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Mimei

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Registrierungsdatum: 31. March 2004

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1

Wednesday, 5. October 2005, 15:19

Selbstmord

Tut mir leid, wenn ich euch hier nun mit einem ernsten Thema belästige, aber ich muss mir einfach ein paar Dinge von der Leber schreiben. Beim Surfen eben bin ich auf verschiedene Foren gestoßen, die sich mit dem Thema beschäftigen und die beängstigend gut besucht und genutzt werden. Aber ich kenn die Leute nicht und möchte sie daher nicht mit meinen Problemen belasten, bzw. kann ich mich niemand fremdem anvertrauen.

Einzelnen hab ich schon mein Herz ausgeschüttet und dass ihr für mich Zeit habt, dafür bin ich euch aus tiefstem Herzen dankbar.

Nun aber mal auf den Punkt; es geht nicht um mich, keine Sorge.

Vor zwei Tagen habe ich den Anruf eines Kommilitonen erhalten und mich tierisch gefreut, für einen kurzen Moment. Denn er hatte sich die schwere Aufgabe auferlegt, uns, dem ganzen Kurs mitzuteilen, dass einer unserer Mitstudenten Anfang bis Mitte September das Leben verloren hat. Zu diesem Zeitpunkt wußte noch niemand von uns etwas näheres, denn die einzige Information war eine E-Mail seiner Schwester, die auf Terminanfragen einer Kommilitonin reagiert hatte.

Ich persönlich war zu tiefst geschockt.
Denn Tobi, so sein Name, war für uns im Kurs eine Art Fels in der Brandung. Jemand, den nichts aus der Ruhe bringen konnte und der uns ein Beispiel dafür war, nicht den Kopf zu verlieren und in panik auszubrechen. Er war stets gut gelaunt und freundlich zu uns allen, bot seine Hilfe an, wo es nur ging und lies dabei keine Gelegenheit aus, mit anderen zu feiern.
Gearbeitet hat er, wie alle bei uns im Kurs Pfelgemanagemnt, nach seiner Krankenpflegerausbildung in einer geschlossenen Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Und auch wenn ich ihn dort nie erlebt habe, bin ich sicher, er hat seinen Dienst dort nicht nur aus Pflicht getan. Im Studium haben wir immer wieder über unsere Jobs und Erfahrungen gesprochen und ich habe ihn kein einziges Mal abwertend oder abschätzig über seine Arbeit reden hören.

Ein paar Leute unseres Kurses sind seit gestern schon zusammen an der FH um die Einführungstage fürs erste Semester abzuhalten und sie haben sich entschlossen, trotz der Abwehr der Familie nachzufragen. Und so habe ich gestern Abend eine Nachricht erhalten, Tobi hat sich selbst und willentlich das Leben genommen.

Um ehrlich zu sein, irgendwie schwang mir dies schon ein wenig im Hinterkopf mit. Warum sollte seine Schwester sagen, ihr Bruder wäre irgendwann zwischen dem 5.9. und dem 15.9. gestorben? Warum durften wir als seine Mitstudenten, die wir zu großen Teilen schon eine kleine Freundschaft aufgebaut hatten, nichts davon wissen und nicht zur Beerdigung kommen?

Aber mir kommen da auch ganz andere Fragen auf. Er war auch ruhig und etwas schüchtern, hat das zu tun mit der Aussage seiner Schwester "er habe sich in Gesellschaft sehr wohl gefühlt, aber alleine offenbar garnicht"? Hätten wir als seine Kommilitonen irgend etwas merken müssen, oder nur die Menschen in seinem direkten Umfeld? Bin ich ein egoistischer Mensch, weil ich es die gesamten Semesterferien über nicht für nötig befunden habe, mich auch nur bei einem meiner Mitstudenten zu melden? Einfach mal durchklingeln und fragen, wie es so geht, das wäre wohl nicht zuviel verlangt gewesen.

Ja, ich weiß, ich habe keine Schuld an seinem Tod und ich hätte ihn nicht verhindern können. Ein Mensch von 28 Jahren mit seiner Ruhe, Gelassenheit und Erfahrung nimmt sich doch nicht einfach so das Leben. Aber ich trauere um den Menschen, den ich gerne besser kennengelernt hätte in der Lerngruppe, die wir nun dieses Semester hätten machen wollen.

