die zuständigen Behörden einig, welcher Mann mit Trenchcoat, Breitschwert und schweren Waffen gerade einen Freiflug in die Europäische Union gewonnen hatte.

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14

Friday, 6. October 2006, 22:08

Teil 6 - Nachtschicht
"In absoluter Dunkelheit ist selbst das kleinste Licht von weitem sichtbar."

Zischen unterbrach die Stille des kleinen Waldstücks. Die Herde von Rehen blickte nach oben und starrte gebannt auf ein wundersames Tier, mit glänzendem Fell und sich schnell bewegenden Flügeln. Mit einem lauten Schrei landete der seltsame Vogel auf der Lichtung; bald entstieg ihm eine weitere seltsame Gestalt in schwarz. Die Rehe hatten genug gesehen und begannen die Wanderung zu einem anderen Flusslauf.

Denn Silbervögel brachten immer Ärger mit sich.

Mark fühlte sich in dem Wald an seine Jugend erinnert; zugegebenermaßen erinnerte ihn fast jeder Wald an seine Jugend. Aber dieser hier hatte das besondere Etwas. Rehe. Glücklicherweise hielt das Sandwich noch vor; Mark sah also von unnötiger Schrotbewegung ab und ließ die Herde in Ruhe, während er sich langsam einen Weg durch die endlosen Schatten der Bäume bahnte.

1000$ für ne Kettensäge.

Der Spaziergang verlief ohne Zwischenfälle - da offenbar selbst Mücken und Zecken vor den schweren Waffen lieber den Rückzug wählten. Und zwei Stunden lassen sich gut mit Fluchen und Steine-aus-dem-Stiefel-fischen verbringen. So begab es sich, das Mark nach besagter Wanderung an einer Strasse ankam. Mark positionierte sich strategisch günstig an der linken Straßenseite, was jedoch keinen großen Aufwand nach sich zog, da er sich zufälligerweise bereits auf jener Seite befand und selbst ihm eine Straßenüberquerung zum Selbstzweck als Zeitverschwendung erschien. Diese Szenerie voller langweiliger Passivität währte jedoch nicht lange, denn aus dem Süden näherte sich bereits ein erstes Opf...pardon, eine erste Mitfahrgelegenheit. Was tun also ?

Schrotflinte senken, Daumen heben und Lächeln.

Von allen möglichen Autotypen musste es ausgerechnet ein schwarzer Pickup sein; exakt der Typ, mit dem Mark vor wenigen Wochen erst ein unfreiwilliges Radikalseminar zum Thema "Selbstmord prima selbst gefälscht" belegt hatte. Die Tatsache, dass sich der Fahrer tatsächlich traute, für Mark anzuhalten und ihn mitzunehmen, sagte eine ganze Menge über britische Werte aus, wie Hilfsbereitschaft. Allerdings wurde dem Fahrer - übrigens zum allem Übel noch ein Angestellter der US-Botschaft - schlagartig bewusst, das "Hilfsbereitschaft" und "Blödheit" nur durch einen sehr dünnen Strich getrennt werden konnten. Naturgemäß erwies sich eine Diskussion über die Person und Motivation von Mark als fruchtlos...einerseits, da ihn der Mann nach wenigen Sekunden als einen der meistgesuchtesten Schwerverbrecher überhaupt identifizierte, und andererseits, weil beständiges Rumfuchteln mit großkalibrigen automatischen Handfeuerwaffen jede Diskussion im Keim erstickt, was der geneigte Leser jedoch sicherlich auch aus eigener Erfahrung weiß.

Entsprechend ruhig verlief auch die weitere Fahrt nach London; unter der Perspektive, dass selbst die falsche Abfahrt zu einem blutigen Ableben führen könnte, ist Konversation - wie oben dargelegt - nun einmal wenig sinnvoll, und da Mark aus unbekannter Ursache eine Abneigung gegen sämtliche britischen Radiosender an der Tag legte, hatte sich auch die Frage der musikalischen Untermalung erledigt. Obwohl, wie jeder Klassikfan bemerken dürfte, hier wohl statt "Hummelflug" wohl auch eher "Flucht vor Hummeln" das Thema bestimmt hätte.

Dadurch war der Pickup wohl der einzige Wagen in London mit mehreren männlichen Fahrgästen, in dem weder über Sport noch über Fernsehen oder die Fahrkünste von Frauen diskutiert wurde.

Nachdem Mark an einer Metro-Haltestelle ausgestiegen war - und sich mit einem Schlag auf den Hinterkopf verabschiedet hatte - , bediente er sich großzügig am nächsten Bankautomaten und organisierte sich eine Tageskarte für die U-Bahn. Glücklicherweise hatte sich die Kunde vom schwarzen Mann noch nicht bis zu den Sicherheitskräften der Verkehrsgesellschaft durchgeschlagen, so dass Mark unbehelligt blieb. Er verließ die Station mit der nächsten Bahn nach Soho und hinterließ nur sein patentiertes Lächeln auf dem Film einer Überwachungskamera.

In der Bahn jedoch war - aus einem Mark unbekannten Grund - kaum ein Fahrgast; Mark war selbst alleine in einem Wagen und nutzte die Gelegenheit zu einer kurzen Inventur.

Über das Öffnen des Reißverschlusses kam er allerdings nicht hinaus; der Zug bremste abrupt unter Abgabe ungesunder Geräusche. Mark erfuhr am eigenen Leibe, dass eine plötzlich ansetzende Fliehkraft nicht nur zu Schwerelosigkeit, sondern auch zu blauen Flecken führen kann - aufgrund der Tatsache, das sich nach einer kurzen Flugphase meist ein Hindernis in Form einer Wand in den Weg stellt. Marks Talent für das Entkommen aus Situationen wie dieser verhinderte ernsthafte Verletzungen, so dass Mark sich nach kurzer Zeit auf der Strafbank der Nachforschung zur Ursache dieser Bremsung widmen konnte.

Bereits im nächsten Wagon zeigte sich für Mark, das er wohl als einziger Glück bei der Bremsung gehabt hatte. Zum Beispiel war bei ihm kein Feuer ausgebrochen. Soviel Glück hatte ein Fahrgast hier nicht; er presste sich in eine Ecke und versuchte, sich mit einem Kleidungsfetzen den Rauch vom Leib zu halten. Nun sprach sich das Glück doch noch für den Passagier aus; er hatte offensichtlich Marks wohltätige Phase erwischt. Selbiger bahnte sich langsam einen Weg durch die Trümmer. Wenige Meter vor dem eingeschlossenen Mann jedoch zeigte die Feuersbrunst soziapathische Tendenzen und formierte sich zu einer Stichflamme bedenklicher Proportionen, die auch in ihrer Orientierung - direkt auf Mark gerichtet - keinen Anschein von Gastfreundschaft machte.

Zu seiner eigenen Überraschung bewies Mark, das manchmal das Heben einer Hand eine Situation entschärfen kann.

Als er nämlich nach wenigen Sekunden seine Augen wieder öffnete, sah er sich nicht mehr konfrontiert mit einer Stichflamme. Ihm gegenüber befand sich nun eine massive Eismasse, die nach kurzzeitigem Sieg über die Schwerkraft zu Boden stürzte und - wie jede andere mehrere Kubikmeter einnehmende Eismasse dies auch tun würde - in tausend kleine Eisstücke zersprang. Gleichsam erging es auch den anderen Flammenkörpern, die unter mysteriösem Einfluss nicht nur ein paar hundert Grad Celsius Temperatur verloren, sondern auch feste Gestalt gewonnen hatten.

Ohne weitere Verzögerungen entfernte der Fahrgast seine provisorische Stoff-Gasmaske und richtete sich auf.

"Wer sind sie ?"
"Mark Simmons."
"Der Mark Simmons ?"
"Nein, eigentlich bin ich der Weihnachtsmann. Natürlich bin ich der Mark Simmons. Und jetzt gehen sie mir aus dem Weg, ich habe den vagen Verdacht, das dieser Unfall keiner ist."

Der Mann hob die Hände und trat in die Ecke zurück, während sich Mark an der Tür zu schaffen machte.

"Was machen sie da ?"
"Was wohl ? Ich versuche, diese verdammte Tür zu öffnen."
"Sie ist verschlossen ? Wie kann die Tür nur verschlossen sein ? Denken die denn gar nicht an die Sicherheit der Fahrgäste ?"
"Eigentlich ist sie eher vom Aufprall verbogen. Aber keine Angst, ich habe einen Schlüssel."
"Einen Schlüssel ?"
Auf das Stichwort hin zog Mark seine Desert Eagle aus einem Holster, zielte auf die Tür und gab drei Schüsse ab.
"Desert Eagle, fünfziger Kaliber. Die Mutter aller Schlüssel."

Die Tür hatte keine Lust mehr mitzuspielen und kippte - im wahrsten Sinne des Wortes - aus den Angeln.