So, das war´s erst einmal.

Flo
Even if it's easy to be free
What's your definition of freedom?
And who the fuck are you, anyway?
Who the fuck are they?
Who the fuck am I to say?
What the fuck is really going on?

Mhair'gead

unregistriert

2

Wednesday, 5. October 2005, 15:47

Also kleine Andeutungen gibt es immer, denn niemand wacht morgens mit dem Entschluß auf sich heute um zu bringen. Ob Du oder Deine Mitstudenten die bemerken können ist eine ganz andere Sache, weil der Abstieg bis zum Selbstmord ein langer Weg ist. Das kann schon über mehrere Monate langsam immer mehr werden. Von Außen, wenn Du die Person nicht sehr gut kennst, ist das nicht so ohne weiteres zu bemerken.

Außerdem wenn er so ein stiller und ruhiger Typ war, dann hat er seine Probleme in sich hineingefressen und dort gähren lassen, würde ich vermuten. Es muß viel passieren, damit der Selbstmord der einzig innerlich logische Ausweg bleibt, aber zu glauben mit niemandem Reden zu können fördert das. Wenn sich jemand abkapselt und verkriecht, kommt selbst die Familie nicht an ihn herran.

Ihr hättet da wirklich nichts tuen können, wenn er sich nicht trotz eurer Freundlichkeit öffnen konnte. Niemand kann Gedanken lesen, oder?

Elen

Delijha

unregistriert

3

Wednesday, 5. October 2005, 15:52

das ist ein schwieriges thema - ich war vor ca. 7 jahren auch davon betroffen - ein freund von mir hat sich umgebracht.

ich sag mal so - zu sagen, die zeiten waeren schuld und die aufkommende soziale kaelte ist nicht immer richtig. viele andere faktoren spielen ein.

bei dem freund, den ich hatte, war es vieles - jeder, inklusive mir, der ihn naeher kannte, wusste, dass er probleme hat - er hats immer nach aussen getragen - zukunftsaengste, angst nicht geliebt zu werden ... er hatte einfach vor allem angst, besonders vor sich selbst. er redete sich ein, er waere abstossend, psychisch krank. meiner meinung nach war er durchaus psychisch labil, das resultiert aber aus vielen kleinen sachen, die zusammenspielen und waere sicher durch eine therapie behandelbar gewesen... egal - er sprach laut und offen ueber seine probleme und trotzdem brachte er sich an einem wochenende um, indem er sich an einer badestelle, wo wir alle oft waren, erhangen hat.... er wurde erst 4 tage spaeter gefunden... -da erinnerte ich mich an den satz, den man immer hoert - die die es auch noch halbwegs ankuendigen, machens sowieso nicht - das ist so falsch! egal wer solche anspielungen macht, jemand sollte drauf reagieren. JEMAND .... ich weiss nich, man selbst kann/darf das oft nicht sein, denk ich... aber man kann der jenige sein, der mit anderen drueber redet - die dem "gefaehrdeten" naeher stehen - mehr recht haben, ihn auf sowas anzusprechen.

mimei, wenn jemand nach aussen hin gar nichts spueren laesst, wie soll man da was machen? wer kann wissen, was es fuer schlimme sachen in seinem leben gab? die er vielleicht gar niemandem erzaehlt hat?

was ich allerdings denke ... ja, manchmal koennte man - koennte ich - mich schon mehr um die leute kuemmern, die mir wichtig sind, die ich liebe, die ich gern habe... die platz in meinem leben einnehmen. ist ja nicht nur selbstmord... ich glaube, es passiert gar nich so selten, dass menschen sterben und man viele unausgesprochene worte einfach mit sich tragen muss....und oft betrauert man nicht nur den menschen, sondern, dass man die zeit mit ihm nicht richtig genutzt hat oder zu wenig zeit mit ihm verbracht hat.

fuer das thema selbstmord find ich einfach nicht die richtigen worte... das klingt alles voellig banal... aber ich kann mit dem thema auch nich wirklich umgehen, gebe ich zu.