Die nächsten paar Wagons waren leer; die Lok jedoch hatte offensichtlich den Großteil der Wucht eines Aufpralls abgekriegt und war völlig deformiert. Zwischen verbogenem Metall, gesplittertem Plastik und ausgerissenen Kabeln lag der Lokführer, oder zumindest das was von ihm übrig war. Angewidert wandte Mark sich ab; sein Blick richtete sich auf den Tunnel vor ihm. Ein nahezu beispielloses Chaos entfaltete sich dort; Strom- und Gasleitungen waren gerissen und hingen quer durch den Tunnel; das Gewölbe war etwa einhundert Meter weiter vollkommen eingestürzt - und von den Schienen war beim besten Willen kaum noch etwas zu sehen.

Ins Auge stach jedoch ein gewaltiges Loch in Boden, aus dem der Gestank geronnenen Blutes aufstieg.

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15

Friday, 6. October 2006, 22:09

Teil 7 - Untergrund
"Ich will gar nicht wissen, was ich sehen werde, wenn hier das Licht angeht..."

Marks Weg führte ihn in die Grube; sicherheitshalber entsicherte er die CAWS. Nach eigener Schätzung befand er sich etwa fünfzig Meter unter der Erdoberfläche. Die Hitze wurde langsam unerträglicher, und der Blutgeruch in der Luft trug auch nicht besonders zur Luftgüte dieses Schachtes bei. Sorgfältig bahnte sich Mark einen Weg durch den schlammigen Boden.

Ein Schrei.

Mark beschleunigte seine Schritte und gelangte in eine größere Höhle, in dem sich ihm ein Bild des Schreckens offenbarte. Der Hohlraum wurde erleuchtet von Hunderten weißer Kerzen, die in offenbar zufälliger Ordnung auf den nicht wenig vorhandenen Steinen und Felsen aufgepflanzt waren. Etwa ein Dutzend Menschen (oder zumindest menschenähnliche Geschöpfe) hatte sich in dem Raum verteilt und kniete in Richtung Raummitte, wo sich eine Spalte nach unten auftat - dem Leuchten nach bis zum flüssigen Erdmantel. Davon überzeugt, daß bei solch einem Schauspiel wohl alle Bedingungen auf seiner vom Fernsehen geprägten Checkliste für teufelsanbeterische Zeremonien erfüllt waren, machte sich Mark daran, die Hauptrolle bei diesem Schauspiel persönlich von der Crewliste zu streichen.

Nur, wie unterbricht man so eine Zeremonie eigentlich ?

Die Frage reduzierte sich vor Marks Augen auf rein akademischen Stellenwert, als sein rechter Fuß gegen einen Stein stieß, welcher dann sofort in Richtung Spalte segelte und lärmerzeugend nach unten fiel. Nun weiß jeder, daß Steine nicht von alleine durch die Luft fliegen (zumindest hat es keiner je beobachtet); leider traf das auch auf die nette Kaffeegesellschaft in der Höhle zu, die ihre Blicke auf den Nebeneingang der Höhle wandte. Der Nebeneingang, wo Mark sich gerade fragte, wie er diese Situation wohl am besten lösen könnte.

"Wer wagt es, unsere Zeremonie zu stören ?"
"Zeremonie ? Das nennt ihr eine Zeremonie ? Genauso gut könntet ihr ein Küchenmesser als Langschwert bezeichnen !"
"Du, Todgeweihter, solltest deine Fragen mit etwas mehr Anstand stellen, sonst wirst du ewige Qualen erleiden !"
"Danke, Mr. Freizeit-Dämonenbeschwörer, aber ich hab mir schon in Koreas Sümpfen Fußpilz geholt."
Nach dieser Zurschaustellung seines diplomatischen Feingefühls erhob Mark seine Waffe.
"Und wenn ihr euch jetzt nicht verzieht, erleidet ihr den Fluch der Bleivergiftung !"
Diese Aussage wurde sekundiert von einer Erschütterung der Erde; das aus der Spalte dringende Licht wurde intensiver, und der Schrei von vorhin ertönte wieder.
"Soll sich doch Ka-Zur um dich kümmern !"; mehr hörte Mark nicht mehr, bevor die anderen die Höhle verließen.

Eine mit Krallen bestückte Hand erhob sich aus der Spalte und suchte Halt auf dem felsigen Untergrund; Mark machte sich eine geistige Notiz auf seiner "Dumme Aktionen" - Liste: Verärgere niemals okkulte Zauberer.

Nun wusste Mark aus Erfahrung, daß Dämonen nur selten eine Hand hatten; wie auf Kommando erschein auch prompt eine zweite Krallenhand, und das - in Worten kaum beschreibbare - Ungetüm kletterte aus der Spalte. Das heißt, bei näherer Betrachtung, ein in Worten wahrscheinlich gut beschreibbares - aber im Kerzenlicht schlecht zu identifizierendes - Ungetüm kletterte aus der Spalte. Marks Desinteresse an anthropologischen Beobachtungen machte jede weitere Betrachtung des Monsters unnötig; Mark setzte an und verpasste der Gestalt eine Schönheitsoperation mit Wolfram-Schrot. Jene stolperte etwas nach hinten, zeigte sich jedoch ansonsten von der Operation unbeeindruckt und setzte zur Reklamation beim Chefchirurgen an.

Grund genug für eben jenen, langsam sein heiliges Skalpell auszupacken.

Mark zog das Schwert aus der Scheide und ließ sich gleichzeitig nach hinten fallen; ein schneller Schwung seinerseits parierte den ersten Angriff, während er auf dem Rücken landete und im Anschluss dem unvorbereiteten Dämon seinen Kampfstiefel zwischen die Beine jagte. Damit klärte Mark gleich eine wichtige wissenschaftliche Frage: Verfügen Dämonen über primäre Geschlechtsmerkmale ? Dieser offensichtlich schon; jedenfalls fiel das Ungetüm nach hinten und stieß einen markerschütternden (im wahrsten Sinne des Wortes) Schrei aus, offensichtlich erfüllt von Schmerz und verlassen von der Aussicht auf Nachwuchs. Mark nutze die Gelegenheit für seine berühmte Gleichgewichtsverlagerung und richtete sich vom Boden auf; er wirbelte das Schwert in seiner Hand wieder in Position, holte zum Schlag aus und ließ die Klinge durch die schwere Luft sausen. Die heilige Klinge fraß sich tief in das Fleisch des Dämonen; der Schmerzensschrei vom Tritt ging direkt in einen noch Lauteren über.

Das Schwert jedoch wollte weiter.

Mark erkannte die Situation rechtzeitig; er konnte die Klinge zwar nicht abbremsen, behielt sie jedoch dank festem Griff in der Hand. Durch den Schwung der Waffe wurde Mark regelrecht gedreht; er steuerte entgegen und führte das Schwert auf einer Kreisbahn um sich und traf den Bruchteil einer Sekunde später den Dämon erneut, der wieder zurückwich. Allerdings hatte Mark sich erneut verkalkuliert; die Waffe bremste nicht ab. Mark hatte damit offensichtlich nicht gerechnet, denn sein Griff am Schwert hatte sich zu stark gelockert. Das Resultat war erwartungsgemäß, daß Mark die Klinge loslassen musste; das Schwert flog durch die Luft und beendete seinen Ausflug in der Felswand, wo es sich erst einmal von den Strapazen und seinem inkompetenten Besitzer erholte.

Ergebnis dieser Aktion ? Ein entwaffneter Mark and ein sehr, sehr wütender Dämon.

Die heldenhafte Variante zur Problembewältigung wäre in diesem Fall natürlich ein unbewaffneter Angriff seitens Mark gewesen; dieser jedoch - in weiser Voraussicht angesichts steigender Krankenkassenbeiträge - behielt seine Position bei. Allerdings schien der Dämon auch keine besonders konkrete Vorstellung bezüglich seiner Angriffstaktik zu haben und blieb ebenfalls stehen. Wenige Sekunden herrschte der Frieden der Ohnmacht. In einem überwältigenden Beispiel extremer Präzision, höchster Geschwindigkeit und panischer Angst griffen Marks Hände in seinen Mantel; innerhalb weniger Sekunden hatte Mark die (noch jungfräulichen) FN P90 - Maschinenpistolen auf sein Ziel gerichtet und drückte ab.

Ein enormes Brüllen hallte durch die Tunnel unter London; die beiden doch recht kleinen Waffen gaben sich redliche Mühe und leerten ihre Magazine in den von den komplexen technischen Nuancen des 20. Jahrhundert überforderten Dämon. Mark öffnete seine Augen langsam wieder und erblickte den Raum in neuem - dämonengrünem - Dekor. Der Dämon - oder passender, das was von ihm übriggeblieben war - lag regungslos in einer Lache aus seinem eigenen Blut, die Läufe der Feuerwaffen rauchten heftigst, und Marks Zeigefinger ruhten verkrampft auf den Abzügen. Es schien, dass sich wieder mal eine alte Weisheit in etwas abgeänderter Form bewahrheitet hatte: Eine Kugel ist nichts, aber 100 Kugeln sind ein Feuerstoß, der selbst die größten Monster vom Platz stellt.

Nach der fachgemäßen Sicherung seiner Bleispritzen bemühte sich Mark, die Umgebung genauer zu betrachten. Kerzen. Gesangsbücher. Blutspritzer. Patronenhülsen. Seltsamer Steinaltar. Stalagmit...Moment, seltsamer Steinaltar ? Mark näherte sich der Konstruktion und wischte kurz über den mit einer zentimeterdicken Staubschicht besetzten Altar. Der Anblick zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht, das sich dann stetig in ein sehr breites Grinsen verwandelte.