Cijj Jodaij

unregistriert

4

Wednesday, 5. October 2005, 16:03

Es tut weh zu hören das Menschen für sich selbst keine Zukunft sehen. Ich find es schlimm genug wenn man von anderen unterschätzt wird, aber mich selbst als nicht nützlich für diese Welt zu sehen lag mir selbst in meinen tiefsten Momenten, das war so mit 15/16, einfach fern. Ich denke ich habe der Welt noch eine Menge zu geben.

Und jeder andere Mensch auch.

Any Nightshift

unregistriert

5

Wednesday, 5. October 2005, 22:40

Als ich in der achten Klasse war hat sich einer meiner besten Freunde damals umgebracht. Er ist aus dem achten Stock gesprungen. 14 Jahre alt war er und vor zwei Tagen war nun der siebte Geburtstag den wir nicht mehr zusammen erleben. Auf dem Friedhof hat er ein Grab zwischen vielen, es geht fast unter, dass er noch so jung war. Warum er nicht mehr weiterleben wollte weiß bis heute keiner. Es gab im vorhinein eine Auseinandersetzung mit einem Lehrer, die dazu führte, dass ihm ein Verweis angedroht wurde. Allerdings muss da wohl mehr gewesen sein. Es gibt aber keinen Abschiedsbrief oder irgendwen, dem er sich anvertraut hätte. So gut war wohl die Freundschaft zu keinem von uns. Und umso mehr tut es weh, zu wissen, dass man eigentlich nichts wusste über jemanden mit dem man jeden Tag Fußball gespielt hat.

Mimei

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6

Thursday, 6. October 2005, 20:26

Der erste Tag des neuen Semesters ist vorüber,
der erste Tag ohne Tobi für uns.

Ich hab letzte Nacht kaum geschlafen und hatte wirklich Angst, meinen Kommilitonen zu begegnen - einfach, weil ich nicht wußte, wie wir alle reagieren.

Da auch unsere FH nun davon wußte, wurde uns freundlicher Weise die erste Vorlesung komplette eingeräumt, um uns gegenseitig auszutauschen, über Tobi zu reden, den Verlust, unsere Gefühle.

Der Mitstudent, der bei seiner Familie angerufen hatte, konnte uns nun noch mehr erzählen. Die erschreckenden Dinge dabei waren, seine Angehörigen wußten - im Gegensatz zu uns - dass er "zwei Seiten" hatte, die sie uns aber nicht näher schildern konnten. Auch wenn seine Wohnung darauf hindeutete, dass es sich wohl um eine Kurzschlussreaktion gehandelt hat (der Computer lief noch, kein Abschiedsbrief) und er einfach so ins Bad ging, um sich zu erhängen, muss da schon lange etwas im Stillen gelegen haben, denn auf seinem Computer fanden sich unzählige Gedichte, Artikel über Borderline Störungen, etc.

Ich bin meinen Kommilitonen sehr dankbar, mich nun nicht mehr so alleine und hilflos fühlen zu müssen und vor allem auch, dass wir durch unsere gegenseitigen Erzählungen ein Bild von unserem Mitstudenten zeichnen konnten, an das wir alle sehr gerne zurückdenken. Was einfach jeder von uns kannte, war die eine einzeln gekaufte Zigarette am Morgen (weil zuviel rauchen ungesund ist) und sein "knuffiges" Lachen...

Danke, das ich euch hier davon erzählen konnte.
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Cijj Jodaij

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7

Friday, 7. October 2005, 16:02

Danke das du darüber gesprochen hast :)

8

Saturday, 8. October 2005, 12:34

Ich hab mich aus verschiedenen Gründen mit Borderline beschäftigt. In meinen Augen ist es eher so ein Sammelsurium aus psychologischen Störungen, denen man aus Schulmedizinischer Sicht nur mit Medikamenten beikommt. Diese Wallungen von psychischen Überbordungen sind sowohl für die Person selber, wie auch für die Umgebung sehr unangenehm und schwer zu kontrollieren, egal von welcher Seite man da rangeht. So vollkommen niederschlagend kann so eine Eruption sein, dass man aufsteht und sich umbringt.

Alkohol, Medikamentsuch und Drogen sind ebenfalls Mittel um die Hauseigene psychische Abwehr gegen Selbstmord zu unterdrücken. Wir sind ein Organismus, und ein Organismus hat ein ein natürliches Interesse daran zu überleben. Aber sobald die eigene Willensstärke durch äussere Mittel unterdrückt wird, ist die Hemmschwelle für Selbstmord erheblich gesunken.