"Bye Ka-Zur, hallo Siegel Nr. 3 !"

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16

Friday, 6. October 2006, 22:09

Intermezzo 1

Dunkel. Kalt und dunkel, um genau zu sein.

Mehr hatte Sharon in drei Stunden über ihren Aufenthaltsort nicht herausfinden können. In ihrem Kopf feierten ein paar Elefanten silberne Hochzeit, ihre Wirbelsäule - beziehungsweise das, was man bei einem humanoiden Dämon als Wirbelsäule bezeichnen könnte - fühlte sich an wie Pudding, und im allgemeinen bestanden ihre Muskeln nur noch aus Stauchungen und Prellungen. Trotz alledem hatte sie sich in der völligen Dunkelheit etwas voran getastet, an der Wand entlang. Aber an der Wand zeichnete sich nichts ab. Keine Spalte. Keine Tür.

Was ihr jedoch wirklich Angst einjagte, war die Dunkelheit.

Normalerweise gibt es überall - dank der Streuung von Licht an Luftteilchen - wenigstens etwas Licht. Wenn man als Mensch beobachtet, das sich Dämonen bei Nacht bewegen, und deshalb denkt, das sie Dunkelheit mögen, liegt man falsch. Dämonen sind einfach empfindlicher in ihrer Wahrnehmung, und deshalb sehen sie auch dann noch Licht, wo unsere Augen schon längst nicht mehr funktionieren. Deswegen ist es natürlich für sie praktischer, sich Nachts zu bewegen, wo wir sie dann nicht mehr sehen - und sie nicht von zu grellem Licht geblendet werden. Kein Wunder, das Sharon tagsüber nie ohne engsitzende Sonnenbrille nach draußen ging.

Nun sind zum Glück nicht alle Sonnenbrillenträger Dämonen. Nur ungefähr ein Viertel.

In diesem Raum jedoch herrschte ein absolutes Lichtvakuum, und dieses "absolut" übertraf den Mangelzustand an freiem Sauerstoff im leeren Weltraum noch bei weitem. Ein beängstigenden Zustand, ohne Untertreibung. Inzwischen hatte Sharon das Wild-schreiend-durch-die-Gegend-irren aufgegeben und sich auf dem metallisch glatten Boden häuslich eingerichtet. So häuslich jedenfalls, wie das ohne irgendwelchen Hausrat geht. Das einzige, was ihr überhaupt noch Sicherheit gab, war ein leichter Luftzug über ihr. Sie vermutete einen stark vergitterten Luftschacht mit mehreren Lichtfiltern - allerdings hatte sie keine Ambitionen, an die Decke zu springen und das zu überprüfen, weil es - gelinde gesagt - Zeitverschwendung wäre. Eben so gut könnte man sich im Gefängnis gegen eine Stahltür werfen, um zu überprüfen, ob sie zugeschlossen ist.

Auf einmal Licht.

Von einem Extrem ins Andere schalteten sich Dutzende in die Wände eingelassene Scheinwerfer zu - ein grausames Lichtgewitter brach über Sharon herein, und nur eine schnelle Bewegung ihrer Arme verhinderte eine temporäre Blendung.
"Was soll das ?" Ihr Schrei verhallte im Raum und wurde von einer Sekunde absoluter Ruhe abgelöst.
Eine mechanisch klingende - vermutlich computergenerierte - Stimme mit der Gefühlswärme eines Eimers voller Eiswürfel antwortete.
"Verhalten sie sich ruhig, oder wir werden dafür sorgen, das sie nie wieder sprechen."

Dichter Rauch drängte sich durch den Luftschacht und flutete den gesamten Raum. Nichts, was einem Menschen geschadet hätte - selbst wenn es sich sehr, sehr angestrengt hätte - aber für Dämonen, und damit für die einzige Bewohnerin des Raumes, unausstehlich. Sharon konnte nur versuchen, die Luft anzuhalten, aber das funktionierte natürlich nicht lange. Tränen nahmen ihr die Sicht, und ihr Hals konnte sich nicht wirklich zwischen Atmen, Würgen oder Husten entscheiden. Ein verzweifelter Reflex, ein tiefer Atemzug auf der Suche nach reiner Luft. Unnütz, töricht.

Während sich der Rauch wieder verzog und das Licht ausgeschaltet wurde, erholte sich Sharon auf dem Boden, mit einem Keuchen, das jeden Asthmatiker neidisch machen würde.

Auf einmal war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie erst drei Stunden hier wäre.

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17

Friday, 6. October 2006, 22:10

Teil 8 - Familientreffen

"Ein Plan ist eine Liste von Ereignissen, die nicht eintreffen."

Etwa zur gleichen Zeit hatte Mark sein Ego wieder soweit unter Kontrolle, das er mit dem Grinsen aufhören und dem Einritzen der Schutzrunen beginnen konnte. Oder besser, den Entschluss dazu fassen konnte, denn sehr viel weiter kam er nicht. Ein Luftzug hinter ihm soufflierte ein schnelles Ausweichmanöver - und exakt dies führte Mark ohne größeres Nachdenken sofort aus, zu seinem Glück. So spürte er nur einen leichte Berührung auf seinem Rücken; seine Ohren vernahmen das Geräusch von schwerem Stoff, der mit einem Skalpell durchschnitten wird. Die Ausweichbewegung - im wesentlichen ein Hechtsprung nach vorne, obwohl Mark es wohl als etwas sehr viel komplizierteres dargestellt hätte - brachte Mark zwar nicht in eine unbedingt glückliche Lage, schaffte jedoch Distanz zwischen ihm und dem unbekannten Angreifer. Mit einer Reihe weiterer unglaublich gekonnter Bewegungen bewegte sich Mark auf sein immer noch im Fels steckendes Schwert zu, jedoch auf einem Kurs, der bestenfalls zufällig und wahrscheinlich einfach schlecht geplant war.

Auf jeden Fall hätte seine Show auf einen Beobachter unglaublich komisch gewirkt.

Mit gekonnter Ignoranz vor den Regeln der Physik schaffte es Mark tatsächlich, das Schwert aus seinem kalten Verlies zu befreien und sich dem Angreifer zuzuwenden. Was er jedoch sah, erschütterte Mark zutiefst. (Obwohl er das natürlich auch abgestritten hätte.) Ein paar Meter von ihm entfernt stand Ka-Zur, bis auf zwei Schnittwunden am Torso und ein fieses Lächeln unverletzt. Erst jetzt konnte Mark erkenne, wie der Dämon überhaupt aussah. Schuppig-dunkelgrüne Haut, grotesk lange Gliedmaßen und Finger, die in sichelartigen Klauen endeten. Dazu ein Kopf in der Art einer Ameise, nur halt sehr viel größer, fieser und mit unproportional vergrößerten Mundwerkzeugen.

Alles in allem also niemand für eine sonnabendliche Skatrunde.

Er überprüfte seine Optionen. Die CAWS lag irgendwo am anderen Ende der Höhle und schied damit aus. Im Brusthohlster steckte die Desert Eagle, perfekt gesichert und noch nicht einmal geladen - also ebenfalls keine Option. Das Kampfmesser im Stiefel - nun ja, das hatte Mark bisher nur zusätzliches Gewicht gebracht, aber war nie zum Einsatz gekommen. Blieb also nur noch der durchgeladene Colt in der Tasche seines Mantels und das Schwert in seinen Händen, dessen kristallene Klinge einen kühl-heiligen blauen Schein auf die Szenerie warf. Jedenfalls bis zu diesem Augenblick - dann begann die Klinge zu flackern, was sowohl den Dämon als auch Mark für einen Moment verwirrte beziehungsweise erschreckte. Marks Hang zu Impulshandlungen brachte hier einen entscheidenden Zeitvorteil, genug Zeit, um die Klinge kurz tanzen zu lassen und das Schwert dann in Richtung Dämon zu schleudern. Die Kristallschneide teilte die schuppige Haut des Dämons und durchbohrte seine rechte Schulter - ohne allerdings sonderlich davon beeindruckt zu sein, zog dieser das Schwert aus der Wunde und warf es zur Seite.

Also nur noch der Colt.

Wieder war Mark schneller - ob er allerdings sehr schnell oder Ka-Zur einfach nur sehr langsam war, entzog sich dem Beobachter, wäre jemand anwesend gewesen. Auf jeden Fall hatte Mark den Colt gezogen und gezielt, bevor Ka-Zur damit fertig war, das Schwert zur Seite zu werfen und verärgert auszusehen. Mark feuerte, ein, zwei, drei Mal, dann zielte er auf Ka-Zurs Kopf und feuerte weiter. Der Schlitten des Colts bewegte sich nach jedem Schuss erst blitzartig zurück, dann wie in Zeitlupe wieder zurück in die Ausgangsstellung. Patronenhülsen fielen zu Boden, unnatürlich langsam, und klingelten hell und verspielt, weiches Messing auf hartem Granitboden. Auf einmal bewegte sich der Schlitten noch einmal zurück, noch einmal verließ eine Kugel mit Stahlmantel den Lauf und verirrte sich zum Kopf von Ka-Zur; doch dieses Mal blieb der Schlitten hinten, dieses Mal bewegte er sich nicht weiter nach hinten, und es ertönte das Geräusch, das jedem professionellen Söldner und Attentäter in solchen Situationen ein Grausen über den Rücken jagen würde.