Selbstmord gilt in unserer Gesellschaft als schlecht, aber es gibt auch Gesellschaften wo Selbstmord akzeptiert ist, es kommt also auch auf kulturelle Dispositionen an, dh. schliesst das soziale Milieu mit ein und auch den Arbeitsplatz.

Selbstmörder verlassen uns. Für uns hinterbliebene ist es schrecklich, wenn wir uns Vorwürfe machen, und vielleicht ist jeder Selbstmord auch eine Art Vorwurf. Doch wir müssen uns eingestehen, wir können unmöglich für das Leben anderer entscheiden. Wir können nicht in die Hirne der anderen steigen und dort die Dinge reparieren, die dort anders laufen als sie sollten. Und sie sollten anders laufen, denn wir sind hier nicht dazu da, um uns selber umzubringen. Jeder findet einen Grund sich umzubringen. Jemand sagte mal, dass noch alle selbstrefklektierenden Menschen einmal an Suizid gedacht haben.

Wir sind allein, wenn wir ehrlich sind, jeder für sich. In meinen Augen ist die Gesellschaft und die Leute die mich umgeben kein Teil von mir. Sie sind einfach da, aber schlussendlich bin ich alleine. Ich bringe mich selber überall dorthin wo ich mich hinbewege, aber fliehen kann ich nicht. Ich träume allein, ich entscheide allein, ich fühle allein. In meinem Körper bin ich eingeschlossen und wenn ich sterbe, dann glaube ich, dass jeder seinen Individuellen Weg nach dem Tod geht. Es ist schwierig, meiner Umgebung mein Inneres zu zeigen, was ich fühle, was ich wirklich denke. Wenn ich innerlich Leide, dann kann meist nur ich mir selber helfen. Worte von aussen prallen an mir ab, weil ich in meiner Welt allein lebe. Aus dieser Sicht gesehen, sollten die Leute, die sich bei meinem Ableben Selbstvorwürfe machen würden, dies lassen. In meiner Denkweise des sich Alleinefühlens kann ich niemandem einen Vorwurf machen, wenn es mir schlecht geht, denn mein Leben ist alleine das, was meine Gedanken daraus machen. Ich kann nicht aus dieser Welt entfliehen, aber ich habe gelernt mit mir Selber zufrieden zu sein, mit mir im Reinen zu sein. Und ich habe so gelernt das Leben zu lieben und zu schätzen.

Mimei

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9

Friday, 21. October 2005, 20:36

Heute waren wir (der Kurs PM) zusammen am Grab von Tobias.
Begleitet haben uns zwei Professoren und unser Dekan, dieser hat auch eine sehr schöne und bewegende kleine Ansprache gehalten, sowieTobi´s Bewerbungsfoto an der FH niedergelegt. Vom Kurs kam ein selbstgestalteter, herbstlicher Kranz und viele, viele Kerzen.

Doch der bewegendste Augenblick war, als eine Kommilitonin, die sehr viel Zeit mit ihm zusammen verbrachte, ein selbstgeschriebenes Gedicht vorgelesen hat. Inhaltlich kann ich es nicht mehr beschreiben, aber es hat mich zu tiefst bewegt, hatte sie es doch geschafft, unser aller Gefühl auszurdrücken - zu spät gekommen zu sein.

Irgendwie passend war dieser Abschied; drausen auf dem Land, ein verschlafenes Dorf, eine winzige Kirche und das frische Grab in deren Schatten. Über uns der strahlend blaue Himmel und wir haben gefrohren und geweint.

Im Anschluss daran wurden wir von Tobias´ Mutter nachhause eingeladen zu Kaffee und Kuchen. Dort konnten wir uns gegenseitig austauschen über sovieles aus seinem Leben, an dem er uns nicht mehr hatte teilhaben lassen. Einige von uns hatten Bedenken wegen dieses Besuches, doch im Nachhinen waren wir uns alle einig, dass der Besuch nicht nur uns, sondern auch seiner Familie gut getan hat. Denn wir hatten viel zu erzählen, zu lachen und schöne Bilder anzusehen... und durften dabei die warme Sonne auf der Terasse geniesen.
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