Das Geräusch eines Hammers, der auf eine leere Kammer fällt. Oder, einfacher ausgedrückt, das Geräusch eines leeren Magazins.
Allerdings schien das Mark weniger zu überraschen als sein Ziel; während Ka-Zur immer noch mit dem Verständnis dieser technologisch fortschrittlichen Waffen kämpfte, griff Mark schon routiniert in seine Tasche und griff nach einem weiterem Magazin; seine rechte Hand betätigte die Magazinsperre an der Waffe und lies den leeren Stahlquader in den freien Fall übergehen. Das Magazin landete klirrend auf dem Boden. Die Waffe zielte immer noch auf Ka-Zur, der nicht ganz begriff, warum er auf einmal nicht mehr angegriffen wurde. Marks rechte Hand umklammerte den Colt. Marks linke Hand durchsuchte immer noch die Manteltasche; auf einmal stieß sie auf ein Magazin und riss es heraus. Marks linker Daumen fühlte die Öffnung oben am Magazin. Und allein sie. Keine Kugel, keine Munition befand sich in diesem Behälter. Offenbar hatte Mark in seiner allumfassenden Nachlässigkeit vergessen, nach dem letzten Einsatz nachzuladen.

Marks Lippen formten ein leises "SHIT !"

Im darauf folgenden Moment passierten mehrer Dinge gleichzeitig. Der Colt wurde zur Seite geworfen und schepperte gegen den Fels. Ka-Zur begriff langsam, das ihm von Mark keine Gefahr mehr drohte - oder vielleicht hatte er auch einfach das Warten satt - und stürmte auf Mark zu. Kleine Steine bröckelten von der Decke ab und zerstellten auf dem Boden. Nicht, das es einen Unterschied gemacht hätte für das Kampfgeschehen, es passierte nur einfach in diesem Augenblick. Während Mark also versuchte, den Angriff eines mit Krallen besetzten, wild um sich schlagenden so gut wie möglich abzufangen und Ka-Zur einfach nur wild um sich langte, bemerkte keiner von beiden den in einem grauen, recht konservativen Anzug gekleideten Afroamerikaner mittleren Alters, der sich ohne größeres Aufhebens zu machen an einem Ausgang der Höhle postiert hatte. Dieser rückte seine Sonnenbrille zurecht, zupfte seine Anzugjacke gerade und räusperte sich dann lautstark.

Dies überraschte Mark so sehr, das er sich sofort auf den Boden fallen lies, und Ka-Zur so sehr, das er sich zu dem ordentlich gekleideten Herrn umschaute und damit direkt gegen die nächste Felswand schmetterte.

Mark machte keine großen Anstalten, sich um den ordentlich gekleideten Besucher zu kümmern; er raffte sich schleunigst auf und sprintete zu seinem Schwert, dessen Klinge inzwischen sogar noch heftiger blinkte. Mit einem Satz hatte er das Schwert in der Hand, sich an der dahinterliegenden Felswand abgestoßen und sprintete wieder zu Ka-Zur zurück. Dieser richtete sich mühsam auf...die Waffen des Sterblichen hatten ihn zwar nicht wirklich verletzt - bis auf dieses verfluchte Schwert - aber trotzdem war er erschöpft, sehr müde, und generell gingen ihm die ganzen lächerlichen Sterbliche langsam aber sicher auf die Nerven. Als er halbwegs wieder zu sich kam, sah er etwas Schwarzes vor sich. Er blickte weiter nach oben.

Das letzte, was Ka-Zur in seiner Existenz in dieser Welt sah, war Marks Gesicht und das Schwert, an dem grünes Blut haftete.

Mark atmete durch, während das Schwert zu seiner linken Seite langsam wieder zur Ruhe kam. Vor ihm stand die enthauptete Leiche des Dämons, noch aufrecht gehalten von Muskelkrämpfen. So wie die Leiche langsam zur Seite kippte, so sank auch er langsam auf seine Knie; die heilige Klinge berührte den harten Boden, und Mark stützte sich auf das Schwert, so als hätte er gerade eine phänomenale Leistung erbracht. In Wirklichkeit hatte ihn der gesamte Kampf zu stark angestrengt, aber das Adrenalin hatte ihn angetrieben, immer wieder neue Kräfte mobilisiert. Aber nun war das Ende der Fahnenstange erreicht. Ohne eine ausführliche Rast würde Mark keinen Dämon mehr bekämpfen können.

Langsam und bedächtig drehte er sich nach dem Fremden um; mit müden Augen fokussierte er diesen und sammelte noch etwas Kraft. Dann, nach zwei langen Sekunden, richtete Mark sich auf und öffnete den Mund, um zu sprechen.

"Sparen sie sich die Mühe, Mr. Simmons. Sie kommen jetzt mit mir mit, nachdem sie mir ihre Waffen ausgehändigt haben."
"Wer sagt das ? FBI ? NSA ?"
"Werfen sie ihre Waffe weg und kommen sie mit, oder sie werden sich wünschen, das ich vom FBI oder der NSA wäre. Kommen sie, ihre Freundin wartet schon auf sie."
Halb aus Überraschung, halb aus Erschöpfung ließ Mark das Schwert zu Boden fallen. Dann zog er die Desert Eagle aus dem Hohlster und ließ sie dem Schwert folgen. Langsam, aber unaufhaltsam bewegte er sich auf einen Ausgang zu. Der Fremde hatte inzwischen Marks Waffen an sich genommen und addierte die nun geladene Eagle zu seiner Argumentation. Mit einem siegessicheren Lächeln und vorgehaltener Waffe folgte er Mark nach Draußen.

Ein Schatten schlich am Siegel vorbei; Rauch steig vom blanken Fels auf. Der Schatten war im Augenblick danach wieder verschwunden, einziger Beweis seiner Existenz waren die noch glühenden Magmalinien am Siegel, die die Form von Schutzrunen annahmen.

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Thursday, 12. October 2006, 21:30

Zyklus 3 - Der Widerstand


Mit dem Zeitalter der Aufklärung kam das Ende der Theokratie, der Kirchenherrschaft. So wie Rationalität und Logik versuchten, die Welt zu erklären, so erhoben sich die einfachen Menschen über ihre alten Götter. Nicht länger sollten Engel und Dämonen Macht über sie halten; nein, die Menschen verschrieben sich neuen Göttern und nannten sie Zahlen und Formeln. Die Wissenschaft maßte sich an, auf alles die endgültige Wahrheit zu finden, und die, die ihre Religion beibehielten, wurden als Ignoranten beschrieen. So groß war der plötzliche Hass auf alles religiöse "Blendwerk", das einige die Statuen von ihren Sockeln rissen und wie wild auf sie einschlugen. Für die meisten blieb es dabei, und inzwischen ist die Wissenschaft zwar ein Dogma, aber man stellte es jedem frei, nicht an sie zu glauben. Eine der Legenden aus dieser Epoche ist die Armee der Sterblichen. Ein Kult, der fest an Götter, Engel und Dämonen glaubte. So fest, das ihre oberste Ordensregel lautete, alle dieser Wesen zu töten.


Teil 1 - Vergessene Schatten

"Es ist stickig, die Tür klemmt und das Essen ist mies. Hey, das erinnert mich an meine Wohnung."

Mit einer leichten Verwunderung stellte Mark fest, das er sich in einem Raum befand. Einem Raum mit weißer Raufasertapete, schwarzen Rollos, Parkettboden und einer Lampe, die wohl Thomas Alva Edison selber entworfen hatte. Durch die dünnen Schlitze drängten sich die ersten warmen Strahlen eines neuen Tages. Mark hingegen war am Ende seiner Kräfte angekommen, oder zumindest fast. Nach mehrstündiger Fahrt in einem abgedunkelten Van war er nicht nur etwas stinkig - er war sauer.

Mindestens so sauer wie eine gezuckerte Erdbeere.

Dummerweise war er aber auch erschöpft, mit der durchschnittlichen Reaktionsgeschwindigkeit eines Faultiers und einer verschwommenen Wahrnehmung, die man als normaler Mensch wohl erst nach einer gehörigen Überdosis LSD erleben kann. Als ob das noch nicht genug Unglück für einen Menschen wäre, hatte man ihn außerdem noch mit Handschellen an ein schweres gusseisernes Heizungsrohr gefesselt. Aber das war noch nicht die größte Gemeinheit, nein, das Grausamste hatte sich vor etwa einer halben Stunde abgespielt.

Man hatte ihm die Sonnebrille abgenommen.

Natürlich war dies eher ein stilistisches Verbrechen als etwas, was einem normalen Menschen wirklich gequält hätte. Für Mark jedoch machte es keinen Unterschied - denn, wir erinnern uns, um das Leben als das zu begreifen, was es ist, braucht man ne verdammte Sonnenbrille. Mark zumindest. Also stand er, halb bewusstlos, in besagtem Raum, rüttelte alle paar Minuten an den Fesseln, und verfluchte laut seine Entführer. Da er jedoch keine Ahnung hatte, wer ihn nun eigentlich auf dem Gewissen hatte, waren seine Drohungen...nun ja, etwas allgemein formuliert. Nachdem er sämtliche englischen Schimpfwörter in allen Kombinationen dreimal wiederholt in den Raum geschrieen hatte, öffnete sich die Tür.

Herein trat ein korrekt gekleideter Mann mittleren Alters, der sich einen Spaß daraus machte, Marks Sonnenbrille zu tragen. Oder eine andere. Mark war dies egal - dieser Typ hatte eine und er nicht. Wie sehr die Welt doch heruntergekommen war, dachte er sich leise.

"Mr. Simmons. Sie glauben mir gar nicht, wie lange ich darauf warten musste, sie zu treffen."
"Ach, wie schön. Sie glauben mir nicht, wie lange ich darauf gewartet habe, Leuten wie ihnen den Kiefer neu zu justieren."
"Ich kann ihre Aufregung verstehen. Sie können sich sicher vorstellen, das es mich sehr schmerzt, das sie uns bald wieder verlassen."
"Oh, seien sie nicht so hart mit sich selbst. Das Rohr hier ist schon relativ solide."
"Da liegt ein Missverständnis vor. Ich sprach nicht davon, das sie uns lebend verlassen."

Die Stimmung im Raum erreichte einen Tiefpunkt, bei dem selbst ein blinkendes "Lachen sie jetzt" - Schild nicht mehr viel gerettet hätte.
"Natürlich sind sie jetzt zu recht etwas wütend auf mich, und um ehrlich zu sein, tut es mir um sie sehr leid. Sie sind eine sehr fähige Fachkraft und hätten uns sicher gute Dienste geleistet. Aber leider haben wir geschworen, alles Übernatürliche aus unserer Welt zu entfernen. Sie gehören dazu."
"Was zum..."
"Wir haben ihren Weg verfolgt. Seit ihrem Scheintod haben sie eine kleine Weltreise hinter sich, und zwar in Gegenden mit erhöhter Dämonenaktivität, die nach ihrer Ankunft dann stark abnahm. Geben sie sich keine Mühe, es zu leugnen. Man hat sie als Paladin engagiert, um die Sieben Siegel zu finden und zu schützen."
"Elementar, Lieber Watson."
"Ihre Freundin war sehr gesprächig."

Langsam begann Mark, eine leichte Antipathie gegen den wenig beneidenswerten Herrn in grau zu entwickeln.

"Was soll ich noch sagen ? Anscheinend werden sie mich jetzt wohl erschießen. Kann ich wenigstens erfahren, warum ?"
"Nein."
"Ähm, ´tschuldigung ?"
Der Mann lächelte, als hätte er vorhin etwas unglaublich cleveres gesagt; er fuhr fort, nachdem sich sein Ego wieder auf halbwegs normale Größe reduziert hatte.
"Ich vertrete die Armee der Sterblichen. Wir haben es gründlich satt, dass ihr Superwesen hier durch die Gegend hüpft, euren kleinen Privatkrieg führt und das auch noch vor uns geheim halten wollt. Deswegen werden wir dafür sorgen, das sich hier auf dieser Erde nie wieder Götter bewegen. Natürlich gilt das auch für ihre Angesandten."
"Moment. Damit ich das richtig verstehe: Ihr bringt mich um, weil ich für euch die Welt retten will ?"
"Gute Vorsätze zählen nicht. Egal ob Engel oder Dämon, ihr habt kein Recht hier rumzustolzieren und uns zu verarschen. Wir sind die Herren unseres Schicksals ! Wir wollen nicht länger in diesem Gefängnis leben, als Spielball höherer Mächte !"

Während sich der konservativ gekleidete Herr also in endlosen Hasstiraden gegen alles Übernatürliche erging, atmete Mark durch. Die Menschen hier waren wohl nicht recht bei Verstand ! Sie machten ja noch nicht mal den Anschein, als ob sie wegen seiner Verbrecher hinter ihm her waren.

Sie waren damit offiziell die ersten Menschen, die ihn los werden wollten, weil er sie retten sollte.

Was danach passierte, entzog sich Marks Kontrolle. Wie besessen wurde er mit neuer Kraft erfüllt; Adrenalin sättigte sein Blut, und seine Armmuskeln spannten sich fast stark genug, um seine Ellbogengelenke auszuhebeln. Innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen war Marks Körper zu einer hockenden Position zusammengezogen, wobei er jedoch immer noch per Handschellen am Heizungsrohr hing. Das hätte natürlich sehr amüsant ausgesehen, wenn es denn jemand in dieser Form hätte bewundern können. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit durchstießen seine Beine die Luft. Nur für einen Augenblick hing Mark in der Luft, fast waagerecht.

Dann trafen sich das Gesicht seines Gastgebers und Marks rechter Stiefel.

Ersterer wurde von der Wucht des Aufpralls und der Überraschung gegen die nächste Wand geworfen; Marks Beine nutzten den Schwung und griffen genau rechtzeitig nach dem Heizungsrohr, als sein gesamtes Körpergewicht - zuzüglich Fallmoment - auf die Handschellen wirkte. Das Rohr riss dort, wo Mark noch vor kurzem angebunden war; der Schwung seines Angriffs zwang seinen Torso ebenfalls nach vorne. In einem weiteren kurzen Augenblick hing Mark wieder senkrecht - allerdings mit den (noch gefesselten) Händen nach unten und den Beinen oben, wo sie das sich langsam aus der Befestigung lösende Rohr umklammerten. Den kurzen Sturz konnte er gerade noch mit einer Rolle vorwärts abfangen; bevor er wusste, was er tat, hockte er vor dem noch arg durchgeschüttelten Gentleman und nahm instinktiv eine auf dem Boden liegende Pistole CZ75 9mm an sich - vermutlich die Waffe seines Gastgebers, die ihm bei dem Sturz aus einem Holster gerutscht war. Die Trägheit steuerte die Waffe weiter nach oben - und in genau diesem Augenblick drückte Mark ab.

Der Soldat der Sterblichen erblickte nie wieder das Tageslicht.

Mark mühte sich auf die Beine. Das eben - das war er nicht. Nein, das war er definitiv nicht. Er wäre zu fertig gewesen, um auch nur die Beine etwas hin und her zu schwingen, geschweige denn so ein Kunststück durchzuziehen. Aber leider war er der einzige in diesem Raum, der noch atmetet, also musste er das gewesen sein. Der Gedanke, sich nicht unter Kontrolle zu haben, und dann auch noch solche Dummheiten durchzuziehen, bereitete Mark ein Gefühl, das er gehofft hatte, nie wieder fühlen zu müssen.

Das Gefühl von kaltem Schweiß. Angstschweiß.

Nach einigen Sekunden hatte sich Mark wieder soweit unter Kontrolle, das er halbwegs klar denken konnte. Für seine Verhältnisse jedenfalls. Eine Idee schwirrte ihm im Kopf herum, konnte sich nicht recht entscheiden, setzte sich dann aber doch fest. Mit hastigen, unkontrollierten Bewegungen fischte er die Schlüssel für die Handschellen aus der Jacke der Leiche. Das Wort "Freiheit" schwirrte noch etwas länger durch seinen Verstand, offenbar noch nicht ganz zufrieden mit Marks Handlungsweise. Dann keimte es in ihm, wie eine fremde, aber doch vertraute Stimme.

Raus hier.

So verließ Mark den Raum mit T-Shirt, Jeans, Stiefeln, CZ75 und Sonnenbrille.

In der Wohnung saugte sich das Parkett langsam mit dickem, dunkelroten Blut voll; in das Gesicht des Überwältigten war noch der Ausdruck der Überraschung eingebrannt. Aus einem unbekannten Reflex heraus hatte seine Hand die Patronenhülse Kaliber 9mm gefangen; seine rechte Hand war von der Wärme des heißen Messings gebrandmarkt wurden, als sie sich zu einer Faust verkrampfte. Nun löste sich der Griff der Leichenstarre in der Hand; langsam fielen die Finger zu Boden und gaben der Hülse ihre Freiheit zurück. Sie entglitt der schweißigen, kalten Hand und rollte auf dem roten Parkett entlang, bis sie gegen einen Schuh prallte.

Der Schuh eines Unbekannten, welcher der Leiche gegenüber stand und sie mit einem leichten Kopfschütteln betrachtete. Der Unbekannte war ein leidlich gut aussehender Latein-Amerikaner mit etwas wirren, schwarzen Haaren und einer merkwürdigen Kleidungskombination von Leinenhosen und einem blau-grünen Hawaiihemd. Nach ein paar Minuten lautlosen Schweigens erhob er seine rechte Hand und steckte die darin befindliche Pistole in ein Holster unter seinem Hemd.

Bei näherer Betrachtung war diese Pistole eindeutig Marks Colt.

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Thursday, 12. October 2006, 21:30

Teil 2 - Auf der Flucht

"Dr. Kimble, bitte in den OP..."

Mark rannte. Nicht, weil es ihm besonders Spaß machte, sondern aus purer Notwendigkeit. Denn hinter ihm rannten etwa ein halbes Dutzend Polizisten auf der gleichen Strecke wie er - und wenn man Mark etwas gut beigebracht hatte, dann, dass man Rennen mit der Polizei tunlichst gewinnen sollte. Also rannte Mark. Nicht besonders schön, nein, er wäre der erste, der zugeben würde, das seine Sprinttechnik nicht gerade elegant war. Aber er war schnell genug, er war seinen Verfolgern voraus und er hatte nebenbei noch Zeit genug, um seine Situation im Detail zu überdenken.

Natürlich kann sich der geneigte Leser denken, das Marks Einschätzung über ein schnell gezischtes "Scheiße !" nicht hinaus kam.

Sekunden wurden zu Minuten, Minuten zu Sekunden, und aus einem kleinen Sprint wurde ein Marathonlauf. Unter geringfügig anderen Umständen hätte sich Mark einfach hinter die nächste Ecke geworfen und mit seinen Waffen in die grobe Richtung der Ordnungshüter geballert. Natürlich sollte er als Paladin möglichst keine Menschen umbringen (und wenn, dann wenigstens nicht so öffentlich), aber das hätte ihn in diesem Augenblick wohl wenig interessiert. Schwerwiegender war allerdings die Tatsache, das er nur eine Waffe besaß.

Und eine Waffe ist zwar gut, aber zwei wären besser. Und wo wir schon dabei sind, nimmt man besser gleich ein halbes Dutzend, denn wenn man schon mal eine Waffe braucht, ist für Nachladen keine Zeit.

Nun wäre eine Waffe an sich noch nicht so ein Reinfall, wenn es denn eine vernünftige Waffe wäre. In dieser Hinsicht konnte man die CZ75 nicht wirklich als effektiv einordnen. Sicher, für eine 9mm Pistole ist sie eine extrem gute Konstruktion, aber gegen mehrere Gegner mit Körperschutz kann man mit einer Pistole wirklich nicht viel ausrichten, das ist schon eher ein Fall für ein Sturmgewehr. Wie gesagt, daran war die Waffe nicht schuld, aber im Endeffekt machte sie keinen besonders positiven Eindruck.

Während sich die Waffenkonstrukteure also immer noch mit der Entwicklung einer kompakten, aber tödlichen Waffe abmühten, nahm Mark die nächste Ecke und rettete sich mit einem gekonnten Stolpern in das nächste Haus. Unter Zuhilfenahme seines linken Fußes verpasste er der Tür hinter sich einen kräftigen Tritt und kam dann bäuchlings auf dem Boden zu liegen. Das hätte bei jedem anderen Menschen wie ein dummes Ungeschick ausgesehen, aber Marks Aura verlieh der Bewegung eine gewisse Grazie und Ausdrucksstärke, die weit über das komische Moment hinausgingen. Einfacher ausgedrückt, niemand außer ihm konnte eine so gute Figur dabei machen, auf die Schnauze zu fliegen.

Hinter ihm wurde die Tür verriegelt - ohne das sie jemand angefasst hätte.

"Wer war das ?"
"Los Mark, steh auf. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit."

Mark folgte der Anweisung. Die Stimme kam ihm entfernt bekannt vor. Während er versuchte, wieder zu Atem zu kommen, trat der Sprecher ins Licht, eindeutig als der Latein-Amerikaner identifizierbar. Allerdings nicht für Mark, den die ganze Situation geringfügig beängstigte. Mark hob seine Waffe und richtete sie auf sein Gegenüber.

"Ich hasse es, mich zu wiederholen. Also, wer bist du und was soll der Mist ?"
"Mark, wirf den Schrott weg, wir haben Wichtigeres zu besprechen."
"Einen Moment...Azuriel ? Du bist es !"

Mark entledigte sich der Waffe durch simples Loslassen und stürmte auf den überraschten Engel zu, um ihn zu umarmen. Azuriel ließ Mark gewähren, versäumte jedoch nicht, seine Überraschung ob Marks Reaktion in einen diskussionswürdigen Gesichtsausdruck umzusetzen.

"Ja ja, schon gut, das reicht jetzt."
"Ich bin echt froh, dich in einem Stück zu sehen. Obwohl ich dein Aussehen etwas anders in Erinnerung hatte."
"Kunststück, du erinnerst dich überhaupt nicht mehr an mein Gesicht, weil du es im Himmel nie gesehen hast. Jegliche menschenartige Eigenschaften meiner Person dort oben hast du dir - um mal Klartext zu reden - einfach zusammengereimt und eingebildet."

Mark löste seinen Griff, trat einen Schritt zurück und brachte sein Gesicht in eine aufrechte Position.

"Du hast ein echtes Talent, mich aufzuheitern."
"Später, ok ? Wir haben wichtigere Dinge vor uns."
"Ich weiß nicht, ob dir das aufgefallen ist, aber ich renne hier quasi nackt rum."
"Ach ja, deine Waffen. Liegen da hinten auf dem Tisch, ich hab sie aus der Wohnung geholt bevor die AdS ihre Säuberungseinheit reingeschickt hat."
"Du hast über diese Idioten Bescheid gewusst ?"
"Die ganze Zeit lang, ja."
"Und sie nicht einmal erwähnt ?"
"Ich wollte dich nicht beunruhigen."

Marks Talent für plötzliche Stimmungsschwankungen brach aus; er holte mit seiner Faust aus und war kurz davor, Azuriels Nase zu reorientieren.

"Hey, nicht so schnell ! Überleg dir das ! Ich meine, schau mal, es gibt doch sicher hier irgendwo Gesetze gegen tätliche Angriffe auf Heilige ! Nein !"

Zwei Sekunden später lag Azuriel auf dem Boden und war um die Erfahrung körperlichen Schmerzes reicher.

"Autsch ! Verdammter..."
"Und da sagt man, Fluchen sei Sünde." Marks Lächeln war von kurzer Dauer und diente nur als Zwischenphase, bevor seine Gesichtsmuskeln entgleisten und ihm ein Schrei des Schmerzes entfuhr.
"Mist, hast du ne Stahlplatte im Schädel ?"
"Nein, du verweichlichst bloß."
"Ich zeig dir gleich, was weich und was hart ist ! Dein Schritt und mein Stiefel !"

Azuriel richtete sich wieder auf, während Mark den Schmerz aus seiner Hand zu schütteln versuchte.

"Ich hoffe, das du dich jetzt besser fühlst. Wir haben noch sehr viel vor uns. Wir müssen deinen Hausdämon..."
"Sharon für dich."
"Ja gut, wir müssen Sharon befreien, die Armee der Sterblichen aus dem Konflikt entfernen, vier Siegel finden, die Verschwörung hinter der Geschichte aufdecken..."
"Sonst noch was ?"
"Ja, wir müssen uns dem Teufel stellen und ihn lange genug beschäftigen, um seinen Plan zu vereiteln, aber eins nach dem anderen."

Für den Bruchteil einer Sekunde war auf Marks Gesicht ein Ausdruck von Verwunderung zu lesen, bevor er sich wieder dem Schmerz in seiner Hand zukehrte.

"Ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, großer Feldherr, aber ich bin jetzt wieder ein einfacher Sterblicher. Du musst die Sache alleine durchziehen."
"Du hast Ausbrüche deiner Macht erlebt, das weiß ich. Neben der Kraft, die dir vom Himmel geliefert wurde, hast du auch durch das Töten von Dämonen Kraft erhalten. Du musst nur lernen, wie man sie richtig benutzt."
"Sekunde, meine Macht steigt, wenn ich Dämonen töte ? Muss ich ihnen dazu den Kopf abschlagen ? Kann es nur Einen geben ?"

Azuriel verpasste den Witz und setzte zur Antwort an.

"Nein. Woher hast du denn den Blödsinn ?"
"Ach, Schuss ins Blaue."
"Hab mich schon gewundert, worauf du hinaus wolltest."

Nachdem Mark seine Ausrüstung requiriert hatte - mit einem ungesunden Lächeln auf den Lippen, das nur vom Halten eines Schrotgewehrs verursacht werden konnte -, setzte sich das Duo in Bewegung. Ohne Geld, ohne Kontakte und ohne Idee, wie sie aus der Stadt verschwinden sollten.

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20

Thursday, 12. October 2006, 21:32

Teil 3 - Auswanderung

"Im Zweifelsfall lieber ne Waffe einstecken, oder kannst du mit einem Visum Leute erschießen ?"

Leider gibt es in der Welt sehr viel mehr gute Vorsätze als gute Taten - und auch auf Mark und Azuriel traf das zu. Man hatte sich zwar geeinigt, das Versteck zu verlassen, aber in die Tat wurde dies nur zögerlich umgesetzt. Hauptsächlich wegen den etwa dreißig Polizisten, die sich mit wachsender Begeisterung durch die Straßen schleppten und aus Frustration über das Entkommen von Mark wohl einen Mülleimer erschossen hätten, wenn er sie falsch angeguckt hätte. Vielleicht sogar, wenn sie nur dachten, dass er sie falsch angeguckt hätte. Auf jeden Fall waren alle Objekte, auf die man schießen konnte (und man kann auf sehr viele Dinge schießen, wenn man es nur fest genug will) zur falschen Zeit am falschen Ort. Soweit bekannt, gingen jedoch bei der UN keine Beschwerden ein, zumindest nicht von Telefonzellen.

Eine Telefonzelle hätte dafür aber einen triftigen Grund gehabt, denn sie spielte unfreiwilligerweise Deckung für die zwei Flüchtigen.

"Sag mal, in welcher Stadt sind wir eigentlich ?"
"Den Namen kenne ich nicht, aber wir sind etwa 20 Kilometer östlich von London."
"Hm. Und was jetzt ?"
"Ich denke, wir sollten in kürzester Zeit hier verschwinden."
"Und wie sollen wir das machen ?"
"Zum Beispiel durch Laufen."
"Aha, der einfache Plan."
"Keine Bewegung !"

Mark and Azuriel zuckten zusammen; Azuriel, weil er so was zum ersten Mal mitmachte, und Mark, weil er es schon so oft mitgemacht hatte, das es ihm gewaltig auf die Nerven ging. Beide richteten sich missmutig auf und starrten - Azuriel gebannt, Mark gelangweilt - auf eine Polizistin, die ihre Dienstwaffe irgendwie auf beide gerichtet hielt - im Endeffekt also auf keinen von beiden, sondern eher irgendwo dazwischen. So wie das Schicksal spielte, auf einen unschuldigen Mülleimer.

"Ich verhafte sie wegen..."
"...schwerer Körperverletzung, Erpressung, Nötigung, Mord, Widerstand gegen die Staatsgewalt, illegalem Waffenbesitz und illegaler Einreise, alles in mehreren Fällen. Habe ich etwas vergessen ?"

Mit welcher Antwort die Polizistin auch gerechnet hatte - damit nicht.

"Also..."
"Ach, Entschuldigung, außerdem habe ich seit zehn Jahren keine Steuern gezahlt. Der Rest ist ja noch halbwegs entschuldbar, aber dem Staat Geld zu stehlen...nein wirklich, was bin ich doch für ein schlimmer, schlimmer Finger."
"Mark ?"
"Was ist denn, Az ?"
"Im Anbetracht der Tatsache, das eine ausgebildete Polizeikraft mit einer Colt Python Kaliber .357 Magnum auf uns zielt, rate ich dir, der Situation den gehörigen Respekt zu zollen. Soll heißen: Schnauze !"
"Du überbewertest das. Schau mal, ich hab ne 50:50 Chance, das sie überhaupt auf mich zielt, dann sagt keiner das sie trifft, und außerdem habe ich auch noch ein paar spezielle Freunde dabei. Theoretisch dürfte es mir möglich sein, sie mit einer meiner Waffen auszuschalten, bevor sie uns killt."
"Einen von uns wird sie doch aber sicher noch erwischen. Ich bin zwar etwas aus der Übung, aber ich denke mir, das sie für einen Schuss immer noch Zeit hat. Außerdem bin ich in diesem Körper, wie du weißt, verletzlich, deshalb wäre eine Schusswunde..."
"SCHNAUZE ! Alle beide !"
"OK, OK, nicht gleich aufregen. Wir kommen ja mit."

Während die Polizistin vorsichtig ihre Waffe wegsteckte, hielten Mark und Azuriel ihre Hände weiter hinter ihrem Kopf verschränkt.

"Az, kennst du Politik ? Wie wäre es mit Radikalisierung ? Ich konservativ, du sozialistisch..."
"Sicher doch."
"3 !"

Auf das Stichwort hin warfen sich Mark und Azuriel blitzartig zur Seite, während die Polizistin ihren Revolver wieder hob und sich drei Kugeln durch die Luft zwischen ihnen bohrten. Noch im Flug griff Mark nach der Desert Eagle; beim Landen befreite er sie aus dem Holster und rollte ab, landete in der Hocke und erfasste die Polizistin. Azuriel nutzte seine Kräfte, um die Rolle noch in der Luft auszuführen und landete stehend auf seinem rechten Fuß, zog die CZ 75 aus seinem Hawaiihemd und schlitterte noch ein paar Zentimeter über den Asphalt, bevor er endgültig mit beiden Füßen auf dem Boden zum Stehen kam. All das wäre auch so mächtig beeindruckend gewesen - aber die beiden hatten es in weniger als einer Sekunde geschafft, den schweren Geschossen auszuweichen und ihre Waffen auf den Kopf des Officers zu richten. Nachdem niemand applaudierte, erhoben beide gleichzeitig ihre Stimme.

"Waffe fallen lassen !"

Das tat sie nicht, und was dann passierte, lässt sich mit drei Worten beschreiben: schrecklich, tragisch, widerlich.

Die Polizistin feuerte. Mark feuerte. Azuriel feuerte. Nicht ganz in dieser Reihenfolge; die Polizistin erhob ihren Revolver und schoss auf Mark, der jedoch knapp unter der Kugel hinwegtauchte. Dann feuerte Azuriel auf die Polizistin, traf sie aber nur am Bein, weil er noch nie zuvor mit einer Handfeuerwaffe, geschweige denn einer CZ 75, gekämpft hatte. Die Polizistin brach zusammen, schaffte es aber noch, Azuriel an der Schulter zu treffen, wovon dieser nach hinten geschleudert wurde und fürs erste auf dem Boden liegen blieb. Mark wiederum hatte seine Desert Eagle jetzt endlich richtig ausgerichtet und betätigte den Abzug. Mit einem gewaltigen Donnern schlugen Flammen aus ihrem Lauf, und das Vollmantelgeschoss Kaliber .50 durchbohrte mühelos ihren Brustkorb und die Wand hinter ihr, bis es von einer antiken Laterne aus Gusseisen gestoppt wurde.

"Scheiße !"

Er steckte die Waffe wieder in ihr Holster zurück, dann schleifte er Azuriel und die Polizistin zu einem in der Nähe geparkten Streifenwagen. Azuriel schaffte es schließlich, sich alleine in den Fahrersitz zu heben und den Motor zu starten, während Mark die Dame auf dem Rücksitz deponierte und sich gleich daneben platzierte. Der Engel drückte das Gaspedal bis zum Anschlag nach unten, womit sich der Wagen unter dem Kreischen der Reifen in Bewegung setzte, verfolgt von den Kugeln und Flüchen einiger Polizisten, die durch die Schießerei zum Tatort geführt worden waren. Mit der Macht der zwei Herzen (und etwa 130 Pferden unter der Haube) entkam das dynamische Duo dem langen (aber nicht sonderlich beweglichen) Arm des Gesetzes.
"Mark ?"
Der Paladin griff nach seinem Stiefel und zog sein Kampfmesser; danach machte er sich daran, die Schusswunde freizulegen.
"Mark, verdammt noch mal, was tust du da ?"
"Ich versuche zu verhindern, das sie wie ein Schwein verblutet."
"Lass den Mist, die ist schon so gut wie tot."
"Ich will es wenigstens probieren, ok ?"
"Und dann ? Warten wir darauf, das sie uns in Schwierigkeiten bringt ?"
"Ich töte keine Cops. Das habe ich früher nicht getan und damit will ich jetzt nicht anfangen. Ich schieße ihnen Waffen aus der Hand, schlag sie K.O., meinetwegen prügele ich sie auch mal windelweich, aber ich bringe sie nicht um."
"Na Glückwunsch. Nach meiner Einschätzung hat ihr die Kugel die Milz rausgeblasen, das ist vergebene Mühe."
"Scheiße !"

Mark beäugte die Wunde, dann verwendete er ein paar Stofffetzen, um die Wunde zu versorgen.

"Sie muss ins Krankenhaus."
"Dafür haben wir keine Zeit."
"Weißt du, was passiert, wenn wir auch noch einen Polizisten auf dem Gewissen haben ? Dann gehst uns mächtig an den Kragen, dann haben wir alle Behörden der Welt auf unseren Fersen."
"Im Gegensatz zu jetzt ?"
"Hör mal, die kämpfen auch für das Gute, sie haben bloß ne Scheiß Definition von ´Gut´. Ich bin kein verdammter Psychopath, ich lege nur Leute um, die es meiner Meinung nach verdient haben. Capiche ?"

Azuriel sah ein, das er hier nichts erreichen würde, und steuerte ein Krankenhaus in der Nähe an. Zehn Minuten später...

"Aus dem Weg !"

Azuriel verlieh seiner Anweisung Nachdruck, als er mit der CZ 75 in seiner Hand durch die Runde auf ein paar Polizisten zielte, die ihnen den Weg versperrten. Diese wiederum zielten auf ihn und Mark, der die notdürftig verbundene Polizistin in seinen Armen hielt. Und das alles geschah, während etwa ein halbes Dutzend Ärzte die Situation beäugten.

"Hier kommen sie nicht durch, Simmons ! Geben sie auf !"
"Nur, um euch mal höflich drauf hinzuweisen: Eure Freundin hier ist am verbluten !"
"Leg sie auf den Boden ! Los !"
"Klar, damit ihr mich dann über den Haufen knallen könnt. Tut mir leid, aber dafür ist meine Mission zu wichtig. Ich mach euch einen Vorschlag: Ihr lasst mich durch, ich schaffe sie in einen OP, und verschwinde dann. Hier muss keiner sterben, wenn wir es richtig anstellen."
"Das aus dem Mund eines Massenmörders ! Jeder von uns würde sich einen Arm ausreißen, um sie zu verhaften !"
"Verdammt, sie stirbt in ein paar Minuten.! Seht ihr das denn nicht ?"
"Wenn sie bei Bewusstsein wäre, würde sie sagen, wir sollen uns nicht um sie kümmern und dafür Mark Simmons einbuchten !"

Azuriel zauberte eine Handgranate aus der Tasche; mit einem unerträglich lauten Klingeln landete der Sicherungsstift auf dem Boden.

"Das reicht jetzt ! Entweder hier stirbt keiner oder wir sterben alle ! Wenn ihr auch nur einen Schuss abgebt, dann landet dieses kleine Bündel TNT auf dem Boden und Metallfragmente werden uns alle in Schweizer Käse verwandeln ! Also geht jetzt zur Seite, sonst gibt?s Hackfleisch !"

Das Argument war anscheinend überzeugend genug; die Polizisten sicherten ihre Waffen und ließen Mark passieren. Dieser legte die Polizistin auf eine bereitgestellte Bahre, die dann von einigen Ärzten schnellstmöglich in den nächsten Operationssaal gefahren wurde. Mark stoppte einen der behandelnden Ärzte und sprach ihn an.

"Sie kommt durch, oder ?"
"Die Wunde sieht so weit gut aus. Ich denke schon, das sie es schaffen wird."
"Gut."

Mark ließ den Arzt passieren und wandte sich den Polizisten zu.

"Wenn euch das nicht überzeugt, das ich mich euch keinen Ärger haben will, dann weiß ich auch nicht weiter. Ich weiß, das ihr das vermutlich nicht glauben werdet, aber ich gehöre zur Abwechslung auch zu den Guten, hm ? Ich bin hier, um die Welt zu retten."
"Sie sind verrückt, Simmons."
"Nein, ich bin ganz normal. Die Welt ist verrückt."

Mit diesen Abschiedsworten verdrückten sich Mark und Azuriel wieder zum Wagen und verließen die Stadt in Richtung Dover. Kurz danach ließ Azuriel die Handgranate aus dem Fenster fallen, bevor es Mark verhindern konnte - zu seiner Überraschung ertönte keine Explosion.

"Was für ne Granate war das denn ?"
"Ein Blindgänger. Hab ich bei ´nem Räumungsverkauf der Roten Armee erstanden. Das TNT da drin war nicht mehr zu gebrauchen, also habe ich das entsorgt und die Hülse mit Sand gefüllt, damit man nicht schon am Gewicht den Braten riecht. Dachte mir schon, das ich die irgendwann mal brauchen könnte."
"Du bist ein echter Fuchs. Hast mir den Arsch gerettet."
"War ja nicht das erste Mal."
"Scheiße...was ist eigentlich mit dem Schuss, den du abgekriegt hast ?"
"Die war noch schlechter als ich. Hat mir bloß das Hemd versengt, ansonsten nicht mal gestreift."
"Glückspilz. Wo geht?s hin ?"
"Deutschland. Ich beginne langsam zu glauben, das wir alle Unterstützung brauchen, die wir kriegen können. Und die Armee der Sterblichen hat da ein ziemlich großes Lager, da haben wir eine realistische Chance, Sharon zu finden."
"Deutschland, hm."
"Was ist ?"
"Da kann ich endlich wieder mal vernünftiges Bier kriegen."

Azuriel ersparte sich den Kommentar, indem er sich auf die Unterlippe biss. Hätte er das etwas fester getan, wäre ihm wohl Blut auf seine Hose getropft. Die beiden verbrachten den Rest des Tages damit, auf irgendwelchen obskuren Landstraßen nach Dover zu fahren, um weiteren Ordnungshütern aus dem Weg zu gehen. Natürlich wussten sie nicht, das die Polizei um das Absuchen des Geländes um das Krankenhaus noch nicht hinausgekommen war und sie deshalb auch bei Nutzung einer Schnellstraße nicht behindert hätte. Auf jeden Fall erreichten sie, erst um zehn Uhr abends am Hafen von Dover anzukommen und damit unter dem Mantel der Nacht zu agieren.

"Wat nu ?"
"...sprach die Kuh und hüpfte von der Schlachtbank. Wenn du freundlicherweise mit diesem Spruch aufhören würdest. Ich hab dir vorhin schon gesagt, das ich noch keine Idee habe."
"Wie brauchen die Hilfe einer allumfassenden Macht. Einer Macht, die von allen Menschen gebildet wird, sie alle umspannt und sie alle kontrolliert. Eine Macht, die uns alle retten oder alle zerstören kann."
"Der Boss ?"
"Nein, nicht der Boss. Ich spreche von - Bargeld !"
Mark fischte demonstrativ ein Bündel englischer Pfund aus der Tasche und wedelte damit herum.
"Sicher, geh doch mal bitte da zum Schalter und kauf uns zwei Fahrkarten für die nächste Fähre nach Calais. Und wenn sie dich nach deinem Gesicht fragen, sag ihnen einfach, das Mark Simmons dein böser Zwillingsbruder ist, der zur Zeit zufällig auch in England ist und genau die selben Klamotten trägt. Klar, das nehmen die dir ab."
"Bah. Wir reisen erste Klasse."

Mark erhob sich aus dem Versteck hinter einem Stapel Kisten (welche die ungewöhnliche Eigenheit haben, genau da rumzustehen, wo man sie als Versteck und Beobachtungsposten missbrauchen kann) und wanderte auf einen Dockarbeiter zu.

"Hallo. Sind sie für Fundsachen verantwortlich ?"
"Wieso ?"
"Nun ja, ich suche ein Boot nach Deutschland. Und irgendjemand hat diesen großen Batzen Geld verloren, ich dachte mir, den gebe ich besser bei ihnen ab. Können sie mir helfen ?"
Der Mann blätterte durch das Bündel und zeigte grinsend auf ein kleines Boot am Dock sowie einen Containerfrachter, der etwa zwei Kilometer auf See vor Anker lag.
"Ah, da ist es ja. Die sind so unübersichtlich, da verliert man sie schon mal aus den Augen. Na ja, ich denke, das Geld ist gut bei ihnen aufgehoben."
"Natürlich, Sir."
"Na dann, Gute Nacht und besten Dank !"

Und mit diesen Worten verpasste Mark dem Hafenarbeiter einen kräftigen Kinnhaken und nahm das Geld aus den Händen des bewusstlosen Mannes. Während Mark das kleine Boot vom Dock löste und den Motor startete, ging Azuriel an dem Mann vorbei und schüttelte den Kopf. Dann gesellte er sich zu Mark in das kleine Boot, das kurze Zeit später am Frachter auftauchte und einen der geöffneten und beleuchteten Serviceeingänge anlief. Azuriel stieg um auf die aufgeklappte Seitenwand des Frachters (beziehungsweise, das kleine ausgeklappte Stück, das als Hilfsdock zum Transport von Material und Besatzung an kleinen Häfen diente), während Mark noch kurz im Boot blieb und seine CAWS auspackte. Er setzte die Mündung auf das Polster des Sitzkissens, das er zuvor auf den Boden des Bootes gelegt hatte, und drückte dann ab. Das Kissen dämpfte den Schussknall, während aus dem neu geschlagenen Leck munter Wasser in das kleine Fahrzeug sprudelte. Mark sprang schnell auf den Frachter um und sah zu, wie das Boot langsam im Meer versank.

"Was soll das ?"
"Wenn die das hier morgen finden, werden die das ganze Schiff auf den Kopf stellen. Ich verwische nur unsere Spur."
"Na dann. Gut, suchen wir uns ne Mitfahrgelegenheit."
"Ich hoffe für dich, das du kein Rheuma hast, denn die wenigsten Container hier sind mit Kissen beladen."
"Heißt das, wir..."
"...schlafen in einem Container. Jep. Was hast du gedacht ?"
"Zu wenig, und das scheint mein Problem zu sein."
"Wie auch immer, auf nach oben."

Nachdem Mark Azuriel kurz in die Geheimnisse des Extrem-Containerschiff-Mitschmuggeln eingewiesen hatte - eine Sportart, die leider heutzutage von vielen als "doppelt und dreifach illegal" bezeichnet wird, was inkorrekt ist, da man zumindest nach altgriechischem Recht gegen mindestens vier separate Gesetze verstößt - schlichen sich die beiden auf das Oberdeck, wo Mark an einem zufällig ausgewählten Container seiner Universalschlüssel Kaliber 12 einsetzte und Azuriel die Ehre ließ, die Tür tatsächlich zu öffnen. Beide platzieren sich daraufhin im Container, Mark schloss die Tür, und beide legten sich so bequem wie möglich auf den kalten, harten Stahlboden. Nach solch einem Tag fiel es den beiden nicht schwer, kurz darauf in einen Tiefschlaf zu verfallen.

Und so näherten sich die beiden Aushilfsheiligen dem Land von Bratwurst, Reinheitsgebot und Heckler &Koch.